Änderungskündigungen – einseitig oder beidseitig?
In den Medien ist immer wieder zu lesen, dass Unternehmen Änderungen der Arbeitsverträge planen würden. Doch ist die einseitige Änderung des Arbeitsvertrags durch Arbeitgebende überhaupt rechtlich möglich?
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Nach Abschluss eines Arbeitsvertrags ist dieser von beiden Parteien grundsätzlich einzuhalten. Dennoch steht es ihnen frei, diesen im Nachgang abzuändern. Folgende Möglichkeiten bestehen:
- Vereinbarung der Parteien: Die Parteien des Arbeitsvertrags können diesen jederzeit durch eine Vereinbarung abändern. Hier sind die gleichen Voraussetzungen wie für den Abschluss des Arbeitsvertrags zu beachten (Handlungsfähigkeit, zulässiger Inhalt etc.).
- Stillschweigende Annahme einer Vertragsänderung: Es kann vorkommen, dass eine Vertragsänderung zustande kommt, ohne dass ihr beide Parteien zugestimmt haben. Das kommt insbesondere in zwei Konstellationen vor: (1) Es liegt eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor, beispielsweise Lohnerhöhung, mehr Ferien etc. (2) Es gibt Situationen, in denen von der Rechtsprechung angenommen wird, eine oder ein Arbeitnehmender habe eine Änderung akzeptiert, beispielsweise wenn eine Vertragsänderung während längerer Zeit unwidersprochen bleibt. Diese Konstellation ist aber nur zurückhaltend anzunehmen.
- Änderungskündigung: Wenn keine Vereinbarung für die Vertragsanpassung erreicht wird, steht der oder dem Arbeitgebenden die Möglichkeit der Änderungskündigung offen.
Änderungskündigung
Eine Möglichkeit, Vertragsänderungen durchzusetzen, ist nebst der vertraglichen Vereinbarung die Änderungskündigung. Mit dieser kann die oder der Arbeitgebende einseitig Vertragsänderungen durchsetzen.
Es werden grundsätzlich zwei Arten von Änderungskündigungen unterschieden: jene im engeren Sinne, hier wird gekündigt und gesagt, die Kündigung gelte nicht, sofern die neuen Vertragsbedingungen angenommen werden, und jene im weiteren Sinne, hier wird eine Vertragsofferte unterbreitet. Es besteht die Absicht, dass gekündigt wird, wenn die Offerte nicht angenommen wird. Bei einer Änderungskündigung im weiteren Sinne erfolgt zu Beginn also noch keine Kündigung.
Bei beiden Arten hat es die oder der Arbeitnehmende in der Hand, ob sie oder er die Vertragsänderungen akzeptieren will oder nicht, beziehungsweise, ob sie oder er die Kündigung riskieren will.
Wirkungen der Änderungskündigung
Nimmt die oder der Arbeitnehmende die neuen Vertragsbedingungen an, wird der Arbeitsvertrag mit diesen fortgesetzt. Es wird kein neues Arbeitsverhältnis begründet. Während der laufenden Kündigungsfrist gelten die bisherigen Bedingungen unverändert weiter. Nimmt die oder der Arbeitnehmende die neuen Vertragsbedingungen nicht an, wird bei einer Änderungskündigung im engeren Sinne das Arbeitsverhältnis beendet, bei einer Änderungskündigung im weiteren Sinne nur, wenn die oder der Arbeitgebende das Arbeitsverhältnis im Nachhinein auch kündigt. Dieses Vorgehen wird grundsätzlich als zulässig erachtet. Dennoch gibt es Fälle, in denen sich das Vorgehen der oder des Arbeitgebenden und somit die Kündigung als missbräuchlich erweist.
Missbräuchliche Änderungskündigungen
Nimmt eine arbeitnehmende Person die neuen Vertragsbedingungen nicht an, kann die Änderungskündigung unter gewissen Umständen missbräuchlich sein. Im Zusammenhang mit Änderungskündigungen gibt es insbesondere zwei Konstellationen, die nach der Rechtsprechung als missbräuchlich gelten. Das ist in den folgenden Situationen unter anderem gegeben:
- Die oder der Arbeitgebende will eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ohne Einhaltung der Kündigungsfristen durchsetzen.
- Die Änderungskündigung führt zu einer unbilligen, sachlich nicht gerechtfertigten, negativen Anpassung der Arbeitsbedingungen, ohne dass betriebliche oder marktbedingte Gründe vorliegen; das heisst, wenn die oder der Arbeitgebende die Kündigung als Druckmittel benutzt, um der oder dem Arbeitnehmenden eine ungerechtfertigte Änderung aufzuzwingen.
- Wenn die Kündigung als Druckmittel benutzt wird, um der arbeitnehmenden Person eine ungerechtfertigte Änderung aufzuzwingen.
- Wenn die Kündigung ausgesprochen wird, weil die arbeitnehmende Person sich weigert, einen neuen Vertrag abzuschliessen, der gegen das Gesetz, den Tarifvertrag oder den anwendbaren Standardvertrag verstösst, oder
- wenn die oder der Arbeitgebende die Verletzung ihrer oder seiner vertraglichen Schutzpflichten gegenüber der arbeitnehmenden Person ausnutzt, um dieser eine sehr ungünstige Änderung der Arbeitsbedingungen vorzuschlagen.
Nebst diesen besonderen Missbrauchstatbeständen kann aber eine Änderungskündigung auch aus anderen Gründen missbräuchlich sein, wie
BGer 8C_637/2022 vom 2. Juni 2023 zeigte. Eine Änderungskündigung wurde als missbräuchlich erachtet, da der Arbeitgebende der Arbeitnehmenden mittels Änderungskündigung eine Stelle anbot, dann jedoch die Bedenkfrist nicht abwartete.
Liegt eine missbräuchliche Kündigung vor, so kann die oder der Arbeitnehmende Einsprache gegen die Kündigung erheben und eine Entschädigung verlangen.
Bestimmungen über die Massenentlassungen
Eine Massenentlassung liegt vor, wenn eine oder ein Arbeitgebender in einem Betrieb innert 30 Tagen eine gewisse Anzahl von Arbeitnehmenden entlässt, ohne dass die Kündigungen in einem Zusammenhang mit der Person (z. B. Leistung, Verhalten etc.) stehen. Ob aus rechtlicher Sicht eine Massenentlassung vorliegt, hängt von der Grösse des Betriebs und der Anzahl der entlassenen Arbeitnehmenden ab. Rechtlich als Massenentlassung gilt die Entlassung von:
- mindestens 10 Arbeitnehmenden in Betrieben, die «in der Regel» mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmende beschäftigen;
- mindestens 10 Prozent der Arbeitnehmenden in Betrieben, die in der Regel mindestens 100 und weniger als 300 Arbeitnehmende beschäftigen sowie
- mindestens 30 Arbeitnehmende in Betrieben, die in der Regel mindestens 300 Arbeitnehmende beschäftigen.
Ungeachtet dieser Grenzwerte finden die Vorschriften zur Massenentlassung keine Anwendung, wenn dieser eine gerichtliche Betriebseinstellung, der Konkurs der oder des Arbeitgebenden oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zu Grunde liegen.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass auch Änderungskündigungen von den Bestimmungen einer Massenentlassung erfasst sind. Sollen also Arbeitsverträge von mehreren arbeitnehmenden Personen im Rahmen von Änderungskündigungen geändert werden, so können die Bestimmungen über die Massenentlassung anwendbar sein, und es wäre insbesondere ein Konsultationsverfahren durchzuführen, sofern effektiv formelle Kündigungen ausgesprochen werden.