premium Korrespondenz-Tipps

Liebe alle!

Unser Denken gestaltet unsere Welt und formuliert unsere Texte. Ein paar «Post-it-Tipps» für die Korrespondenz. 

Die Anrede

«Liebe alle» ist nicht mein Favorit und doch ist sie die einfachste Variante für gendergerechtes Korrespondieren in der Gruppe. Auch «Guten Tag», «Hallo», «Guten Abend» usw. sind verlässliche Starts in E-Mails. Tipp: Grosszügig bleiben ohne den Anspruch, es allen recht zu machen.

Der Gruss

Warum immer «freundlich», «herzlich», «lieb»? Tipp: Lassen Sie mal die Adjektive weg und grüssen Sie einfach und verbinden den Abschluss mit einem Satz. «Wir freuen uns auf ... und grüssen Sie.» Wenn Ihre Nachricht freundlich formuliert ist, dann braucht es «Freundliche Grüsse» sowieso nicht mehr.

WAS-Prinzip

WAS steht für «Wait a second!». Tipp: Nehmen Sie Ihre Emotionen bewusst wahr und lassen Sie sie an sich vorbeiziehen. Wenn ein E-Mail-Verkehr eskaliert, hilft eine einfache Massnahme. Öffnen Sie nach der WAS-Pause ein neues E-Mail. Das hilft auch bei Gesprächen, die blockiert sind, weil alle ihre Standpunkte verteidigen. Einmal spazieren gehen, Kaffeepause einlegen, neu beginnen.

Kurz und elegant

Möglicherweise ist es nicht so gemeint, aber das lässt sich einem Text schlecht ansehen. Viele Briefe und besonders E-Mails enden kurz angebunden, weil die Autorinnen und Autoren mit «Besten Dank für Ihre Kenntnisnahme» oder «Besten Dank für Ihr Verständnis» abschliessen. Beide Formen sind uralt und (leider) noch immer im Einsatz. Beides sind Abbinder mit Unterton. Wer Kürze mit Eleganz zusammenbringt, ist besser in Kontakt. Tipp: Keine Erziehung in der Korrespondenz. Wenn alles gesagt ist, schliessen Sie mit einem Gruss.

Zielfragen

Ohne Ziel geht es auch, nur brauchen Schreibende mehr Zeit und Lesende mehr Nerven. Die meisten Texte sind zu lang. Tipp: ­Zielfragen helfen, sich kurz zu halten: Was ist der Kern meiner Aussage, was möchte ich erreichen? Welche Inhalte brauche ich für dieses Ziel? Was lasse ich weg? Wie möchte ich wirken? Erst diese Fragen beantworten, dann schreiben.

Denkschablonen

Sie sind verantwortlich, wenn sich eigene Korrespondenzkulturen gar nicht oder nur mit sehr viel Mühe entwickeln lassen. Beim Schreiben gehen wir von Standpunkten aus. Zum Beispiel: Jeder Text braucht eine Einleitung, weil das Gegenüber ahnungslos ist. Das führt zu Einleitungen, die einfach den Titel wiederholen (wir beziehen uns auf das oben erwähnte Schreiben ...). Ein anderer Standpunkt betrifft die Wortwahl: Lesende möchten Floskeln! (Wir bedauern, Ihnen keinen besseren Bescheid geben zu können.) Bevor wertvolle Texte entstehen, braucht es neue Perspektiven und Ansichten. Zum Beispiel: Lesende abholen und etwas Neues berichten (anregende Einleitung). Mit den Fragen und Gefühlen der Lesenden schreiben (Was denken die Empfängerinnen und Empfänger, wenn sie unsere Post bekommen?). Lesende sind erwachsen (mehr Information, weniger Appell und keine Belehrungen). Mit anderen Sichtweisen entstehen neue Strukturen im Text und fast automatisch neue Formulierungen. Tipp: Nehmen Sie Absagetexte Ihres Unternehmens unter die Lupe und prüfen Sie deren Informations- und Dialoggehalt. Steht in dem Text das, was gesagt werden möchte? Gäbe es Alternativen?

Aha-Effekt

«Was wünsche ich Ihnen, während ich Ihnen diese Nachricht schreibe? Glück und Erfolg.» Dieser ungewohnte Satz am Schluss einer Bewerbungsabsage gab zu reden in der Runde. Darf man das? Soll man so? Ist das der neue Weg?! Klar darf und soll man und nein, es ist nicht der neue Weg. Es ist einfach eine Möglichkeit. Was für ein Gewinn, wenn die Empfängerin sagen kann: «So etwas habe ich noch nie gelesen!» Manche werden sich über solche Zeilen freuen, andere etwas wundern. Bestimmt aber löst dieser Satz etwas aus. Tipp: Aha-Effekte erzielen wir, wenn wir etwas denken und schreiben, das komplett ungewohnt ist und für Verblüffung sorgt.

Wo sind meine Tomaten?

«Wissen Sie was, ich komme schriftlich nicht weiter mit Ihnen. Kann ich Sie morgen anrufen?» Dieser Satz, geschrieben von einer Sachbearbeiterin einer Versicherung, ist kein klassischer Smalltalk und auch nicht professionell, er ist menschlich und zeigte genau deshalb Wirkung. Der Kunde wartete nicht auf den Anruf, er griff gleich selber zum Hörer, das Missverständnis klärte sich rasch. Zwei, die sich schriftlich nicht verstanden, fanden sich im Gespräch – ein tolles Resultat. Natürlich hätte es auch anders kommen können. Die gute Erfahrung jedoch stärkte die Versicherungsfrau. Wenn mir eine Kundin schreibt «Bin total unter Wasser heute, melde mich morgen!», dann erlebe ich sie echt. Das Beste lieferte einst ein Logistiker eines Grossverteilers. Er fragte seinen Lieferanten im ersten Satz: «Wo sind meine Tomaten?!» Dieser Einstieg könnte ein Buchtitel sein. Er verzichtete auf «Ich beziehe mich auf ...» oder «Darf ich höflich nachfragen, wo ...?» Tipp: Menschlichkeit und Smalltalk brauchen ein wenig Bauchgefühl und etwas Mut. Alle möchten anregende Texte lesen. Es sollte viel mehr Leute geben, die sie auch schreiben.

Kein heiteres Wortetauschen

Manchen Texten ist buchstäblich anzulesen, wie stark sie kon­struiert wurden. Beim persönlichen Dialog in Briefen und E-Mails wirken einfache Formulierungen am besten. Suchen Sie also nicht um jeden Preis ein ausgefallenes Synonym, wenn das nahe­liegende Wort das Passendste ist. Ein Beispiel: Wenn ich ein Dokument unterzeichnen und zurücksenden muss, so ist «Herz­lichen Dank für Ihr Engagement» übertrieben. Tipp: Tauschen Sie erschöpfte Begriffe oder negative Bemühungen aus. Das gute Synonym ­finden Sie über Fragen: Was soll das Wort ausdrücken und was ist mein Ziel mit dem gewählten Begriff? Die Antworten auf diese Fragen führen direkt zum richtigen Wort.

Die Beziehung ist die Message

20 Prozent machen Information aus, 80 Prozent Beziehung. Dieses Verhältnis zeigt sich beim Auswerten von Kundenreaktionen, beispielsweise im Beschwerdemanagement. Das Problem ist nicht die Nachricht, vielmehr entscheiden Tonalität und die Art der Beziehung über Erfolg oder Misserfolg. Viele korrespondieren inhaltlich perfekt und sachlich fundiert. Ausgerechnet der Mensch, das Wichtigste im schriftlichen Dialog, wird unterschätzt. Firmen, die ihre Unternehmenskultur einbeziehen, kommunizieren besser. Tipp: Sagen können Sie (fast) alles. Die Frage ist, wie Sie das tun. Legen Sie Wert auf die Beziehung, auf die Wortwahl.

Schreiben und Fans gewinnen

Mit FANS arbeite ich in vielen Workshops. Was bedeutet uns Freundschaft? Wie authentisch sind wir? Wie natürlich schreibe ich? Was verstehen wir unter sensibler Kommunikation? Tipp: ­Nehmen Sie sich Zeit für FANS und richten Sie Ihre Korrespondenz danach aus. Es wirkt!
F = Freundschaft A = Authentizität N = Natürlichkeit S = Sensibilität 

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Angelika Ramer trainiert seit über 15 Jahren Unternehmen in schriftlicher Kommunikation und verfasste zu diesem Thema fünf Sachbücher. Die Kommunikationsberaterin und frühere Journalistin ist Inhaberin der «Identität ist Sprache – Ramer & Partner AG».

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