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Wir sind das Foyer

Gefühle und Emotionen spielen eine grosse Rolle in der Kommunikation. Sie beeinflussen unser Denken und Handeln. Doch oft bleiben sie unbeachtet. Fünf Ideen für einen frischen Umgang mit einem belasteten Thema. 

Dieser junge Mann war ein Knüller. Wir befassten uns zu Beginn des Workshops mit Werten. Dazu breitete ich meine zwanzig Osorno-Wertekarten aus. Der junge Mann zog zwei: Wertschätzung und Humor. Auf meinen Wertekarten stehen jeweils eine Erklärung, ein Wort und eine Haltung zum Wert.

Wertschätzung mit ihr sind wir motiviert.
Wort: schätzen. Haltung: Ich bin positiv eingestellt. 

Humor er ist herrlich heiter und unvernünftig.
Wort: beschwingt. Haltung: Ich nehme es auch leicht. 

Der junge Mann schaute die Karten lange an und sagte dann. «Beides fehlt bei uns total.» Stille im Raum. Er sprach weiter: «Ich arbeite bei der Einwohnerkontrolle. Wir sind doch das Foyer der Stadt.» Mit diesem Bild konnten alle etwas anfangen. Ein Foyer ist hell, einladend. Wer ein Gebäude betritt, trifft auf einen Empfang, man wird begrüsst. Menschen, Pflanzen, Wasserspender, Sitzgelegenheiten oder eine Kaffeemaschine gestalten das Foyer, in dem Begegnungen beginnen. Das Foyer war unser Sinnbild für die Arbeit mit Texten, schwierigen Botschaften, Krisen und Emotionen. Und die Gruppe war sich einig: In den Vorlagen war wenig «helles Foyer» lesbar, mehr «dunkler Hintereingang», der Unbehagen auslöst. Die Gruppe, mehrheitlich junge Leute, ging erstaunlich reflektiert und sehr natürlich mit den Themen um. «Wir kämpfen», sagte jemand. «Und wir drohen.» Beides ist weder wertschätzend noch humorvoll. 

Gemeinsam entwickelten wir «Foyer-Impulse» für den beschwingteren Umgang mit Emotionen und anderen heissen Eisen. Fünf dieser Impulse stelle ich hier vor.

Erster Impuls: «Ich bin das Foyer.»

Der Mindset ist entscheidend für den Einstieg in ein Gespräch oder eine E-Mail. Wer dunkel denkt, kommuniziert düster. Wir sind Menschen und nicht jeden Tag hochprozentig wertschätzend, humorvoll oder empathisch unterwegs. Deshalb ist es hilfreich, sich jeden Tag eine positive Intention zu schenken. Diese Absicht sollte man sich auf einen Zettel notieren, der einen den ganzen Tag begleitet.

Die Workshop-Gruppe beschloss, jede Nachricht «foyer-mässig» positiv, leicht und einladend zu formulieren. Es hiess nicht mehr: «Mit Schreiben vom ... wurden Sie aufgefordert, ...», sondern «Sie erinnern sich an unseren Brief vom ... darin bitten wir Sie um ...» Grundmotto: Menschen erstmal begrüssen und in die Kommunikation einladen. Auf Menschen aktiv zugehen, nicht passiv.

Zweiter Impuls: «Ich gewinne dich!»

Oft ist jedoch das Gegenteil der Fall. Wir denken «Ich krieg dich!» In schwierigen Situationen ist es meist die Bewertung, die zu überhitzten Emotionen oder gar zur Eskalation führt. Im Kampfmodus verhalten wir uns egomanisch und trennend. Die Wortwahl verhärtet sich. Irgendwann gehen die Beteiligten erschöpft und frustriert aus dem Kontakt. Eine neue Begegnung ist schwierig, man könnte erneut überfallen werden (Stichwort: dunkler Hintereingang).

Kampf- und Drohmodus klingen zum Beispiel so: «Wenn Sie nicht ..., dann werden wir gegen Sie ... einleiten.» Solche Formulierungen nehmen Menschen ins Visier. Die menschliche Reaktion: Flucht, Totstellen oder Angriff. Das Foyerteam verbesserte: «Wir möchten unbedingt vermeiden, dass … Welche Informationen brauchen Sie, um mit uns zusammenzuarbeiten?»

Dritter Impuls: Achtsames Rating

Schwierige Situationen nehmen schnell ein höllisches Tempo auf, das uns überfordert und unüberlegte Manöver begünstigt. Grund dafür ist die schlechte Vorbereitung. Mit dem achtsamen Rating, also der Beurteilung einer Situation, sitzen wir am Steuer und bestimmen das Tempo. Achtsames Rating geht so: Was ist unsere Botschaft? Wie reagiert die Empfängerin, der Empfänger auf sie? Wie möchten wir wirken in diesem Gespräch, in diesem Text? Was ist das Schlimmste und das Beste, was passieren kann? Erst die Antworten auf diese Fragen, dann die Begegnung.

Das achtsame Rating ist immer möglich, weil wir unsere Zielgruppe, unsere Kundschaft kennen, wir haben sie «im Ohr». Mit dem Rating klopfen wir unsere Erfahrungen ab und können neu entscheiden. War bislang immer die Verhärtung in Form von Argumenten, versteckten oder offenen Drohungen das Problem, stehen uns Humor oder Leichtigkeit zur Seite. Nicht mehr «Wenn Sie mich anschreien, beende ich sofort das Gespräch», sondern «Ich höre Ihnen gerne zu, Sie müssen mich nicht anschreien.»

Vierter Impuls: Zugänglich bleiben

Das bedeutet die Bereitschaft, in Kontakt zu treten. Wer vor Arbeitsbeginn schon negativ über die Kundschaft spricht, genau zu wissen glaubt, was erneut schief gehen könnte und sowieso genug hat von den Anforderungen und Vorgaben der Leute, dessen Kommunikation ist grau, die Stimme am Telefon voller Misstrauen und Ablehnung. In Online-Meetings weigern sich Leute, die Kamera einzuschalten und im Brief dominiert die Passiv-Form (wird, werden, wurde) als Zeichen der persönlichen Abwesenheit.

Foyer heisst hier, auf Menschen zuzugehen, wenn möglich mit einem Lächeln und mit offener Körperhaltung. Meine Workshop-Gruppe wunderte sich über das fehlende «Ich» in den Nachrichten. Eine ältere Kollegin sagte: «Früher durften wir nie «Ich» verwenden.» So ein Blödsinn! «Ich» macht uns zugänglich. «Ich» ermöglicht die Sicht auf unsere Emotionen, Stimmungen und Gefühle. «Ich» signalisiert Beteiligung und Anwesenheit. Nicht umsonst spricht die Kommunikationspsychologie von Ich-Botschaften. Setzen Sie das «Ich» ruhig an den Satzanfang «Ich biete Ihnen an, ...», «Ich verstehe Ihr Anliegen. Lassen Sie uns ... gemeinsam klären.»

Fünfter Impuls: Auf Augenhöhe begegnen

«Manchmal sind wir ganz schön arrogant», bemerkte jemand im Workshop. Arroganz ist ein beliebtes Gegenmittel für Unsicherheit und Überforderung. Wir fühlen uns unterlegen und drehen auf. Arroganz ist eine starke Emotion. Meine Workshop-Gruppe beschloss diesen Massnahmenplan im Umgang mit Menschen, Emotionen, Gefühlen und heissen Eisen.

  1. Tägliche persönliche Intention festlegen. So möchte ich heute sein und mich fühlen.
  2. Regelmässiges Update im Team. Wie steht unser «Foyer» da, wie begrüssen wir die Menschen?
  3. Erfolge sammeln und teilen. Wenn jemand etwas Gutes erlebt, dann unbedingt teilen. Positive Erlebnisse, Erfolge, heitere Momente stärken ein Team.
  4. Einfach Mensch sein lassen. Arroganz zeigt sich zum Beispiel in einer übertriebenen Metaebene: «Ich nehme gerade wahr, dass Sie sehr aufgebracht sind.» Solche Bemerkungen bringen viele Menschen auf die Palme. Man muss auch nicht alles kommentieren oder bewerten. Einfach Mensch sein lassen, zuhören und warten, bis sich die Emotion von allein beruhigt.
  5. Achtsame Sprache. Befassen Sie sich mit Ihrer persönlichen Wortkultur und besprechen Sie das auch in Ihrem Team. Gibt es Begriffe, die Emotionen unnötig aufkochen lassen? Sind wir distanziert oder einladend? Unsere Sprache ist pure Vielfalt. Nutzen Sie diese.

Wertschätzung und Humor. Das waren die beiden Wertekarten des jungen Mannes im Workshop. Werte sind unser inneres Feuer. Begegnen Sie Ihrem Feuer und Sie werden andere oder neue Wege sehen, um mit Menschen besser klarzukommen – in jeder Situation. Unsere Kommunikation ist unser Foyer, das wir bewusst wahrnehmen und gestalten dürfen. 

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Angelika Ramer trainiert seit über 15 Jahren Unternehmen in schriftlicher Kommunikation und verfasste zu diesem Thema fünf Sachbücher. Die Kommunikationsberaterin und frühere Journalistin ist Inhaberin der «Identität ist Sprache – Ramer & Partner AG».

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