Porträt

Sparringspartner auf Augenhöhe

Jacqueline Modoux ist beim Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne als Chefin Büro Generalsekretariat, Assistentin des Generalsekretärs sowie stellvertretende Protokollchefin tätig – und wenn sie nicht gerade im Büro ist, düst sie mit ihrer Harley Davidson durch die Gegend.

Wow, ist der erste Gedanke, wenn man davorsteht: Die höchste gerichtliche Instanz der Schweiz, das Bundesgericht in Lausanne, ist zweifellos einer der imposantesten Arbeitsorte der Schweiz. «Rund 7000 bis 8000 Fälle werden hier pro Jahr behandelt, das sind im Durchschnitt knapp 30 pro Arbeitstag», erzählt Jacqueline Modoux, Chefin Büro Generalsekretariat, Assistentin des Generalsekretärs sowie stellvertretende Protokollchefin, die wir an diesem Mittwochnachmittag an ihrem Arbeitsort treffen.

Eine unglaubliche Zahl, die dementsprechend eine Menge an Mitarbeitenden fordert. So arbeiten über 300 Personen vor Ort in Lausanne, darunter der Bundesgerichtspräsident und ihr Chef, der Generalsekretär, sowie rund 100 Personen am Bundesgericht in Luzern. Insgesamt sind an diesen beiden Standorten 40 Richterinnen und Richter, 160 Gerichtsschreiberinnen und -schreiber sowie die weiteren Mitarbeitenden der acht Abteilungen und der verschiedenen Bereiche der Gerichtsverwaltung tätig.

Seit 2021 arbeitet die 43-jährige Assistentin nun am Bundesgericht und schätzt dort ihre sehr facettenreichen und interessanten Funktionen. «Es ist für mich ein absolutes Privileg, am Bundesgericht arbeiten zu dürfen». Denn Jacqueline Modoux ist nicht einfach «nur» Assistentin, sondern hat insgesamt drei Hüte auf. Nebst ihrer Tätigkeit als Assistentin des Generalsekretärs Nicolas Lüscher leitet sie das Büro des Generalsekretariats mit sechs Mitarbeiterinnen und ist stellvertretende Protokollchefin. Allem gerecht zu werden, ist eine Herausforderung. «Aber genau das gefällt mir», sagt Modoux. «Privat wie beruflich mag ich die Abwechslung. Es gibt für mich nichts Schlimmeres als Routine.»

Am meisten Zeit in Anspruch nimmt die Führung des Büros des Generalsekretariats. Wie sie als Chefin sei? «Eine mit Herz und grosser Empathie, wie mir attestiert wurde. Ich gebe meinen Mitarbeitenden den Freiraum, um sich zu entfalten. Ich bin aber immer da, wenn man mich braucht.» Ihr Team sei auch ein Grund, wieso sie ihre Zeit lieber im Büro als im Homeoffice verbringe. «Ich brauche den direkten Kontakt mit den Leuten und den Austausch.»

Auch der Kontakt zu ihrem direkten Vorgesetzten, dem Generalsekretär Nicolas Lüscher ist ihr wichtig. «Unsere Zusammenarbeit ist respektvoll und transparent. Wir sprechen viel miteinander und tauschen uns aus.» Kommunikation sei für sie das A und O einer guten Zusammenarbeit und auch, sich gegenseitig vertrauen zu können. «Ohne diese Schlüsselwerte geht nichts.» Und Humor dürfe natürlich ebenfalls nicht fehlen. «Ein Lächeln bewirkt sehr viel», sagt Modoux.

Übrigens keine Floskel. Jacqueline Modoux nimmt mit ihrer fröhlichen und offenen Art jeden sofort für sich ein. Dass die gegenseitige Kommunikation gut funktioniert, ist auch dann besonders wichtig, wenn ihr Chef unterwegs ist. «Meine Aufgabe ist es unter anderem, alles so gut vorzubereiten, dass er nach seiner Rückkehr sämtliche Geschäfte rasch im Überblick hat und weiss, was während seiner Abwesenheit passiert ist.»

Meine Wahl

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Jacqueline Modoux

Foto: Aniela Lea Schafroth

Auto oder Motorrad?
Ich fahre beides, aber wenn ich wählen muss, ist mir das Auto wichtiger. Schon als Kind spielte ich lieber mit Spielzeugautos als mit Puppen und mit 18 Jahren machte ich umgehend den Führerschein. Heute besitze ich einen BMW i4 – ich habe definitiv einen Hang zu schönen Autos – mit dem ich täglich zur Arbeit pendle.

Frühaufsteherin oder Nachteule?
Definitiv eine Nachteule. Ich werde in diesem Leben keine Frühaufsteherin mehr. Deshalb brauche ich am Morgen immer ein wenig Zeit, um anzulaufen. Je später am Tag, desto energetischer werde ich.

Berge oder Meer?
Ich bin sehr reisefreudig und liebe das Meer, das für mich eine extreme Kraftquelle ist. Ich liebe die Weite und geniesse jeweils die Zeit im und auf dem Wasser.

Kaffee oder Tee?
Am Morgen ist mein erster Handgriff nach dem Abstellen des Weckers jener nach der ersten Tasse Kaffee. Ich bin eine absolute Kaffeeliebhaberin. Meist trinke ich ein bis zwei Tassen zu Hause und dann noch ein paar bis in den Nachmittag hinein im Büro.

Sommer oder Winter?
Im Sommer blühe ich jeweils richtig auf und bin eine wahre Sonnenanbeterin. Wenn die Sonne scheint, gibt mir das unglaubliche Energie. Zwar mag ich auch den Winter und liebe es, Ski zu fahren, doch den Sommer kann keine andere Jahreszeit übertrumpfen.

Von der Privatwirtschaft zum Bund

Apropos Kommunikation: Die Amtssprachen am Bundesgericht sind Deutsch, Französisch und Italienisch. Für Jacqueline Modoux eine Leichtigkeit, da sie das Privileg hatte, im freiburgischen Gurmels bilingue aufzuwachsen. «Meine Mutter ist Deutschschweizerin und mein Vater Romand.» Weil für sie beide Sprachen wichtig sind, setzt sie sich auch im Arbeitsalltag dafür ein, dass die Sprachgruppen harmonieren. «Das öffnet unseren Horizont und fördert den gegenseitigen Respekt», ist die Freiburgerin überzeugt.  

Jacqueline Modoux ist eine offene, aufgestellte und engagierte Persönlichkeit, die stets auf ihre Intuition und ihr Bauchgefühl vertraut hat. So führt Letzteres dazu, dass sie nach einem Jahr Progymnasium in Fribourg merkte, dass das nichts für sie ist, und sie sich für eine kaufmännische Lehre entschied. «Ich wollte rasch mein eigenes Leben in die Hand nehmen und vor allem unabhängig sein.»

Nach dem Lehrabschluss beginnt sie im Jahr 2000 als Marketing- und Verkaufsassistentin bei Radio Fribourg zu arbeiten. Doch schon bald fühlt sie sich unterfordert und sieht sich nach einer neuen Stelle um. Es folgen zwei lehrreiche und interessante Anstellungen in der Privatwirtschaft, bevor es sie 2008 nach Bern verschlägt. Eine Freundin machte sie auf den Stellenanzeiger des Bundes aufmerksam. Modoux sieht darin eine interessante Stelle, die ihr gefällt, bewirbt sich und wird angestellt.

Mit 28 Jahren wird sie Assistentin des Kommandanten der Militärischen Sicherheit in Bern. «Ein cooler Job, ein tolles Team und zwei grossartige Chefs.» Zwei? «Ja, beim Militär wechseln die militärischen Kaderpositionen alle paar Jahre.» Auch schon in dieser Funktion mochte sie es am liebsten, Events zu organisieren. Ebenso der Dienst, den man für den Chef leiste, habe ihr sehr gefallen. «Das war meine erste Assistenzfunktion», sagt Modoux.

Im überwiegend männerlastigen Betrieb macht sie nur gute Erfahrungen. Zum Stellenwechsel kommt es einzig, weil die Militärpolizei von Bern nach Sion umzieht, «und das kam für mich nicht in Frage». Also schaut sie sich intern nach einer neuen Stelle um. 

Die Armee, ein toller Ausbildner

2015 wechselt Jacqueline Modoux von der Militärpolizei zum Heer (später Kommando Ausbildung) als Chefin Geschäftsführung Kommando Ausbildung und Stellvertreterin des Chefs Führungsdienst. Dort verantwortet sie ihre erste Führungsfunktion und kann ein kleines Team führen. Führungskompetenzen eignet sie sich während des Jobs durch diverse Aus- und Weiterbildungen bei der Armee an. «Die Ausbildungsangebote für die persönliche Weiterentwicklung sind sehr gut – von Leadership über Management bis hin zu Kommunikations- und Konflikttrainings gibt es da alles.» Modoux nutzt diese Möglichkeiten und ist dafür bis heute dankbar: «Die Armee war ein toller Ausbildner.» 

Nach 13 Jahren bei der Armee kommt bei Jacqueline Modoux das Gefühl hoch, nochmals etwas Neues zu wagen. «Ich wollte mich weiterentwickeln, ein grösseres Team führen und noch mehr Verantwortung übernehmen.» Beim Stellenmarkt des Bundes wird sie eines Nachts fündig und sieht die Stelle als Chefin Büro Generalsekretariat und Assistentin des Generalsekretärs beim Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne. Nachdem sie nochmals darüber geschlafen und sich mit ihrem Partner ausgetauscht hat, bewirbt sie sich. Die Chemie stimmt bereits nach dem ersten Vorstellungsgespräch und nach einem umfangreichen Assessment erhält sie die Stelle, die sie am 1. April 2021 in Lausanne antritt.

Drei Hüte beim Bundesgericht

Als Assistentin des Generalsekretärs ist Jacqueline Modoux nicht nur für das Termin- und Kalendermanagement zuständig. Ihre Hauptaufgabe ist die Vorbereitung aller Dossiers, Geschäfte und Korrespondenzen, die täglich für den Bundesgerichtspräsidenten und den Generalsekretär eingehen. «Ich sichte die Unterlagen, analysiere sie und mache bereits erste Bearbeitungsvorschläge, bevor ich mich mit meinem Chef treffe.»

Modoux ist es wichtig, selbst mit den Geschäften vertraut zu sein und mitzudenken. «Das rate ich auch immer meinen Mitarbeitenden. Es ist zentral, sich so gut wie möglich in die Geschäfte einzulesen und konkrete Vorschläge für die weitere Bearbeitung zu machen.» Das helfe dem Chef, Zeit zu sparen, und man komme so auch selbst direkt in die Geschäfte rein. «Ist es nicht grossartig, wenn man als Sparringspartner auf Augenhöhe agieren kann?»

Ausser für ihren Chef steht sie auch für den Bundesgerichtspräsidenten und die Verwaltungskommission des Bundesgerichts zur Verfügung. Überhaupt: In so einer Position müssen man immer sehr flexibel sein, Ohren und Augen offenhalten und stets zur Verfügung stehen. «Es ist eine typische Drehscheibenfunktion.»

Die Arbeit als stellvertretende Protokollchefin liegt Jacqueline Modoux ebenfalls am Herzen. «Zu meinen Aufgaben gehören die Organisation von nationalen Anlässen sowie die Mitorganisation der internationalen Anlässe, der Empfang von ausländischen Delegationen am Bundesgericht und deren Begleitung am Anlass.» Das finde sie spannend und abwechslungsreich.

Was ihr auch zusagt: die kreativen Momente im Job. So durfte die Assistentin beispielsweise das offizielle Rednerpult am Bundesgericht entwerfen. «Mein Chef Nicolas Lüscher wünschte sich ein repräsentatives Rednerpult. Da wir bislang noch keines hatten, nahm ich diese Aufgabe in die Hand und kreierte eines gemeinsam mit einer Firma.» Das Grossartige daran: «Es gehört nun zum Mobiliar des Bundesgerichts und wird über zahlreiche Jahre seine Dienste tun, auch wenn ich dereinst nicht mehr da bin. So bleibt ein kleines Stück von mir in diesem beeindruckenden Palais. Das macht mich stolz.»

Work-Life-Balance

Jacqueline Modoux’ Tage sind meist lang. «Denn ich könnte immer arbeiten. Ich liebe meinen Job.» So geht die 43-Jährige auch immer erfüllt nach Hause – «und dort kann ich dann auch abschalten.» Das tut sie dann gemeinsam mit ihrem Partner Nicolas, einem Berufsoffizier, den sie bei der Armee kennengelernt hat und mit dem sie in Môtier lebt.

«Wir beide lieben es, Sport zu treiben, in der Natur unterwegs zu sein oder mit unserer Harley Davidson durch die Gegend zu brausen.» Das helfe, den Stress loszuwerden und Energie zu tanken. Energie, die Modoux noch brauchen wird. Denn im nächsten Jahr feiert das Bundesgericht sein 150-Jahr-Jubiläum. «Das wird ein spannendes Jahr, für das ich diverse Anlässe mitorganisieren kann. Ich habe hier definitiv meinen Platz gefunden!»

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Jacqueline Modoux

Foto: Aniela Lea Schafroth

Jacqueline Modoux

Jacqueline Modoux kam 1980 auf die Welt und wuchs mit einem Bruder in einem bilinguen Elternhaus im freiburgischen Gurmels auf. Von 1997 bis 2000 absolvierte sie eine kaufmännische Lehre bei «Escor» in Düdingen, danach arbeitete sie ein Jahr als Marketing- und Verkaufsassistentin bei Radio Fribourg in Freiburg. Weitere Stationen folgten von 2001 bis 2002 bei der Integralis AG in Givisiez als Marketing Assistant, Project Coordinator & Accounting sowie von 2002 bis 2008 als Projekt- und Logistikassistentin bei der Quadriga Schweiz AG in Granges-Paccot.

Danach verliess sie die Privatwirtschaft und begann, als Assistentin des Kommandanten der Militärischen Sicherheit (MilSich) in Bern zu arbeiten. 2015 wechselte sie intern von der Militärpolizei zum Heer (später Kommando Ausbildung) als Chefin Geschäftsführung Kommando Ausbildung (C Gesch Fhr Kdo Ausb) und Stellvertreterin des Chefs Führungsdienst (Stv C Fhr D). Seit 2021 ist Modoux nun Chefin Büro Generalsekretariat, Assistentin des Generalsekretärs und stellvertretende Protokollchefin beim Schweizerischen Bundesgericht in ­Lausanne. Modoux lebt mit ihrem Partner in Môtier.

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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