Business-Knigge

Die kleinen Unterschiede

Du oder Sie? Küsschen oder Handschlag? Im Team oder mit strenger Hierarchie? Straffer oder lockerer Zeitplan? Wer geschäftlich mit Europäern aus anderen Ländern zu tun hat, macht sich über Unterschiede vielleicht nicht so viele Gedanken. Doch es gibt ein paar Dinge, die man über die europäischen Nachbarn wissen sollte.

So nah und doch so fern – selbst mit Geschäftspartnern in Europa können manchmal Missverständnisse auftreten. Auch wenn die Mentalitäten meist nah beieinander liegen, hat jedes Land seine Eigenheiten. Miss Moneypenny hat einen kleinen Überblick zusammengestellt.

Deutschland – zack, zack! 

Möchte man das Bild, das die Schweizer von den Deutschen haben, freundlich umschreiben, trifft wohl «zielstrebig» am ehesten zu. «Deutsche sind eher auf die termingerechte Erledigung von Aufgaben fixiert, weniger auf die Menschen, die die Arbeit ausführen», erklärt Clemens Becher, freischaffender Experte bei Conray Intercultural in Reichenburg. Während sich die Schweizer eher etwas mehr Zeit bei der Bearbeitung eines Projektes liessen, damit am Ende wirklich alles passt, sei es für Deutsche vorrangig, pünktlich Ergebnisse zu liefern und  diese allenfalls später nachzukorrigieren. Für sie sei es wichtig, etwas zügig unter Dach und Fach zu bringen – erst nach getaner Arbeit geht es entspannter zu. «Deutsche legen Wert darauf, zuerst das Geschäftliche zu erledigen. Erst dann sind sie bereit, beispielsweise mit einem Glas Wein auf einen erfolgreichen Vertragsabschluss anzustossen», hat Clemens Becher beobachtet.

Auch bei Meetings gehen Deutsche sehr effizient mit ihrer Zeit um. «Schweizer kommen eher zehn Minuten früher, um sich vorher ein wenig kennenzulernen und netzwerken zu können. Deutsche kommen genau pünktlich und möchten dann auch gerne schnell anfangen», weiss Clemens Becher. Mit der oft abwartenden Haltung der Schweizer kämen Deutsche weniger gut zurecht. «Schweigen auszuhalten, ist nicht ihre Stärke. Wenn der Schweizer Partner beim Treffen nicht sofort antwortet, neigt der deutsche Kollege dazu, Pausen mit mehr oder weniger gehaltvollem Gerede auszufüllen.»

Beim Restaurantbesuch beispielsweise sind Deutsche in kultureller Hinsicht wenig fein-fühlig und übersehen gelegentlich die in der Schweiz üblichen Umgangsformen: «Ein deutscher Gast gibt häufig seine Bestellung im Restaurant grusslos und ohne ein ‹Bitte› ab, etwa: ‹Ich bekomme einen Kaffee›, was in der Schweiz als sehr unhöflich aufgefasst wird.» Der Grund: «In der Schweiz geht man umsichtiger miteinander um. Die Person, die eine Aufgabe erledigt, wird stärker miteinbezogen.» 

Bei der Anrede von Geschäftspartnern oder Kollegen bestehen Deutsche in der Regel eher auf dem Sie. Schweizer neigen schnell dazu, sich das Du anzubieten. Insbesondere Vorgesetzte zu duzen, ist in Deutschland in vielen Branchen unüblich: «Der Machtdistanz wird stärkerer Ausdruck verliehen», argumentiert Clemens Becher.

Grossbritannien – «Interesting»

Ein gutes Zusammenarbeiten bescheinigt Clemens Becher Schweizern und Briten, obwohl deren Arbeitsweisen sich grundsätzlich unterschieden. «Bei Schweizern liegt der Fokus auf operationellen Tätigkeiten, das heisst, sie gehen bei der Arbeit sehr in die Tiefe. Deshalb sind sie mitunter sehr erfolgreich in Branchen wie beispielsweise dem Maschinenbau, bei dem es vorwiegend um Perfektion geht. Briten hingegen arbeiten eher strategisch, achten also sehr stark darauf, welche Auswirkungen ihr Tun auf andere Bereiche haben könnte. Diese beiden Mentalitäten ergänzen sich im Geschäftsalltag hervorragend», meint der Experte.

Eine angenehme Zusammenarbeit sei für den zu erwarten, der sich auf den trockenen Humor der Briten einlässt, den diese auch beim Geschäftlichen nicht ablegen. Ungeachtet dessen legten Briten aber grossen Wert auf Political Correctness. Zwischen den Zeilen lesen zu können, sei auch immer von Vorteil: «Eine gerne angewandte Floskel der Briten ist ‹That sounds interesting›, die aber sehr unterschiedlich gemeint sein kann», warnt Clemens Becher. Der britische Partner könne damit zwar meinen, dass er einen Vorschlag tatsächlich interessant findet – es könne aber auch ebenso Skepsis oder eine höfliche Ablehnung bedeuten. «Da hilft es nachzufragen, was sich der andere denkt, wie es mit dem Vorschlag weitergehen könnte. Antwortet er dann vage, kann man davon ausgehen, dass er nicht wirklich begeistert ist», erklärt Becher.

Briten liessen sich darüber hinaus nicht gerne allzu schnell festnageln – das gebe ihnen das Gefühl, in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt zu werden. «Hat man einen britischen Vorgesetzten, wird er es daher sehr schätzen, wenn man ihm mehrere Möglichkeiten zur Umsetzung einer Aufgabe präsentiert.» 

Missverständnisse können manchmal aufkommen, weil Briten oft sehr selbstverständlich davon ausgehen, dass man sie sehr gut versteht, wenn man einmal signalisiert hat, dass man über gute Englischkenntnisse verfügt. Clemens Becher erinnert sich an ein Gespräch in einem Meeting: «Ein schottischer Kollege bat mich ‹Can you produce me an acid, please?› Eine Nachfrage bei der Assistentin brachte dann Aufklärung zum unverstandenen Wort ‹acid›: Im schottischen Dialekt verwendet man ‹acid› anstelle des im Englischen gebräuchlichen Wortes ‹slide› für Präsentationsfolie.»

Italien – Küsschen, Küsschen!

Erst einmal ankommen, alles zu seiner Zeit: Das gilt nicht nur für den Urlaub in Bella Italia, sondern auch für geschäftliche Treffen. «In Italien nimmt man sich viel Zeit, um jemanden willkommen zu heissen und kennenzulernen», berichtet Margo McClimans, Inhaberin von Coaching Without Borders in Zürich. «Das bedeutet auch viel Smalltalk – wer hier schnell auf den Punkt kommen will, kommt unfreundlich herüber», weiss die Amerikanerin, die auch einen italienischen Pass besitzt. Ein Begrüssungs- und Abschiedsküsschen ist auch unter Geschäftspartnern keine Seltenheit. Dabei kann selbst der gelassene Schweizer sich unter Umständen in der Rolle wiederfinden, die er sonst den Deutschen zuschreibt.

Ist man in Italien zum geschäftlichen Abendessen eingeladen, wird dieses mit einem Aperitivo eingeleitet – der oft in einer anderen Lokalität als das Essen selbst stattfindet. «Da kann es auch schon mal eine Stunde dauern, bis man ins Restaurant wechselt. Das ist aber kein Grund, nervös zu werden: In Italien ist es üblich, dass jeder Tisch pro Abend nur einmal vergeben wird. Das bedeutet auch, dass man in der Regel keine Uhrzeit für die Reservierung angibt. Der Gastwirt ist also nicht irritiert, wenn man später kommt», erklärt die Expertin.     

Der Arbeitsalltag wiederum, vor allem in Norditalien, sei stark von Routinen geprägt. «Es ist zum Beispiel üblich, dass immer alle gemeinsam zum Mittagessen gehen. Wer also zwischen 12.30 und 14 Uhr in einem italieni-schen Büro anruft, wird wahrscheinlich niemanden erreichen», berichtet die Expertin. Selbst für Kaffeepausen gebe es oft feste Zeiten. Es werde aber andererseits nicht so weit in die Zukunft geplant: «Einen Termin für ein Business-Lunch drei Monate im Voraus festzulegen, wäre für Italiener undenkbar.» 

Dass Italiener einen ausgeprägten Sinn für Mode haben, ist kein Klischee. Gerade die Damen lieben es extravagant, auch beim Business-Dress. «Italienerinnen kleiden sich auch für das Büro farbenfroh und elegant. Das bedeutet auch, dass es ein bisschen sexy sein darf – und das wird keinesfalls als unprofessionell aufgefasst», erklärt Margo McClimans.   

Arbeiten mit Europäern – so klappt's

  • Du und Sie: In vielen Ländern ist man schnell beim Vornamen und auch bald beim Du. Ausnahmen: Deutschland und Frankreich.
  • Deutsche kommen schnell zum Punkt. Schweigende Gegenüber machen sie nervös.
  • In Italien setzt man zwar auf lockeren Umgang, andererseits aber auch auf Routinen und strenge Hierarchien.
  • In Grossbritannien schätzt man die Auswahl: Hier sollte man immer mehr als einen Lösungsvorschlag parat haben.
  • In Frankreich nimmt man sich Zeit, um ein persönliches Verhältnis zum Geschäftspartner aufzubauen. In geschäftlichen Besprechungen wird dafür auch schon einmal leidenschaftlich gestritten.
  • In Skandinavien wird viel Wert auf die Work-Life-Balance gelegt: Termine nach 16 Uhr oder gar am Wochenende sind schwer durchzusetzen.

Bei der Abstimmung von Projekten geht es in Italien wiederum etwas strikter zu und her. «In der Schweiz nimmt man sich Zeit, die Arbeit im Team abzustimmen. In Italien wird alles vom Chef persönlich abgesegnet», hat Margo McClimans beobachtet. Das habe damit zu tun, dass es in Italien nach wie vor sehr viele Familienunternehmen gebe, wo der «padrone» eine erhabene Stellung einnimmt. «Das bedeutet auch, dass es kaum Chancen auf Beförderung gibt. Einen Job hat man oft sein Leben lang.» Das erklärt vermutlich auch die generelle Einstellung der Italiener, die man als fatalistisch beschreiben kann. «In der Schweiz ist man überzeugt, dass jeder etwas verändern kann. Notfalls startet man eine Petition. In Italien geht es oft nach dem Motto: ‹Ja, das ist schlimm, aber was will man machen?›»

Frankreich – Ein bisschen Risiko muss sein  

Ähnlich wie in Deutschland legt man auch in Frankreich grossen Wert auf das Sie bei der Anrede. «Besonders Vorgesetzte zu duzen, ist sehr unüblich», erklärt Xavier Garcia-Weibel, Inhaber des Coaching-Unternehmens Soultricity in Lostorf. Auch akademische Titel und vor allem die Universität, an der man studiert hat, würden sehr wichtig genommen. Das bedeute aber nicht, dass man in Frankreich distanziert sei. Im Gegenteil, man lege Wert darauf, dass man mit dem Geschäftspartner auch persönlich ein gutes Verhältnis pflege: «Man trifft sich häufiger zum Lunch und baut eine Beziehung auf.» Es sei auch durchaus üblich, im Kontext mit Arbeit Emotionen zu zeigen: «Bei Besprechungen in der Schweiz geht es eher sachlich zu und her. In Meetings in Frankreich aber wird auch schon einmal sehr leidenschaftlich gestritten», berichtet Xavier Garcia-Weibel. Die Schweizer erschienen Franzosen zwar herzlich – allerdings mitunter auch perfektionistisch: «Wir Franzosen wiederum wirken auf die Schweizer wohl eher etwas chaotisch. Wir können mit einem gewissen Risiko leben, wir planen nicht so detailliert wie die Schweizer.» Auch Pünktlichkeit sei nicht unbedingt das A und O in Frankreich: «Zu Treffen kommt man eher fünf Minuten zu spät. Auch Deadlines können einmal ausgeweitet werden.» Trotzdem seien Franzosen sehr auf ihre Karriere bedacht: «Sie agieren sehr taktisch. Auch wenn es in Frankreich üblich ist, eher etwas später als in der Schweiz den Arbeitstag zu beginnen, machen viele Franzosen oft Überstunden. In grossen Unternehmen kann man manchmal regelrechte Wettbewerbe unter Mitarbeitern beobachten, wer länger im Büro bleibt.»  

Skandinavien – Danke, aber nicht für alles

Im hohen Norden geht es sehr informell zu und her, die Hierarchien werden generell sehr flach gehalten. Üblich ist, dass jeder jeden duzt, und akademische Titel werden nur in formeller Korrespondenz benutzt. Aber Vorsicht: Damit ist jedoch nicht gemeint, dass man sofort befreundet ist – Skandinavier legen vielmehr grossen Wert auf die Trennung von Privatem und Beruflichem. Passend dazu sind auch Feier-abend und Wochenende heilig – wer hier ein Meeting nach 16 Uhr anberaumen will, hat schlechte Karten.

Alkohol, das ist bekannt, ist in Skandinavien aufgrund der hohen Steuern sehr teuer. Gerade deshalb freut man sich dort aber besonders über Wein oder Spirituosen als Gastgeschenk. Dennoch sollte man den Umgang mit Alkohol nicht zum Gesprächsthema erheben, denn das berührt die skandinavischen Partner peinlich. Das beste Smalltalk-Thema ist das Wetter, darüber könnten sich Dänen, Schweden und Norweger stundenlang auslassen. Wer übrigens Finnen als Skandinavier bezeichnet, tritt ins Fettnäpfchen – die Finnen sind ein finno-ugrisches Volk.   

Im Gespräch, vor allem in Schweden und Norwegen, ist es üblich, sich sehr oft zu bedanken. Dabei sollte man aber die Floskel «Danke für alles» vermeiden – die ist für Beerdigungen reserviert. 

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