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«Was zählt, ist die Persönlichkeit»

Als Headhunterin für Executive Assistants führt Ute Barnickel das Vorstellungsgespräch vor dem Vorstellungs­gespräch. Sie kennt beide Seiten: die Kandidatinnen und die Unternehmen. Und sie weiss, worauf es ankommt.

Frau Barnickel, Sie sind Headhunterin für Assistentinnen. Was macht dieses Berufsbild für Sie so speziell?
Ute Barnickel: Eine gute Assistentin ist die Co-Managerin ihres Chefs. Sie nimmt ihm viele Routineaufgaben ab, denkt für ihn oder sie mit und löst verschiedenste Kommunikations- und Informationsaufgaben hochprofessionell. Ihr Verhältnis zum Vorgesetzten ist durch persönliches und fachliches Vertrauen geprägt. Sie weiss sich also entsprechend zu verhalten.

Wie entscheiden Sie, wen Sie einladen?
Eingeladen wird, wer die erforderlichen Qualifikationen mitbringt. Ganz wichtig sind mir aber auch die Bewerbungsunterlagen. Leider habe ich oft das Gefühl, die Bewerberinnen machen sich darüber zu wenig Gedanken. Oft sehe ich Textbausteine von Stellenplattformen oder fehlerhafte Motivationsschreiben. Eine gute Assis­tentin muss aber in der Lage sein, einen fehlerfreien Brief zu schreiben. Das mag altmodisch klingen, wird aber an vielen Orten noch verlangt – auch wenn die Kommunikation heute meist per E-Mail stattfindet. Schlecht kommen auch unschlüssige CVs oder Fotos an, auf denen im Hintergrund noch ein Baukran zu sehen ist.

Wie bereiten Sie die Kandidatinnen auf die Interviews bei den Unternehmen vor?
Indem ich ihnen alle Informationen gebe, die ich habe. Allerdings gestalten sich die Gespräche in den Unternehmen sehr unterschiedlich. Ich habe schon erlebt, dass der Interviewer das Gespräch mit «Was für Fragen haben Sie denn an mich?» begann. Da war die Kandidatin erst mal perplex. Es kann aber auch sein, dass dort ein HR-Profi sitzt, der ein strukturiertes Interview führt. Dort ist dann kein Platz für allzu viel Menschlichkeit. So richtig vorbereiten können sich die Kandidatinnen nur selbst, und zwar am besten, indem sie sich klar werden, was sie können, warum sie gut sind, und das auch so rüberbringen könneen.

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Niemand spricht gern über Geld, doch es muss sein. Mit etwas Vorbereitung geht es besser.

Warum wird fast immer nach Stärken und Schwächen gefragt? Bekommt man da überhaupt noch authentische Antworten?
Ich bin kein Fan von standardisierten Interviews und stelle diese Fragen gar nicht. In jedem ­Bewerbungsratgeber können die Kandidaten heute lesen, was sie darauf antworten sollen. Da kommt nicht mehr viel Authentisches.

Was sind die beliebtesten Eigenschaften?
Teamfähig, motiviert und flexibel sind die beliebtesten Stärken, Top-Resultate bei den Schwächen sind Ungeduld oder Perfektionismus. Das ist doch langweilig. Mal abgesehen davon, hat jede Eigenschaft zwei Seiten. Vielseitig, beispielsweise, klingt erst einmal toll. Es kann aber auch bedeuten, dass die Person unkonzentriert und flatterhaft ist. Ich erfahre am meisten, indem ich gut und aufmerksam zuhöre und bei meinen Fragen die ausgetretenen Pfade verlasse. So kann ich mir Stärken und Schwächen selbst rausfiltern.

Was, wenn der Recruiter im Unternehmen trotzdem danach fragt? Gibt es noch schlaue Antworten?
Auf keinen Fall einfach Schlagworte aufzählen, die nichts aussagen. Die Kandidatinnen sollten versuchen, bei ihrem Gegenüber Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Das heisst, sie sollten ihre Eigenschaften mit konkreten Begebenheiten untermauern. Anstelle von «ich bin analytisch denkend» besser umschreiben, was diese analytischen Fähigkeiten ausmacht.

Sollten Kandidaten im Gespräch lieber frei von der Leber weg erzählen oder besser nur auf Fragen antworten?
Jede Kandidatin sollte ihren Werdegang schlüssig und flüssig in 10 bis 15 Minuten zusammenfassen können. Da darf man auch spezielle Begebenheiten schildern oder auf die Zusammenarbeit mit dem vorherigen Chef eingehen. Wer allerdings 20 Jahre in drei Minuten abhakt, muss auf Rückfragen gefasst sein. Ebenso unpassend ist es, wenn endlos ausholt wird. Bei allen anderen Fragen am besten kurz, aber nicht kurz angebunden antworten.

Gibt es einen Trend in Bezug auf das Alter von Kandidatinnen?
Das ist ein Thema, bei dem ich mich oft ärgere. Wann ist schon das richtige Alter? Entweder man ist zu jung und es fehlt die Erfahrung. Zwischen 30 und 40 kann man wegen der Familiengründung ausfallen und ab Mitte 40 fragt man sich, ob man überhaupt noch einen Job findet. Das ist doch Quatsch. Natürlich geben Vorgesetzte manchmal ein Idealalter vor. Das kann mit der Teamzusammensetzung oder mit der Salärstruktur zusammenhängen. Ebenfalls eine Rolle spielt es, dass sich viele Unter­nehmen eine längerfristige Zusammenarbeit ­wünschen. Aber das ist ohnehin bei keiner ­Altersgruppe garantiert.

Immer wieder liest man von Horrorgesprächen, in denen Interviewer versuchen, die Kandidaten zu verunsichern. Ist das in Ihrem Business Realität?
Dass Kandidatinnen regelrecht in die Enge getrieben werden, höre ich nicht oft. Das gilt wohl mehr für andere Jobs. Ungewöhnliche Fragen kommen jedoch immer wieder mal vor. Eine Kandidatin wurde beispielsweise gefragt, was auf ihrem Grabstein stehen solle. Eine andere, warum der Himmel blau sei. Hier geht es nicht um Richtig oder Falsch. Vielmehr will der Interviewer sehen, wie jemand reagiert. Es gilt: Sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Es ist auch in Ordnung zu sagen, dass man etwas nicht weiss. Wer weiss, was er kann, darf auch mal zu einer Lücke stehen.

Und warum ist der Himmel blau?
(Lacht) Das weiss ich leider auch nicht. Aber die Kandidatin hat das damals zu Hause recherchiert und ihre Antwort in einem charmanten E-Mail sozusagen nachgereicht. Sie hat den Job bekommen. Ich weiss zwar nicht, ob das den Ausschlag gab, das machen vier von fünf Personen nicht. Aber so eine Kleinigkeit kann am Ende das Zünglein an der Waage sein.

Zur Person

Ute Barnickel trennt für ihre Kunden die Spreu vom Weizen. Seit fünf Jahren ist sie Beraterin bei der da Unternehmensberatung und dort auf die Vermittlung von Assistentinnen auf Konzernleitungs-, Verwaltungsrats- und C-Level spezialisiert.

Wie helfe ich mir, wenn ich merke, dass das Gespräch in die falsche Richtung läuft?
Das ist mir selbst einmal passiert. Ich fühlte mich in die Enge getrieben, habe mich etwas verrannt und gemerkt: oh, oh, noch eine falsche Antwort, und das war es dann. Also habe ich meinen zukünftigen Chef gefragt, ob es möglich sei, kurz auf die «Rückwärtstaste» zu drücken, und ich nochmals anfangen dürfe. Ich durfte und habe den Job bekommen. Darum: sich ­ruhig trauen, um etwas Zeit zu bitten oder nochmal anfangen zu dürfen. Das wirkt souveräner, als einfach draufloszuplappern. Ich kann nicht garantieren, dass es immer gut ankommt, zu seinen Fehlern zu stehen. Aber es zeigt Persönlichkeit, und das ist besser, als eine Fassade aufrechtzuerhalten.

Was sollten Assistentinnen im Gespräch unbedingt in Erfahrung bringen?
Zunächst einmal fällt mir auf, dass Kandi­datinnen immer wieder unvorbereitet zum Interview kommen. Ich erwarte, dass sich eine Bewerberin im Vorfeld mit dem Unternehmen auseinandersetzt. Oft höre ich jedoch: «Äh, ich bin noch gar nicht dazu gekommen.» Gerade wenn man sich als Assistentin eines CEO bewirbt, kann man sich diese Person heute auf Youtube oder der Unternehmenswebsite schon einmal ansehen und sich ein Bild machen. Auf dieser Basis können dann auch gute Fragen für das Gespräch vorbereitet werden.

Wie wichtig ist es, Fragen zu stellen?
Fragen sagen für mich oft mehr aus als Ant­worten. Fragen zum Unternehmen, zur Firmenkultur, zur Zusammenarbeit mit dem Chef sind wichtig, wenn man sich für oder gegen den Job entscheiden will. Echtes Interesse zeigt sich auch, wenn eine Kandidatin den Ball aus dem Gespräch wieder aufnimmt und dazu spontan eine Frage stellt. Das zeigt, dass sie zuhört. Eine Frage hat mir besonders gut gefallen; die Kandidatin fragte: «Angenommen, Sie stellen mich ein und ich mache eine super Arbeit. Woran würden Sie das merken?»

Buchtipps

  • Andreas Odenwald, Meine Sekretärin ist genial, Ihre auch?: Was ich an ihr schätze –Was sie nie tun würde. Goldmann Verlag, 2007
  • Maria Akhavan-Hezavei, Angelika Rodatus, Annette Rompel (Hrsg.), Handbuch Sekre­tariat und Office Management: Der Praxisleitfaden für effiziente Büroorganisation, wirksame Chefentlastung und erfolgreiche Assistenz im Management. Gabler Verlag, 2012
  • Gabriele Cerwinka, Büro-Bibel: Auftritt, Or­ganisation, Kommunikation. Linde Verlag, 2011

Gibt es auch No-Gos?
Oh ja! Der Versuch, besonders schlau zu wirken, scheitert meist. Wer Fragen zu Unternehmenskennzahlen stellt, sollte dann auch etwas damit anzufangen wissen. Sonst wird es peinlich.

Welche Kandidatinnen haben Erfolg?
Persönlichkeit entscheidet. Jemand, der etwas von sich preisgibt und sich von seiner menschlichen Seite zeigt, macht mir immer Eindruck. Das kann unter Umständen wichtiger sein als die eine oder andere Anforderung aus dem Stellenprofil. Ich habe es schon mehr als einmal erlebt, dass eine Kandidatin nicht alle Kriterien zu hundert Prozent erfüllte und die Stelle trotzdem bekam. Fehlende ­Excel-Kenntnisse kann man nachschulen, fehlende Persönlichkeit nicht. Für solche Kandidatinnen lehne ich mich auch gern aus dem Fenster, um die Unternehmensseite zu überzeugen, dass sie die Richtige ist.

 

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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