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BVG-Rente oder -Kapital?

 «Soll ich zum Pensionszeitpunkt aus meiner Pensionskasse eine Altersrente oder das gesamte Altersguthaben als einmalige Kapitalzahlung beziehen?» Eine allgemein gültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Vielmehr lautet sie: «Es kommt darauf an …»

Es braucht viel Zeit, sich mit dem Rückzug aus dem Erwerbsleben und der wohlverdienten Pensionierung auseinanderzusetzen. Landläufig wird der Grundsatz propagiert, sich ab Alter 50 erste Gedanken darüber zu machen. Das beinhaltet insbesondere die Frage, ob zum Pensionszeitpunkt aus der Pensionskasse eine lebenslange Altersrente bezogen wird oder das gesamte Altersguthaben als einmaliger Kapitalbezug ausbezahlt werden soll. Hilfreich kann es sein, sich unter anderem die nachfolgenden Fragen zu stellen.

Bis wann muss der Entscheid gefällt sein?
Der Gesetzgeber sieht vor, dass ein Kapitalbezug mindestens drei Jahre vor dem Pensionierungsdatum der Pensionskasse mitgeteilt werden muss. Wie diese effektive Frist aber tatsächlich ist, findet sich im Pensionskassenreglement. Manche Pensionskassen sprechen von kürzeren Fristen, beispielsweise ein Jahr vor dem Altersrücktritt oder gar noch kürzer.

Was sagt das persönliche Budget aus?
Für die Zeit nach dem Erwerbsleben ist es unausweichlich, vorzeitig ein persönliches Budget zu erstellen. Zu Beginn des wohlverdienten Ruhestands ist mit höheren Ausgaben zu rechnen, da genügend Zeit vorhanden ist, um bisher unerfüllte Träume zu verwirklichen. Zudem wird der Wegfall der bisher angefallenen Kosten wie etwa Berufsauslagen die Mehrausgaben im Alter nicht annähernd kompensieren. Wer also in den ersten zehn bis zwölf Jahren im Pensionsalter mit höheren Ausgaben rechnet, ist froh, wenn das persönliche Budget einen genügend grossen finanziellen Spielraum vorgesehen hat.

Welche finanzielle Sicherheit wird benötigt?
Die Altersrente der AHV allein wird die künftigen Ausgabenposten nicht annähernd decken können. Dementsprechend muss die ­Differenz zwischen den Ausgaben und der AHV-Altersrente anderweitig gesichert sein. Es ist heutzutage zudem illusorisch zu glauben, dass die Altersrenten der AHV und der Pensionskasse die künftigen Ausgaben vollständig ausgleichen können. Gerade deswegen sind für die Sicherung des Alterseinkommens auch anderweitige und frühzeitige Überlegungen zwingend notwendig, die über die Frage nach der BVG-Rente oder dem Kapitalbezug hinausgehen.

Wie präsentiert sich die gesamte finanzielle Ausgangslage?
In der Praxis zeigt es sich häufig, dass bei höheren freien Vermögenswerten die Tendenz eher in Richtung BVG-Kapitalbezug geht. Eine solche finanzielle Ausgangslage kann dabei helfen, einen Ausgabenüberschuss flexibler abzufedern. Je nachdem, ob weitere namhafte Vermögenswerte vorhanden sind, die regelmässige Einnahmen generieren (zu denken ist etwa an vermietetes Wohneigentum, das entsprechende Mieterträge einbringt), oder sich auf einem einzigen Sparkonto nur einige wenige zehntausend Franken befinden, resultiert aus der Leitfrage dieses Artikels eine komplett unterschiedliche Antwort.

Welche steuerlichen Konsequenzen resultieren?
Eine BVG-Altersrente gilt als Einkommen und ist deswegen zu 100 Prozent auch als solches zu versteuern. Da diese Rente zum übrigen Einkommen hinzuaddiert wird, kann sich das stark auf die Steuerprogression auswirken. Eine Kapitalauszahlung hingegen wird einmalig, gesondert und zu einem reduzierten Satz besteuert. Dieses «Nettokapital» wird Teil des freien Vermögens und in der Folge vermögenssteuerrechtlich behandelt. Zudem gelten daraus entstehende Vermögenserträge ebenfalls als steuerrelevant.

Wie gross sind die Finanzkenntnisse?
Bei sehr geringem Wissen über Finanzen und Kapitalanlagen ist bei einem Kapitalbezug höchste Vorsicht geboten. Die Thematik der Geldanlage kann enorm komplex sein. Sicher ist die Hausbank oder eine andere Vermögensverwaltung daran interessiert, mit Rat zur Seite zu stehen. Wer sich für einen Kapitalbezug entscheidet, muss sich jedoch bewusst sein, dass dieses Kapital nach einer klar durchdachten und der persönlichen Risikobereitschaft entsprechenden Portfoliozusammenstellung bewirtschaftet und überwacht werden muss.

Welche familiäre Situation besteht?
Bei einem Bezug der Altersrente würde im Todesfall die hinterbliebene Ehegattin oder der hinterbliebene Ehegatte eine Hinterlassenenrente erhalten. Das gilt auch für Kinder bis zu einem gewissen Alter, für die eine Waisenrente ausbezahlt würde. Bezieht eine Person zum Pensionszeitpunkt das gesamte Altersguthaben, würden in einem solchen Fall keine Hinterlassenenrenten erfolgen. Wer hingegen die Rente bezieht und weder eine Ehepartnerin oder einen Ehepartner noch Kinder hat, dessen Altersguthaben verfällt im Todesfall unter Umständen zugunsten der Pensionskasse. Entscheidet sich eine Person für den Kapitalbezug und verstirbt eine gewisse Zeit später, wird das noch nicht verbrauchte Kapital Teil der Erbmasse.

Wie steht es um die Gesundheit?
Ob wir gesund in Pension gehen und ein langes, glückliches und beschwerdefreies Leben geniessen können? Diese Frage wird auch die Bank oder die Vermögensverwaltung nicht beantworten können. Dennoch wird bei hoher Lebenserwartung eher ein Rentenbezug im Vordergrund stehen, da die Pensionskasse diese Altersrente lebenslänglich auszahlen muss. Das sogenannte Langlebigkeitsrisiko wird also der Pensionskasse übertragen.

Welche Argumente bestehen für die Bezugsvarianten?
Für den Entscheid können etwa die folgenden, nicht abschliessenden Argumente herangezogen werden.

Rentenbezug:

  • Lebenslange, garantierte Auszahlung
  • Auf regelmässige Einnahmen angewiesen sein
  • Wenig bis gar keine Finanzkenntnisse
  • Eher tiefes Pensionskassenguthaben
  • Keine weiteren, namhaften Vermögenswerte
  • Keine Erbinnen und Erben, die von einer Kapitalauszahlung profitieren könnten

Kapitalbezug:

  • Flexible Kapitalnutzung
  • Gutes bis sehr gutes Finanzwissen
  • Eher tiefere Lebenserwartung
  • Steuerliche Konsequenzen können einen Kapitalbezug rechtfertigen
  • Hohes Pensionskassenguthaben und anderweitig namhafte Vermögenswerte vorhanden
  • Nicht verbrauchtes Altersguthaben soll im Todesfall an die Erbinnen und Erben gehen

Und nun?
Eine allgemein gültige Antwort auf die Eingangsfrage gibt es nicht. Nicht haltbar ist hingegen das manchmal geäusserte Argument, das Kapital nur deswegen zu beziehen, weil die Umwandlungssätze in der Pensionskasse tief sind. Eine solche Begründung ist zu kurzsichtig und nicht professionell. Massgebend ist es jedoch, sich frühzeitig mit diesen Gedanken zu beschäftigen und auch die Möglichkeit einer Mischform (also einen Teil des Altersguthabens als Rente zu beziehen und den anderen Teil als Kapital auszahlen zu lassen) in die möglichen Szenarien einzubeziehen.

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Marco Riedi ist Sozialversicherungsfachmann und Ausbilder mit eidg. Fachausweis, ­Dozent für Sozialversicherungsrecht an diversen Weiterbildungsinstitutionen sowie Gründer und Geschäftsführer der Bedra GmbH in Chur. bedra.ch

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