Interview mit Rolf Dobelli

«Wer etwas wagt, macht Fehler»

Der Schweizer Schriftsteller und Unternehmer Rolf Dobelli hat eine Art Kompendium der Idiotie geschrieben. Im Gespräch mit Miss Moneypenny verrät er, warum Fehler etwas Tolles sind – vor allem die von anderen.

Wir reden ungern über Fehler oder Fehlverhalten – umso erfrischender Ihr Buch. Warum reden wir nach wie vor lieber über unsere Erfolge als über unsere Fehler?

Rolf Dobelli: Weil es unerfreulich ist, seine Nase in die eigenen Fehler zu stecken. Es ist psychologisch hart. Da muss man schon eine gefestigte Person sein, um damit umgehen zu können. Und doch ist es unverzichtbar, sich mit Fehlern auseinanderzusetzen, denn aus Fehlern lernen wir viel mehr als aus Erfolgen. Am elegantesten ist es natürlich, aus den Fehlern der anderen zu lernen! 

Sie kommen ursprünglich aus dem Unternehmens­kontext. Wie steht es um die Fehlerkultur in unseren Unternehmen? 

Gute Firmen haben eine Fehlerkultur in ihrem Unternehmen verwurzelt. Das heisst: Nach jedem gescheiterten Projekt werden die Fehler bis ins Detail analysiert. Leider pflegen nur wenige diese Kultur. In den meisten Unternehmen redet man nicht über Fehler. Man vergisst sie einfach und geht zum nächsten Projekt über. Das ist schade, weil damit wertvolle Erkenntnisse unter den Teppich gekehrt werden. Und dann treten die ­gleichen Fehler ein paar Jahre später erneut auf. 

Was müsste sich grundsätzlich in unserer Haltung ändern, damit wir lockerer mit unseren  Fehlern umgehen könnten? 

Fehler zu machen ist keine Schmach. Es ist kein Charakterfehler. Wer etwas wagt, macht Fehler. Das ist ganz normal. Nur wer nichts wagt, macht keine Fehler. Wichtig ist aber, dass wir nicht den gleichen Fehler zweimal machen. Deshalb müssen wir aus ihnen lernen. Fehler sind somit ein guter Rohstoff für bessere Entscheidungen in der Zukunft.  

Welche Rolle spielt die menschliche Fähigkeit, Fehler  zu machen, in einer zunehmend digitalen und auto­matisierten Welt, und wie können wir diese als Stärke statt als Schwäche nutzen? 

Die künstliche Intelligenz wird auch Fehler machen. Also, keine Panik. Aber sie lernt radikal aus den eigenen Fehlern, das ist der grosse Unterschied zu uns Menschen. Darin ist die KI stärker als wir. Der Mensch aber hat einen Vorteil: Er hat ein Gefühl für andere Menschen. Das heisst, bei zwischenmenschlichen Problemen lernen wir manchmal schneller als die Maschine. 

In Ihrem Buch nennen Sie «52 Wege, um die grössten Lebensfehler zu vermeiden». Was ist Ihr persönlicher Favorit und weshalb? 

Der grösste Fehler ist die Unzuverlässigkeit. Ich kenne viele geniale Menschen, die in den besten Haushalten geboren sind und die die besten Schulen besucht haben, aber unzuverlässig sind – und irgendwann stürzen sie ab. Hingegen kenne ich viele Menschen, die nicht die besten Schulnoten haben und nicht aus den perfekten Elternhäusern kommen, aber zuverlässig sind. Und genau diese Leute kommen sehr gut durchs Leben, weil andere Menschen gern mit ihnen zusammenarbeiten. Zuverlässigkeit ist der am meisten unterschätzte Erfolgsfaktor. 

 

Buchtipp: Die Not-To-Do-Liste

Manche sammeln Vinylplatten, Videospielkonsolen oder Vintagekleider. Rolf Dobelli sammelt seit Jahren Geschichten von Misserfolgen und Fehlschlägen im Leben, in Karrieren, in Ehen und in Familien. Hier präsentiert er die Sammlung von Verhalten und Denkmustern, die man tunlichst nicht nachmachen sollte – eine Art Kompendium der Idiotie. Und er zeigt: Wenn wir die grössten Glücks- und Erfolgskiller im Blick haben und ihnen aus dem Weg gehen, tut sich der richtige Weg automatisch vor uns auf.

Die Not-To-Do-Liste
Rolf Dobelli
Piper Verlag, 2024
352 Seiten

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