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Arbeit im Testlauf

Wie lange dauern Probezeiten? Was sind die gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine und wann ist eine Kündigung missbräuchlich? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert unser Rechtsexperte Nicolas Facincani.

Die Probezeit dient dem gegenseitigen Kennenlernen. Die Parteien sollen abschätzen, ob sie die gegenseitigen Erwartungen erfüllen und eine längerfristige Bindung möglich ist. Denn wer ein Arbeitsverhältnis eingeht, geht eine gewisse Unsicherheit ein. Arbeitgebende und Arbeitnehmende können vor Abschluss des Arbeitsvertrags kaum feststellen, wie sich die jeweils andere Partei im konkreten Arbeitsumfeld verhält und ob Arbeitgebende, die vorhandene Belegschaft und die neuen Arbeitnehmenden zusammenpassen. Die Probezeit soll diese Unsicherheit auffangen.

Gesetzliche Dauer der Probezeit und deren Berechnung

Als Probezeit gilt der erste Monat eines Arbeitsverhältnisses (Art. 335b Abs. 1 Teilsatz 2 OR). Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag können abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Die Vertragsparteien können auf die Probezeit ganz verzichten oder sie verkürzen. Auf der anderen Seite kann die Probezeit auf maximal drei Monate verlängert werden, wobei das schriftlich festgehalten werden muss. Eine freiwillige Verlängerung der Probezeit über drei Monate hinaus ist nicht möglich. Allerdings verlängert sich die Probezeit automatisch, auch über die drei Monate hinaus, wenn eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit, Unfall und Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen, gesetzlichen Pflicht (beispielsweise Militär-, Zivil- oder Schutzdienst; nicht aber Schwangerschaft, Ferien oder unbezahlter Urlaub) kompensiert werden muss. 

Mit der gesetzlichen (dispositiven) Dauer von einem Monat ist ein Kalendermonat gemeint, auch wenn bei Teilzeitarbeit nur wenige Stunden pro Woche gearbeitet wird. Dem Umstand, dass bei Teilzeitverhältnissen gegebenenfalls nur wenige Arbeitsstunden zum gegenseitigen Kennenlernen zur Verfügung stehen, können die Parteien durch eine vertragliche Verlängerung der Probezeit begegnen. Die Probezeit beginnt mit dem Arbeitsantritt, das heisst mit der tatsächlichen Aufnahme der Arbeit und nicht bereits mit dem Vertragsabschluss oder dem vertraglich vereinbarten Arbeitsbeginn.

Kündigungsfrist- und Kündigungstermin in der Probezeit

Um dem Zweck der Probezeit Rechnung zu tragen, können die Parteien eines unbefristet abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses dieses während der Probezeit unter erleichterten Bedingungen hinsichtlich der Kündigungsfristen und -termine auflösen. So kann jede Partei das Arbeitsverhältnis jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sieben Tagen kündigen (Art. 335b Abs. 1 OR). Diese Kündigungsfrist berechnet sich entsprechend der allgemeinen Fristenberechnung nach Kalendertagen. Arbeitgebende und Arbeitnehmende können innerhalb der Probezeit durch Abmachung vollständig über die Kündigungsfrist disponieren.

Die Kündigungsfrist kann sogar gänzlich entfallen, womit das Arbeitsver­hältnis unmittelbar mit dem Eintreffen der Kündigung beim Empfänger oder bei der Empfängerin endet. Daneben sind die Parteien zudem frei, einen Kündigungstermin zu vereinbaren. Das Arbeitsverhältnis kann auf jeden beliebigen Termin gekündigt werden, es müssen keine Kündigungstermine eingehalten werden. Die Kündigung muss dem oder der Gekündigten innerhalb der Probezeit zugehen. Nicht vorausgesetzt ist hingegen, dass die Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit abläuft.

Probezeit bei befristeten Arbeitsverträgen

Aufgrund der systematischen Stellung von Art. 335b OR, der die Probezeit regelt, besteht die Vermutung der Probezeit von Gesetzes wegen nur bei unbefristeten Arbeitsverträgen. Es steht den Parteien jedoch unter Beachtung der in Art. 335b OR gesetzten Schranken frei, auch in befristeten Arbeitsverhältnissen eine Probezeit zu vereinbaren, wobei auch hier die Maximaldauer von drei Monaten zur Anwendung gelangt.

Probezeit bei Lehrverträgen

Anders als bei den übrigen Arbeitsverträgen kann die Probezeit beim Lehrvertrag nicht wegbedungen oder gekürzt werden. Sie darf nicht weniger als ein Monat sein. Die maximale Frist von drei Monaten entspricht der üblichen Regelung, wobei die Probezeit vor ihrem Ablauf und mit Zustimmung der kantonalen Behörde ausnahmsweise bis auf sechs Monate verlängert werden kann. Falls die Probezeit nicht vertraglich festgelegt wird, gilt eine Dauer von drei Monaten.

Keine Sperrfristen in der Probezeit

Die Bestimmungen über die Kündigung zur Sperrfrist finden in der Probezeit keine Anwendung. Das ergibt sich ausdrücklich aus Art. 336c Abs. 1 und Art. 336d Abs. 1 OR, die festhalten, dass der zeitliche Kündigungsschutz erst nach Ablauf der (gesetzlichen oder vereinbarten) Probezeit greift.

Missbräuchliche Kündigung in der Probezeit

Im Gegensatz zum zeitlichen Kündigungsschutz fehlt beim sach­lichen Kündigungsschutz eine explizite Regelung bezüglich dessen Anwendbarkeit während der Probezeit. Gemäss bundesgericht­licher Rechtsprechung kann auch eine Kündigung während der Probezeit missbräuchlich sein. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die Kündigung, die einen Tatbestand nach Art. 336 OR erfüllt oder sonst in einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis als missbräuchlich angesehen würde, mit Blick auf den durch die Probezeit verfolgten Zweck zulässig erscheint.

Wenn daher Umstände ­während der Probezeit zutage treten, kann die betreffende Partei von ihrem Kündigungsrecht ohne weiteres Gebrauch machen. Kündigt jedoch die oder der Arbeitgebende während der Probezeit aus Gründen, die ihr oder ihm bereits vor Stellenantritt bekannt waren, findet der sachliche Kündigungsschutz vollumfänglich Anwendung. Zu beachten ist, dass sich die Einsprachefrist gemäss Art. 336b Abs. 1 OR zur Geltendmachung der Entschädigung nach der siebentägigen Kündigungsfrist richtet. Auch bei vertraglich verkürzter Kündigungsfrist ist die Einsprache längstens bis zu deren Ende zu erheben, soweit dies möglich und zumutbar ist.

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Nicolas Facincani, lic.iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner und berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. vfs-partner.ch

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