Berufsprüfung Direktionsassistenz: Was sind die Änderungen?
Mit neuen Handlungskompetenzen soll die Reform 2023 das Berufsbild der Assistenz stärken. Inwiefern das gelungen ist, was neu ist und was sich die Präsidentin der Prüfungskommission Annette Stoffel für die Zukunft des Assistenzberufs wünscht, erzählt sie im Gespräch.
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Die Reform 2023 der Berufsprüfung «Executive Assistant» bzw. «Direktionsassistent:in mit eidgenössischem Fachausweis» stellt die Weiterentwicklung der Funktion sicher, um qualifizierte Fachkräfte im Assistenzbereich fit für die Zukunft zu machen. Weshalb war die Reform gerade jetzt notwendig?
Annette Stoffel: Seit der letzten Aktualisierung im Jahr 2012 veränderte sich das berufliche Umfeld stark. Das machte eine Anpassung der Berufsprüfung an die neuen Marktanforderungen notwendig, insbesondere durch die fortschreitende Technologisierung und Digitalisierung. Darüber hinaus forderte das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) eine Neuausrichtung der höheren Berufsbildung, um die Grundlagen für eidgenössische Abschlüsse konsequent auf Handlungskompetenz zu überarbeiten. Diese Entwicklungen veranlassten uns, den Reformprozess zu beginnen. Im Jahr 2022 erhielten wir die Zustimmung des SBFI für diese Grundlagen und 2023 führten wir die Prüfungen erstmals in dieser neuen Form durch.
Wie veränderte sich die Berufsprüfung durch die Reform?
Durch die Integration von neuen Handlungskompetenzen wie «Teamführung» und «Selbstmanagement» wird das Berufsbild aufgewertet und den aktuellen Anforderungen angepasst. Selbstmanagement ist von besonderer Bedeutung, da viele Fachkräfte in Assistenzrollen häufig gefordert sind, ihren Arbeitstag eigenständig zu organisieren, agil auf Veränderungen zu reagieren und dabei ihre Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen.
Ein weiterer Fokus liegt auf der Führung. Weshalb?
Es gibt viele Assistenzkräfte, die bereits heute Führungsrollen übernehmen, indem sie interne Dienste, Empfangsbereiche, die Gesamtadministration oder Assistenzpools leiten oder die Verantwortung für das Sekretariat eines Verwaltungsrats tragen. Zudem ermöglichen diese neuen Handlungskompetenzen, berufliche Fortschritte zu machen, ohne zwingend spezialisierte Führungsprogramme absolvieren zu müssen. Innerhalb der Weiterbildung zur Executive Assistant mit eidg. Fachausweis bieten wir daher grundlegende Fähigkeiten, die für die Übernahme von Projektverantwortung und für die selbstständige Arbeit unabdingbar sind. Die Kombination aus Führungsvermögen und Selbstmanagement bildet eine Grundlage, die Assistenzkräften erlaubt, effektiv und proaktiv in ihrer beruflichen Rolle zu agieren.
Ein Wermutstropfen nach der Reform bleibt die Berufsbezeichnung. Offiziell heisst der Titel immer noch «Direktionsassistent:in» und nicht «Executive Assistant», da das SBFI den neuen Titel nicht wollte. Weshalb?
Es gibt bestimmte Begrifflichkeiten, die das SBFI für die offiziellen Landessprachen als nicht angemessen erachtet oder die nicht direkt übernommen werden können, wie beispielsweise «Executive Assistant». Zumal der bisherige Titel «Assistant/Assistante de direction» in der Westschweiz sehr angesehen ist. In der Deutschschweiz indes wird er als veraltet empfunden – hier möchten wir deshalb nochmals neue Titel vorschlagen. Parallel dazu gibt es politische Diskussionen über die Einführung von Titeln wie «Professional Bachelor» und «Professional Master», die dazu führen könnten, dass sich auch vermehrt Männer für das Berufsbild interessieren.
Wie funktioniert die neue Prüfung?
Durch die Reform der Prüfungsstruktur konnte die Durchführungsdauer um einen Tag verkürzt werden. Zudem findet die Prüfung Open-Book statt, so können Kandidatinnen und Kandidaten unter anderem auf elektronische Zusammenfassungen sowie ihr gesamtes Unterrichtsmaterial zugreifen. Statt dezentrale Prüfungen an verschiedenen Schulen durchzuführen, gibt es ausserdem neu zentrale Prüfungszentren für die Deutschschweiz, die französische und die italienische Schweiz. Das ermöglicht eine konsistente Prüfungsumgebung für alle. Die Prüfungen selbst sind vielfältiger gestaltet und testen die Verknüpfung verschiedener Handlungskompetenzen durch neue Prüfungsformate wie beispielsweise Handlungssimulationen oder das Portfolio; Letzteres zielt insbesondere auf Selbstmanagementfähigkeiten ab. Diese interdisziplinäre Herangehensweise erweitert den Fokus von einer reinen Wissensabfrage hin zu einer umfassenden Kompetenzbewertung, in der auch Fremdsprachenkenntnisse und betriebswirtschaftliches Know-how in verschiedenen Prüfungselementen integriert werden.
Gab es Inhalte oder Kompetenzen, die nicht in die Reform einflossen, aber wünschenswert gewesen wären?
Wir sind mit der Implementierung der neuen Prüfungsstruktur weitgehend zufrieden, vor allem weil wir feststellen konnten, dass mit rund 230 Prüfungsteilnehmenden das Interesse an der Qualifikation weiterhin besteht. Inhaltlich gibt es Aspekte, die wir bereits innerhalb der Prüfungskommission besprochen haben und die wir im kommenden Jahr möglicherweise anpassen werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der künstlichen Intelligenz, vor allem in Bezug auf das Verfassen des Portfolios und als Hilfsmittel an der Prüfung.
Welche Kompetenzen braucht eine Assistenz im heutigen Berufsalltag aus Ihrer Sicht und inwiefern sind diese im neuen Berufsbild abgedeckt?
Selbstmanagement ist von entscheidender Bedeutung, gefolgt von der Entwicklung von Führungskompetenzen. Im Kontext der künstlichen Intelligenz sind zudem Agilität und die Fähigkeit, sich kontinuierlich an eine sich wandelnde VUCA-/BANI-Welt anzupassen und seinen Platz darin neu zu definieren, von grosser Bedeutung. Gleichzeitig ist es unerlässlich, künftige Entwicklungen zu antizipieren und stets in der Lage zu sein, Entscheidungen zu hinterfragen und zu rechtfertigen. Hinzu kommt die Schlüsselkompetenz emotionale Intelligenz, also die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu verstehen und die anderer wahrnehmen zu können. Alle diese Fähigkeiten sollten im Vordergrund stehen, wenn wir über künftige Anforderungen und Entwicklungen nachdenken.
Die erste Durchführung der Prüfungen nach der Reform ist durch. Gibt es erste Erkenntnisse?
Die Erfolgsquote liegt bei etwa 80 Prozent, was für Fachausweise ein sehr positives Ergebnis ist. Wir nehmen jedoch wahr, dass das Prüfungssetting durch die Einführung verschiedener Prüfungsformate tendenziell anspruchsvoller geworden ist. Insbesondere der Bereich «Selbstmanagement», der zur Reflexion und zum bewussten Umgang mit Ressourcen anregt, erwies sich als anspruchsvoll.
Seit diesem Jahr sind Sie Präsidentin der Prüfungskommission: Was ist Ihr ganz persönlicher Wunsch für die Zukunft des Berufsstands?
Ich wünsche mir, dass jede Person, die sich in der Assistenz etabliert hat oder es anstrebt, mit Stolz auf ihre berufliche Rolle blickt und sich der Vielfalt und Komplexität ihrer Fähigkeiten bewusst ist.