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«Ein guter Witz entsteht im Moment»

Humor ist gut, aber nicht auf Knopfdruck: Komiker Mike Müller spricht im Interview über die Tücken gezwungener Heiterkeit im Büro sowie die Fallstricke witzelnder Vorgesetzter – und erklärt, warum man statt ins Humortraining lieber in die Badi gehen sollte.

Worüber haben Sie das letzte Mal herzhaft  gelacht? 

Mike Müller: Vorhin am Telefon, im Gespräch mit einem Filmproduzenten. Wir wälzten eine absurde Serienidee, das war ziemlich komisch. Und heute Morgen habe ich mit meiner Hundetrainerin beim Spaziergang über unsere Hunde und über andere Leute gelacht. 

Also kein Tag ohne Lachen als bestes Rezept? 

Ich würde das nicht als Rezept bezeichnen. Für mich ist Humor etwas ganz Normales, etwas Selbstverständliches. Wenn man ­versucht, Humor zur Methode zu machen, verliert er seinen Reiz. Vor allem dann, wenn er gezielt eingesetzt wird, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Natürlich kann Humor Spannungen lösen oder schwierige Situationen auflockern. Aber wenn man ihn bewusst in Stellung bringt, kann es auch unangenehm werden.

Wir kennen das alle: Vorgesetzte, die ständig Witze machen, weil sie glauben, das bringe eine entspannte Atmosphäre. Aber wenn man merkt, dass der Witz zur Pflichtübung wird und man sogar noch mitlachen soll, weil es ins Führungsverständnis passt, ist bei mir Schluss. Das ist auch eine Seite des Humors: Man kann ihn missbrauchen. Humor kann übergriffig sein, nicht nur mit sexistischen oder rassistischen Inhalten, sondern auch durch die Haltung, aus der er kommt.

Wo beginnt Humor, wo hört er auf?

Ich glaube, man kann diese Frage nur situativ beantworten. Denn es gibt Momente, in denen Humor einfach fehl am Platz ist. Wenn es beispielsweise um reale Gewalt gegen Menschen geht, etwa in Kriegsgebieten. Das ist definitiv nicht lustig. Humor ist auch Geschmackssache. Es gibt Komikerinnen und Komiker, die einfach nicht zum eigenen Witzeverständnis passen – und dann funktioniert es eben nicht. 

Wie reagiert man am besten, wenn ein Witz im Büro als unangemessen empfunden wird? 

Ich arbeite in einem Einzelbüro. Das macht es einfacher (lacht). In so einer Situation braucht es Menschen, die ein wenig Courage und Anstand besitzen. Letzteres klingt spiessig, aber es ist so. Und etwas Anstand ist eigentlich gar nicht so schwer. Man darf immer noch über sehr viele Dinge Witze machen. 

Wie wichtig ist Humor überhaupt bei der Arbeit? 

Humor verbindet Menschen. Für einen kurzen Moment sind alle auf dem gleichen Level. Er hilft zudem, Dinge mit etwas Distanz zu betrachten. Das macht vieles leichter. Führungskräfte sollten ausserdem über ein gewisses Mass an Selbstironie verfügen. Nicht zu viel, sonst wird es kokett. Humor kann auch helfen, gegenüber der eigenen Firma Abstand zu gewinnen. Was heute in Unternehmen alles als Corporate Identity oder Leitbild verkauft wird, ist oft Geschwurbel auf Globi-Buch-Niveau. Da engagieren Firmen PR-Agenturen, die erklären, warum man als Team nur gemeinsam den Berg erklimmen kann. Über so etwas darf und muss man lachen.  

Wie sehr würden Sie sagen, fördert Humor  die Kreativität und die Produktivität im Team? 

Humor schafft eine gewisse Distanzierung und hilft uns, Dinge anders zu betrachten. Denn wenn man sich zu sehr in ein Projekt verbeisst, blockiert das oft. Humor baut Spannung auf und unterläuft sie zugleich. Der Spannungsabfall ist dann das Lachen. Lockerheit durch Humor ist gut, weil sie oft zu besseren kreativen Ideen führt, allerdings in einem gewissen Mass. Denn manchmal braucht es auch Konzentration und das bewusste Einlassen auf eine Sache. Wenn dann nur noch herumgealbert wird, ist Humor nur noch Ablenkung – und dann bringt er nichts mehr. 

Wie sehen Sie es bei Konflikten? Kann Humor als Mittel zur Konfliktlösung im Team eingesetzt werden? 

Das kann ich pauschal so nicht beantworten, denn das Thema ist zu komplex. Humor ist keine Patentlösung für Konflikte. Manchmal hilft er, wenn sich jemand selbst nicht so wichtig nimmt und dadurch Spannung abbaut. Aber bei Humor muss man immer genau hinschauen, wann er gut ist und wann nicht. Diese Verall­gemeinerungen und das lehrbuchhafte Vorgehen finde ich wenig sinnvoll. 

Welchen Tipp würden Sie einer Führungskraft zum Thema Humor geben? 

Humor soll authentisch sein. Also zur Person passen, die ihn nutzt. Dazu gehört auch das formale Verhalten einer Führungskraft, das berücksichtigt werden sollte. Klar kann sie auch mal über die Stränge schlagen und Emotionen zeigen, aber wenn das nicht das Grundprinzip ist, sollte sie es lieber bleiben lassen.  

Was halten Sie von Humortrainings für Mitarbeitende und Vorgesetzte? 

Grundsätzlich würde ich sagen: für das Geld ­lieber in die Badi gehen oder sich ein gutes Buch kaufen. Aber ich kenne diese Trainings nicht im Detail und weiss nicht genau, was man da macht. Ich selbst habe auch schon Schreibworkshops von amerikanischen Comedyautoren besucht. Mir persönlich ist das alles etwas zu strukturiert. Wenn man verstehen will, wie ein Witz funktioniert, kann man Freud lesen: «Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten.» 

Aber Humor zu sehr zu trainieren oder gar anzutrainieren? Nein. Ein guter Witz entsteht im Moment. In einer guten Runde. Freitagabend, Apérozeit, alle sind gut gelaunt, man mag sich, ist sich wohlgesinnt – und dann macht man dumme Sprüche. Das ist fruchtbarer Boden für Humor. Statt ein Humorseminar zu besuchen, würde ich empfehlen: Schärfe deinen Geschmack. Schau dir Theater an oder nutze eine der unzähligen Plattformen, die es heute gibt. Dort merkt man sehr schnell, was man selbst als guten Humor empfindet. Und man sieht auch die kulturellen Unterschiede. 

Die da wären? 

Zum Beispiel die Amerikaner. Die bringen Zoten, bei denen ich manchmal denke: Spinnt ihr eigentlich? Typen in meinem Alter, die total pubertäre Witze machen. Meiner Beobachtung nach liegt das daran, dass es in der amerikanischen Öffentlichkeit kulturell nicht erlaubt ist, sexuell explizit zu reden, darum wird das Ganze in die Comedy-Shows ausgelagert. Dort sind die Amerikaner dann unglaublich schmerzbefreit, wenn es um derben Humor geht.  

Sehen Sie sonst noch kulturelle Unterschiede beim Humor? 

Ja. Ein gutes Beispiel ist der britische Komiker Ricky Gervais. Er macht vor seinem Publikum gerne freche Witze und sagt: «I can allow myself to talk about that. You know why? Because I am rich and you are not.» Das funktioniert im britischen Kontext, in dem soziale Klassen eine grössere Rolle spielen. Bei uns wäre das schnell arrogant. Aber bei Gervais lacht das Publikum darüber. 

Gibt es Humorvorlieben, die sich durch Generationen unterscheiden? 

Unbedingt. Man muss allerdings betonen, dass in Europa die Generationen viel stärker getrennt sind als in den USA. Dort ist die Szene viel durchmischter. Bei uns ist das alles sehr homogen. Deshalb sind die Unterschiede auch viel grösser. Aber toll ist, dass viele junge Komikerinnen und Komiker nachkommen, die neue Wege gehen. Und das ist gut so. 

Mike Müller

Mike Müller verkörperte die Hauptrolle in der SRF-Krimiserie «Der Bestatter», hatte mit Viktor Giacobbo eine Late-Night-­Show und tourte mit seinen Soloprogrammen «Erbsache» und «Klassentreffen» durch die Schweiz. Aktuell ist er mit dem Zirkus Knie unterwegs.
mike-mueller.ch

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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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