premium Quereinstieg leicht gemacht?

«Im Vordergrund sollte immer eine «Hin-zu-Motivation» stehen»

Ute Barnickel vermittelt Assistenzen an nationale und internationale Kunden und weiss, wann eine Bewerbung eine Chance hat. Sie erzählt, wie der Quereinstieg in die Assistenz gelingen kann.

Wieso wagen Personen den Quereinstieg in die Assistenz?

Ute Barnickel: Die Gründe für die Umorientierung sind vielfältig: Bessere Entwicklungschancen oder eine neue Tätigkeit, bei der erworbenes Know-how gewinnbringend eingebracht werden kann. Manchmal führen aber auch einfach wirtschaftliche Gründe zum Wunsch nach Umorientierung, also eine Gehaltsverbesserung. Das ist zurzeit bei Personen aus der Gastronomie, dem Sales, der Kommunikations-, Hotellerie- und Eventbranche der Fall – vor allem nach Corona oder den aktuellen Entlassungswellen. Ich empfehle allen Quereinsteigenden, die eigene Motivation zu hinterfragen. Im Vordergrund sollte immer eine «Hin-zu-Motivation» und nicht eine «Weg-von-Motivation» stehen, denn diese wird in schwierigen Zeiten die notwendige Energie geben. 

Welche Vorteile bringt ein Quereinstieg? 

Vielfältige Perspektiven und Erfahrungen, frische Ideen und Denkweisen, ergänzende Fähigkeiten und Kompetenzen sowie Stärkung der Diversität. Natürlich birgt ein Quereinstieg auch Herausforderungen, mit denen es umzugehen gilt.

Die da wären?

Eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu bekommen. Im Vergleich zu Mitbewerbenden aus der Branche können Quereinsteigende weniger mit relevanter Berufserfahrung punkten. Also müssen sie in besonderem Masse zeigen, dass sie Motivation und Eignung mitbringen. Herausforderungen sind auch die Anpassungen an neue Arbeitsabläufe und Unternehmenskulturen. Quereinsteigende bringen frische Perspektive und Diversität in ein Team, müssen sich aber gleichzeitig intensiver einarbeiten als solche mit branchen- und berufsspezifischer Erfahrung. Es kann vielleicht auch ein gewisser Druck entstehen, sich selbst zu beweisen, dass der Quereinstieg der richtige «Move» war. 

Welche Qualifikationen sind gefragt?

•    Ausgeprägte interkulturelle Kommunikationsfähigkeit (Mehrsprachigkeit)
•    Planungs- Organisations- und Zeitmanagement
•    Solide Kenntnisse aller modernen Kommunikationstools
•    Belastbarkeit und Flexibilität
•    Analytisches Denken

Wer diese Fähigkeiten in Bewerbungsunterlagen oder im Interview anhand von Projekten und Erfahrungen aufzeigen kann, hat Chancen.

Welche Berufe haben bei einem Wechsel in die Assistenz die besten Chancen?

Was den Ausbildungshintergrund anbelangt, so haben sicher jene gute Karten, die über einen kaufmännischen oder betriebswirtschaftlichen Hintergrund verfügen. Bezüglich der Branche sehe ich Personen aus dem Event- und Hospitality Management, der Reise- oder Immobilienbranche oder aus der Finanzindustrie. Bei letzterer gibt es zum Teil bankspezifische Stellenbezeichnungen, bei denen die Einordung nicht ganz einfach ist. Umso wichtiger ist eine prägnante Darstellung der «brückenschlagenden» Aufgaben und Tätigkeiten im CV. Jedoch ist ein Quereinstieg nicht immer möglich. Das gilt vor allem für assistenzferne Berufe und radikale Wechsel. Aussichtslos ist es nicht, aber je weiter man sich von seiner Fachkompetenz entfernt, desto anspruchsvoller wird es. 

Gibt es Beispiele für brückenschlagende Tätigkeiten?

Hat jemand beispielsweise als Flight Attendant gearbeitet, geht man nicht davon aus, dass diese Person Experten-Know-how im Bereich Kalenderkoordination mitbringt. Jedoch kann sie vermutlich mit Empathie, Teamwork, Umgang mit herausfordernden Personen, Pünktlichkeit, Dienstleistungsmentalität punkten. Kommt eine Person aus dem Veranstaltungsmanagement, wird es ihr sicher mühelos gelingen, ihre Erfahrung in der Planung und Koordination von Abläufen und ihre Flexibilität aufzuzeigen. 

Gibt es einen idealen Zeitpunkt für einen Quereinstieg?

Den gibt es nicht, aber richtig viele schlechte. Wenn in einer Branche wenige Neueinstellungen vorgenommen werden, hat man als Quereinsteigende mit seiner Bewerbung wenig Chancen. Es lohnt sich also, informiert zu sein, und die Schweizer Wirtschaft zu verfolgen. Eine Bewerbung im Bereich Financial Services ist aktuell für den Quereinstieg beispielsweise keine gute Idee. 

Inwiefern hat sich die Einstellung von Unternehmen zu Quereinsteigenden in den letzten Jahren verändert?

Sehr. Suchprofile werden breiter und diverser. Es werden vermehrt Attribute wie Charakterstärke, Selbstorganisation und überdurchschnittlichem Engagement Beachtung geschenkt. Zugenommen hat allerdings auch der Einsatz von (Persönlichkeits-) Assessments in den Bewerbungsprozessen. Wer hier in Sachen Resilienz, Teamfähigkeit und Interesse an neuen Ideen und Entwicklungen gut abschneidet, kann sich einen Vorteil verschaffen. Dennoch ist zu beobachten, dass Quereinsteigende ihre Eignung viel ausführlicher erklären müssen. 

Oft führt der Weg in einen Job nicht an Vitamin B vorbei. Gibt es Tipps, um sich ein Netzwerk aufzubauen?

Unabhängig vom Wunsch eines Berufs- oder Branchenwechsels, sind Netzwerken eine Schlüsselkompetenz. Daher ist es wichtig, sich ein tragfähiges Netzwerk aufzubauen. Auch den Austausch mit Menschen, die man gut kennt, erachte ich als wertvoll. Eine weitere Möglichkeit ist, sich eine Agentur zu suchen und um ein Einschätzungsgespräch zu bitten. Wenn es Unternehmen gibt, die einen besonders interessieren, kann man zudem sein (LinkedIn)-Kontakte um Austausch bitten. Ich mache die Erfahrung, dass Menschen gerne Leute weiterempfehlen, die sie kennen, mögen und denen sie vertrauen. 

Wie beurteilen Sie die langfristigen Karriereaussichten von Quereinsteigenden im Vergleich zu Personen, die traditionelle Karrierewege verfolgen?

Man muss Dinge tausendmal gemacht haben, bevor sie sitzen. Insofern können sich Quereinsteigende genau gleich entwickeln, wie alle anderen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es oft die Persönlichkeitsmerkmale und Eigenschaften sind, die darüber entscheiden, ob man weiterkommt oder nicht. Insofern möchte ich hier gar keine Prognose abgeben, ob Quereinsteiger besser, schneller oder erfolgreicher weiterkommen als andere. Emotional intelligence ist meiner Ansicht nach «the key to success».


 

Ute Barnickel

Ute Barnickel lebt seit 2002 in der Schweiz und arbeitete mehrere Jahre bei einem global tätigen Executive-Search-Unternehmen in Zürich. 2008 wechselte sie zu einer Personalberatungsfirma und betreute dort das Segment «Executive Assistants». 2017 gründete sie ihr eigenes Unternehmen «Barnickel & Fellows – Search for Executive Assistants». Barnickel verfügt über langjährige Erfahrung in der Rekrutierung und publizierte zum Thema Assistenz & Rekrutierung bereits zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften, Blogs und der Tagespresse.
barnickelfellows.ch

 

Im Quereinstieg-Onlinespecial gibt Ute Barnickel weitere Tipps und Insights zum Quereinstieg in den Assistenzberuf. 

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