Immer schön höflich bleiben
Wer Geschäftskontakte nach Fernost pflegt, steht manchmal vor Rätseln – sei es beim Arbeitsablauf oder bei den Umgangsformen. Sascha Haas, Chef von Haas Training Solutions in Grüsch, schult Unternehmen im Umgang mit China und Südkorea. Markus Haltiner hat zehn Jahre in Japan gelebt und gearbeitet. Er gibt Japan-Seminare für Touristik-Studierende an der HTW Chur. Die beiden Experten haben einige Tipps parat.
In Asien ticken die Uhren anders als in Europa. Wer hier eine vorgefertigte Agenda abarbeiten will, kommt so schnell nicht weiter. «In China läuft es nach dem Motto: Wir fangen mal an, und dann sehen wir weiter», sagt Sascha Haas. Man wisse dort zwar, dass die Eidgenossen terminfixierter seien, «trotzdem sollte man sich darauf einstellen, dass Deadlines immer um ein paar Tage überschritten werden».
In Südkorea und Japan wiederum legt man Wert auf Pünktlichkeit und Details. Trotzdem unterscheidet sich die Arbeitsweise. In Japan etwa gilt ein Prinzip, das «Nemawashi» genannt wird. Das heisst wörtlich übersetzt «den Baum mit den Wurzeln ausgraben» und bedeutet: Bevor ein neues Konzept eingeführt wird, werden alle Beteiligten dazu befragt, und ihre Anregungen fliessen ein. «Der Vorteil hier ist, dass, wenn das Projekt offiziell abgesegnet wird, der Prozess schon in vollem Gange ist», erklärt Markus Haltiner. Dazu wird die Akzeptanz hoch sein, da sich niemand übergangen fühlt. Bis es soweit ist, wird es für die Schweizer Partner aber öfters einmal kompliziert – denn was intern abläuft, ist für sie schwer durchschaubar und wird nach eigenen Regeln kommuniziert. Zum Beispiel: «Nein» ist ein Wort, das man in China, Japan und Korea nicht zu hören bekommt. Das bedeutet aber nicht, dass allem zugestimmt wird.
Sagt ein Japaner «hai» («ja»), bedeutet das nur, dass er gehört hat, dass man etwas gesagt hat – aber nicht notwendigerweise, dass er es auch verstanden hat. Geschweige denn, dass er zustimmt. «Wenn er allerdings sagt: ‹Lassen Sie mich darüber nachdenken›, ist das eine eindeutige Ablehnung», erklärt Markus Haltiner.
Kritik will gut verpackt sein
Ganz allgemein ist der Umgangston sehr zurückhaltend. Die oft gehörte Formulierung «das Gesicht wahren» ist kein Klischee. «Selbst wenn man mit dem Fortschritt eines Projektes unzufrieden ist, sollte man das sehr vorsichtig ansprechen», rät Markus Haltiner, «etwa: ‹Sehen Sie eine Möglichkeit, hier vielleicht noch eine Änderung anzubringen?›» Nur in Südkorea sei diese Massgabe nicht mehr so ausgeprägt, berichtet Sascha Haas: «Da habe ich es schon erlebt, dass ein Untergebener vor versammelter Mannschaft zusammengestaucht wurde.» In allen drei Ländern gilt es aber als unangemessen, dem Chef vor anderen zu widersprechen – die Assistentin bleibt bei Treffen im Hintergrund.
Zur Begrüssung gibt man in China die Hand. «Der Händedruck fällt hier allerdings nicht so kräftig aus», erklärt Sascha Haas. In Südkorea ist es zudem üblich, beim Händeschütteln seine linke Hand auf den eigenen Unterarm oder auf den Bauch zu legen, «jedenfalls lässt man sie nicht einfach herunterhängen». In Japan ist Körperkontakt verpönt – deshalb verbeugt man sich dort zur Begrüssung. «Je tiefer die Verbeugung, desto höher die Ehrerbietung», erklärt Markus Haltiner. Also: Der Angestellte verbeugt sich tiefer als der Chef, und der Gastgeber tiefer als der Gast. Frauen verbeugen sich auch etwas anders als Männer: Während die Herren ihre Arme dabei seitlich am Körper lassen, halten die Damen ihre Hände vor den Schoss.
Oh, eine spannende Visitenkarte!
Eine Sonderbehandlung kommt in allen fernöstlichen Ländern der Visitenkarte zu. «Ohne Visitenkarte ist man in Japan wie ohne Gesicht», erklärt Markus Haltiner. Edel muss sie aussehen und mindestens auf Englisch – oder noch besser: auf Japanisch – übersetzt sein. Das Überreichen gleicht einer Zeremonie: Man hält sie mit beiden Händen hin und empfängt sie auch beidhändig. Dann steckt man sie aber nicht einfach ein, sondern studiert sie erst einmal interessiert und legt sie dann neben sich auf den Tisch. «Als unhöflich gilt auch, sich vor der anderen Person Notizen auf deren Karte zu machen», ergänzt Markus Haltiner. Für China und Südkorea gilt dasselbe.
Auch wenn die Geschäftssprache Englisch sei, komme es in China gut an, wenn man ein paar Wörter in Mandarin einfliessen lasse, meint Sascha Haas, zum Beispiel «ni hao» («guten Tag»), «chie chie» («danke») oder «bokashi» («bitte sehr»). Bei Treffen mit chinesischen Geschäftspartnern sei es immer angebracht, einen Dolmetscher dabeizuhaben, erklärt er. Die Englischkenntnisse der Chinesen seien zwar in der Regel gut, «da sie in der Schule aber keine englischen Muttersprachler als Lehrer haben, ist ihre Aussprache meistens schlicht völlig unverständlich». Dafür funktioniere der schriftliche Austausch gut. «Ein E-Mail zu schreiben ist daher wirkungsvoller als ein Telefonat zu führen.» Südkoreaner wiederum seien auch mündlich in Englisch fit. «Dort ist man mit der amerikanischen Kultur vertrauter. Hollywoodfilme werden dort auch auf Englisch gezeigt, das schult das Sprachgehör.»
Wer E-Mails nach Japan verschicke, sollte sich darauf einstellen, dass die Antwort etwas dauern könne, berichtet Markus Haltiner. Der Grund: «Englischsprachige E-Mails werden meist zuerst an den firmeninternen Übersetzer geschickt.» Wenn es eilt und man wisse, dass der Adressat gut Englisch verstehe, solle man daher lieber anrufen. Zudem seien Japanerinnen beim Anwenden von Fremdsprachen mutiger und daher auch auskunftsfreudiger als ihre männlichen Kollegen.
Auch beim Smalltalk lauern einige Fettnäpfchen. Wie so oft ist natürlich Politik gar kein gutes Thema: die Ein-Kind-Politik, das Verhältnis Japans zu seinen Nachbarn, die Trennung von Nord- und Südkorea – das alles sollte man weglassen.
Besser: sich an der Kultur interessiert zeigen und über die eigene reden. «Japaner sind informationssüchtig. Wenn sie vor Ort sind, kommen Geschichten und Anekdoten über die Stadt oder die Region gut an», sagt Markus Haltiner. Sascha Haas rät auch zu Themen wie regionale Küche, Fussball oder auch fernöstliche Philosophie wie die von Konfuzius – nicht aber Religion.
«Wie viel verdienen Sie?»
Ebenso kann es dazu kommen, dass asiatische Kollegen Dinge tun oder ansprechen, die Schweizer zumindest als ungewöhnlich empfinden. «Lernt man einen Südkoreaner kennen, fragt er als Erstes: ‹Wie alt sind Sie?› – ‹Sind Sie verheiratet?› – ‹An welcher Uni haben Sie studiert?›», hat Sascha Haas beobachtet. «Damit will er einschätzen, ob der andere eine gesellschaftlich höhere Position hat. Und wenn man dieselbe Hochschule besucht hat, ist man automatisch ein Kumpel.» Von Chinesen wird berichtet, dass sie manchmal Fragen stellen, die auch als grob unhöflich verstanden werden können. Die amerikanische Chinaexpertin Eden Collinsworth berichtet in ihrem Buch «I Stand Corrected: How Teaching Western Manners in China Became Its Own Unforgettable Lesson» von Fragen wie «Wie viel verdienen Sie?», «Warum sind Sie geschieden?» oder auch «Sie essen sehr gerne, nicht wahr? Denn Sie sind sehr dick!» Hier rät Sascha Haas zu höflicher Ablehnung: «Entschuldigen Sie bitte meine Schüchternheit, aber ich bin es nicht gewohnt, über so etwas zu reden.»
Auch was die Tischmanieren betrifft, geht es in China, Japan und Südkorea anders zu und her. Schlürfen und Schmatzen beim Essen zeigten dass es schmeckt. «Auch wenn die meisten darüber informiert sind, dass dies in Europa nicht gut ankommt, kann es trotzdem sein, dass sie selbst dann gegen hiesige Normen verstossen, wenn sie sich zurückhalten», wirbt Sascha Haas um Nachsicht. Zum Problem kann auch eine Erkältung oder sehr scharfes Essen werden: Denn wenn die Nase läuft, darf nicht am Tisch ins Taschentuch geschnäuzt werden. Da hilft nur entweder Aufstehen und sich anderswo die Nase putzen – oder Hochziehen.
Mittelsmänner helfen
Von Geschäftsessen in Fernost bringen Rückkehrer oft auch Gruselgeschichten über die Gerichte selbst mit. Für China und Korea mögen sie sogar stimmen. In China etwa, berichtet Sascha Haas, würden Fische oder andere Meerestiere oft lebendig am Tisch zubereitet – um vorzuführen, dass sie ganz frisch sind. «Das Schlimmste aus Südkorea, von dem ich gehört habe, waren Blutegel, die sogar lebendig gegessen werden mussten.» In Japan, erklärt Markus Haltiner, passiere so etwas in der Regel nicht. Natürlich gebe es Sushi, also rohen Fisch, und wenn man selbst den nicht essen könne, sei es kein Problem, das im Voraus zu sagen. «Das Härteste ist hier vielmehr die Sitzposition, denn man isst vor niedrigen Tischen kniend auf dem Boden.» Dafür zieht man auch immer die Schuhe aus. Deshalb rät der Experte: «Immer Schuhe tragen, die man leicht ausziehen kann – und darauf achten, dass die Socken keine Löcher haben.» In allen drei Ländern gilt am Tisch: Man schenkt Getränke nur anderen ein. Wenn man nichts mehr trinken will, sollte man das Glas aber auch nicht austrinken, sonst bekommt man nachgeschenkt.
Bereitet man in der Schweiz die Erfrischungen für ein Meeting vor, sollte man auf jeden Fall Wasser ohne Kohlensäure bereitstellen. Chinesen legen zudem grossen Wert darauf, dass das Wasser in Flaschen gereicht wird – weil sie annehmen, dass es sonst einfach aus dem Hahn kommt: «Ein Kollege berichtete mir von einem Treffen in der Schweiz, bei dem Wasser von einer Bergquelle aus der Region in Karaffen angeboten wurde, und die chinesischen Geschäftspartner es ablehnten», berichtet Sascha Haas.
Eine Partnerschaft zu einem chinesischen Unternehmen aufzubauen, ist langwierig und mit vielen Hürden verbunden. Das habe auch damit zu tun, dass für Chinesen Verträge nicht dieselbe Verbindlichkeit hätten wie für Schweizer, weiss Sascha Haas. Vieles läuft über Mittelsmänner, deren Hinweisen man gut zuhören sollte: «Sagt der Agent in China etwa: ‹Schicken Sie Ihr Paket mit UPS›, dann sollte man das tun. Denn das bedeutet, dass er dort jemanden kennt, der die Lieferung beschleunigen kann.» Ist eine Geschäftsbeziehung aber erst einmal gewachsen, ist sie stabil.
Arbeiten mit China, Südkorea und Japan – so klappt's:
- Das Kollektiv hat eine hohe Bedeutung; der Partner muss sich intern sehr stark abstimmen.
- «Das Gesicht wahren» ist allen wichtig; Probleme sehr behutsam ansprechen.
- In China wird Verträgen oft nicht die gewünschte Verbindlichkeit beigemessen; das Vertrauensverhältnis wächst sehr langsam.
- In China wird vieles durch Mittelsmänner geregelt – gut ist, wenn man gleich mehrere davon an der Hand hat.
- Japaner und Südkoreaner sind pünktlich und detailorientiert – und erwarten das auch von anderen.
- In Südkorea legt man Wert auf die Rangordnung – und checkt diese sehr schnell ab.
- Ein «Nein» wird in allen drei Ländern nicht offen ausgesprochen – und ein «Ja» bedeutet noch nicht Zustimmung.
- In Japan sagt man oft sogar «Ja», wenn man das Anliegen nicht verstanden hat; Tipp: als Test eine Frage stellen, die nicht nur mit «ja» oder «nein» beantwortet werden kann.
- Beim Smalltalk Fragen zu Politik aussen vor lassen; darauf eingestellt sein, dass vor allem Chinesen manchmal sehr persönliche Themen aufgreifen.
- Englischkenntnisse darf man voraussetzen; Chinesen tun sich aber mit der Aussprache schwer; Japanerinnen sind in Fremdsprachen meist geübter als Japaner.
- Bei der Wahl eines Restaurants für das Geschäftsessen auf Nummer sicher gehen und in einem gehobenen asiatischen Lokal reservieren.
- Beim Besuch des Partners in der Schweiz für Chinesen ein Abendprogramm zusammenstellen; Japaner wünschen mehr Zeit für sich zum Ausruhen – sind aber sehr interessiert an Informationen über ihr Gastland.