Geheimhaltung im Arbeitsverhältnis
Mitarbeitende im Assistenzbereich spielen eine tragende Rolle in jedem Unternehmen. Sie sind oft tief in die Abläufe eingebunden, haben Zugang zu sensiblen Informationen und erlangen notwendigerweise von solchen Kenntnis. Die Geheimhaltung ist nicht nur eine Frage der Professionalität, sondern auch gesetzlich normiert. Aber welche Pflichten gibt es und wie können sie die Arbeit beeinflussen?
Foto: Stephen Harlan / Unsplash
Gemäss Art. 321a Abs. 4 OR dürfen Arbeitnehmende geheim zu haltende Tatsachen, wie namentlich Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, von denen sie im Dienst des Arbeitgebenden Kenntnis erlangen, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen. Dabei betreffen Fabrikationsgeheimnisse den technischen Bereich, so zum Beispiel ein spezifisches Produktionsverfahren oder Forschungsergebnisse. Zu den Geschäftsgeheimnissen gehören Themen des kaufmännischen-organisatorischen Bereichs wie Kundenverzeichnisse, Marketing oder Personalwesen. Die Gesetzesbestimmung schützt die berechtigten Interessen des Arbeitgebenden, indem sie die Weitergabe dieser geheimen Informationen an Dritte verbietet. Dazu zählen insbesondere Mitbewerbende, aber auch Freundinnen und Freunde, Familie oder nicht berechtigte Mitarbeitende.
Die Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht ist Teil der Treuepflicht der oder des Arbeitnehmenden. Nebst der Arbeitsleistung als Hauptpflicht ist die Treuepflicht die wichtigste Nebenpflicht. Diese umfasst eine Vielzahl von Teilpflichten, die alle darauf abzielen, die Interessen des Arbeitgebenden zu fördern und zu schützen. Nebst der Geheimhaltung gehören dazu unter anderem auch die Sorgfaltspflicht (Art. 321a Abs. 2 OR), das Vermeiden der Herabsetzung des Ansehens des Arbeitgebenden sowie die Herausgabepflicht (Art. 321b Abs. 1 und 2 OR).
Was gilt als Geheimnis?
Ein Geheimnis bezieht sich auf Tatsachen, die weder offenkundig noch allgemein zugänglich sind, die der Arbeitgebende geheim gehalten wissen will und an denen er ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tatsachen der oder dem Arbeitnehmenden anvertraut wurden oder sie oder er zufällig Kenntnis davon erlangt hat. Entscheidend ist, dass diese Informationen eine gewisse Originalität oder Exklusivität aufweisen und nicht als allgemein bekannte Branchenkenntnisse gelten. Nebst Fabrikations- und Geschäftsgeheimnissen umfasst die Geheimhaltungspflicht auch andere Tatsachen, beispielsweise die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Arbeitgebenden.
Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gilt die Geheimhaltungspflicht absolut. Somit dürfen Arbeitnehmende nichts verwerten oder anderen mitteilen, was ihr Arbeitgebender als geheim gehalten wissen will. Mit Ablauf der Kündigungsfrist findet eine Lockerung der Geheimhaltungspflicht statt, die sich in ein Mitteilungsverbot wandelt. Das bedeutet, dass die betroffenen Informationen noch immer nicht aktiv weitergegeben, aber dennoch verwertet werden dürfen. Arbeitnehmende dürfen folglich die beim Arbeitgebenden erlangten Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für ihr berufliches Fortkommen verwerten. Dabei müssen sie aber weiterhin die Geheimhaltungsinteressen des (ehemaligen) Arbeitgebenden berücksichtigen. Im Laufe der Zeit nimmt die Geheimhaltungspflicht sukzessive ab und erlischt nach einer gewissen Zeit vollständig. Wann das genau der Fall ist, hängt im Einzelfall von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise Stellung und Funktion der oder des betreffenden Arbeitnehmenden im Betrieb. Eine genaue Regelung kann im Arbeitsvertrag vereinbart werden, beispielsweise im Rahmen eines Konkurrenzverbots.
Amts- und Berufsgeheimnis
Nebst der arbeitsrechtlichen Regelung sieht das Recht in Spezialgesetzen Geheimhaltungspflichten für Personen mit besonderen Funktionen und für bestimmte Berufsgruppen vor. Mitglieder einer Behörde oder Beamte dürfen Geheimnisse nicht offenbaren, die ihnen in dieser Funktion anvertraut worden sind oder die in dieser amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen wurden (Art. 320 StGB). Gleiches gilt für bestimmte Berufsgruppen: Nach Gesetz sind unter anderen Geistliche, Rechtsanwältinnen, Notare, Ärztinnen, Apotheker und Psychologinnen dazu verpflichtet, keine Geheimnisse zu offenbaren, die ihnen infolge ihres Berufs anvertraut worden sind.
Zur gleichen Geheimhaltung verpflichtet sind auch die Hilfspersonen der oder des jeweiligen Amtsinhabenden beziehungsweise Berufsangehörigen. Der Kreis der Hilfspersonen ist dabei praktisch unbegrenzt. Entscheidend ist nur, dass die Hilfsperson den sogenannten Geheimnisträger in irgendeiner Funktion bei der Erfüllung seiner Aufgabe unterstützen und dabei Kenntnis von Geheimnissen der betreuten Person erhalten. Assistenzberufe aller Art fallen für gewöhnlich immer unter den rechtlichen Begriff der «Hilfsperson», weshalb sie von dieser besonderen Geheimhaltungspflicht mitumfasst werden. Ein solches spezialgesetzliches Amts- oder Berufsgeheimnis gilt unbefristet und endet nicht mit dem Arbeitsverhältnis.
Arbeitsrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen
Bei Verletzung der Treuepflichten, darunter auch die Geheimhaltungspflicht, drohen Disziplinarmassnahmen wie beispielsweise eine Verwarnung. In schweren oder wiederholten Fällen kann auch eine ordentliche oder eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden. Die angemessene Sanktion bestimmt sich nach der Schwere der Treuepflichtverletzung, wobei alle relevanten Umstände zu berücksichtigen sind. Zusätzlich oder alternativ zu diesen arbeitsrechtlichen Konsequenzen besteht auch die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung.
Die Tatbestände der Verletzung von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen (Art. 162 StGB), des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB) und des Berufsgeheimnisses (Art. 321 StGB) können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden.
Whistleblowing: Eine besondere Herausforderung
Von Personen, welche Geheimnisse in eigenmächtiger Weise und ohne sachlichen Grund offenbaren, sind sogenannte Whistleblower zu unterscheiden. Von Whistleblowing spricht man, wenn Angestellte Missstände im Unternehmen aufdecken möchten, die gewichtige Interessen Dritter oder der Öffentlichkeit gefährden. Bei zulässigem Whistleblowing sind die internen Vorgaben des Arbeitgebenden einzuhalten, beispielsweise betriebsinterne Whistleblowing-Reglemente, sofern solche existieren. Vor einem Gang an die Öffentlichkeit ist aber – wenn immer möglich – zuerst der Arbeitgebende, das heisst der direkte beziehungsweise nächsthöhere Vorgesetzte oder eine hierfür intern eingerichtete Meldestelle, und erst dann die zuständige Behörde zu informieren.