Zwischen Karriere und Kinderzimmer
Deutsche Familien können Beruf und Familie heute besser miteinander vereinbaren als noch vor ein paar Jahren. Gastautorin Sarah Kröger zeigt, welche staatlichen Unterstützungen Familien in Deutschland entlasten – und warum trotzdem noch mehr getan werden muss.
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Bild: iStock
Es ist Montagmorgen, 7.15 Uhr, irgendwo in Deutschland. Susanne schmiert gerade hektisch Pausenbrote für den grossen Sohn, während sie mit ihrem Mann Alessandro darüber diskutiert, wer die kleine Tochter heute aus der Kita abholt – beide haben ein wichtiges Meeting.
Szenen wie diese sind typisch für den deutschen Elternalltag. Oft sind Eltern hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, einen möglichst guten Job zu machen und möglichst viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Doch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht nur ein Thema für Eltern, sondern auch für die Politik und die Unternehmen. Denn eine Gesellschaft, die Familien unterstützt, investiert in ihre Zukunft.
Unterstützung für Familien
In der deutschen Familienpolitik hat sich in den letzten Jahren jede Menge getan. Anfang der 2000er-Jahre war der Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige kaum ein Thema. Seit 1996 haben Kinder ab drei Jahren, seit 2013 Kinder ab einem Jahr, einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Ein wichtiger Auslöser für diese Veränderungen war die niedrige Geburtenrate. Diese stieg in den folgenden Jahren zwar etwas an, ist aktuell aber wieder auf einem ähnlichen Niveau wie Anfang der Jahrtausendwende: Bei 1,35 Kindern pro Frau (2023).
Finanzielle Unterstützung gibt es für Eltern in Deutschland schon vor der Geburt: Ein Mutterschaftsgeld in Höhe des durchschnittlichen Nettoverdiensts der letzten drei Monate. Dieses wird sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt von der Krankenkasse und dem Arbeitgeber gezahlt. Ist das Kind geboren, gibt es pro Kind 255 Euro Kindergeld monatlich von der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit. Familien mit geringem Einkommen können einen Kinderzuschlag von bis zu 297 Euro pro Monat erhalten.
Ausserdem haben beide Elternteile einen Anspruch auf bis zu drei Jahre Elternzeit. In dieser Zeit müssen sie nicht arbeiten und können sich um ihre Kinder kümmern. Ihr Arbeitsverhältnis bleibt trotzdem weiterhin bestehen und sie sind in besonderer Weise vor einer Kündigung geschützt. Kehren sie zu ihrem Arbeitgeber zurück, haben sie einen Anspruch auf die Arbeitszeit, die vor Beginn der Elternzeit vereinbart war.
In ihrer Elternzeit können Mutter oder Vater Elterngeld beziehen – das geht auch abwechselnd oder zeitgleich. Beim Basis-Elterngeld gibt es bis zu 14 Monate lang zwischen 300 und 1800 Euro, je nach vorherigem Einkommen. Für Eltern, die bald nach der Geburt ihres Kindes wieder in Teilzeit arbeiten möchten, ist die Option «ElterngeldPlus» gedacht: Sie können bis zu 28 Monate zwischen 150 und 900 Euro erhalten und so den geringeren Verdienst ausgleichen.
Was Unternehmen tun können
Für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf können Firmen jede Menge für ihre angestellten Eltern tun: Die Ermöglichung von Homeoffice-Tagen ist in der Regel eine der wichtigsten Instrumente für Eltern für die unterschiedlichsten Bedürfnisse: Die Kinder können früher von der Schule nach Hause kommen und unvorhergesehene Schliesstage in Kindergärten oder Krankheitstage der Kinder können flexibel überbrückt werden.
Das zweitwichtigste Instrument ist die flexible Arbeitszeitgestaltung oder Arbeitsmodelle wie das Tandem, das auch in Führungspositionen in manchen Firmen gelebt wird. So können Eltern Termine für und mit ihren Kindern am Mittag absolvieren und sich an Tagesrandzeiten noch einmal an den Rechner setzen.
«Diese beiden Instrumente sind in vielen Firmen in Deutschland eigentlich Standard», sagt Annette Rompel, Chefredakteurin von «working@office» und selbst Mutter von zwei kleinen Kindern. Auch wenn einige Unternehmen aktuell in dem Bereich Rückschritte wegen der wirtschaftlich angespannten Lage machten, so seien beide Möglichkeiten nach wie vor für Eltern möglich und verhandelbar.
«Die Vereinbarkeit beginnt aber nicht erst bei den Arbeitsmodellen, sondern schon viel früher», findet Rompel: «Führungskräfte müssen geschult und sensibilisiert werden für die Bedürfnisse von Eltern und Angestellten, die Personen pflegen.» Zudem sollten beispielsweise wichtige Teammeetings so gelegt werden, dass auch Teilzeitkräfte teilhaben können, also an den entsprechenden Arbeitstagen und nicht unbedingt an Tagesrand-Zeiten, bei denen Eltern auf dem Weg von und zu Kindergarten und Schule sein könnten.
Ein betriebliches Gesundheitsmanagement, das speziell auf Stressreduktion und Angebote für Eltern abzielt, ist ebenfalls förderlich. Manche Unternehmen schaffen im Bereich People & Culture auch einen zentralen Ansprechpartner für Vereinbarkeitsthemen, wie sogenannte Familienbeauftragte. Klar kommunizierte Leitlinien zu weiteren familienfreundlichen Massnahmen sind ebenfalls hilfreich. «Unternehmen, die diese Palette an Instrumenten bedienen, haben beim Fachkräftemangel gute Karten bei Eltern», sagt Rompel. Und das sei ein absoluter Wettbewerbsvorteil.
Vereinbarkeit in Deutschland
Mehr berufstätige Mütter und Väter übernehmen mehr Verantwortung im Haushalt
- Der Anteil der berufstätigen Mütter in Deutschland stieg von 71 (2014) auf 78 Prozent (2022).
- Väter beteiligen sich heute stärker an der Hausarbeit als 2014: Nur noch 37 Prozent überlassen die Hausarbeit ganz oder zum grössten Teil den Müttern (2014 waren das noch 45 Prozent).
- 46 Prozent der Eltern wünschen sich eine gleiche Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit.
- Mehr Zeit für die Familie wünschen sich 23 Prozent der Väter. 19 Prozent von ihnen würden deswegen gerne ihre Erwerbstätigkeit reduzieren.
- Zu wenig Zeit für den Job: 25 Prozent der Mütter würden gern eine Berufstätigkeit aufnehmen oder ihre bestehende Berufs-tätigkeit ausweiten.
Artikel erscheint in Kooperation mit working@office.