
«Es wuchs der Wunsch nach Veränderung»
Hermina Srubarova stammt aus Tschechien und zog 2013 nach London. Aufgrund ihrer Liebe zum Reisen verabschiedete sie sich jedoch vom klassischen 9-to-5-Job und machte sich als Executive Assistant selbstständig. Heute lebt sie einige Wochen im Jahr als Digital Nomad – bevorzugt hält sie sich dabei im asiatischen Raum auf. Wie ist es, als Assistentin nicht im Büro, sondern von überall aus zu arbeiten?

Foto: zVg
«Vor 13 Jahren bin ich aus Tschechien nach London gezogen und startete dort meine Karriere im Detailhandel und Retail-Management. 2017 folgte der Wechsel in die Assistenz als Executive Assistant für Geschäftsführer und CEOs. In meiner ersten Anstellung arbeitete ich als Executive Assistant für einen Creative Director in einer Schmuckfirma, danach unterstützte ich Führungspersonen in einer anderen Luxusfirma in London.
Nach fünf Jahren wuchs der Wunsch nach Veränderung. Reisen faszinierte mich schon immer, und während der COVID-Pandemie entschieden mein Partner und ich, unseren Lebensstil umzustellen. In dieser Phase fiel die Entscheidung, als Freelancerin zu arbeiten. Eine Wohnung ausserhalb von London wurde mein Rückzugsort. Ein Platz, den ich bis heute jederzeit nutzen kann.
Der Einstieg lief überraschend gut. Start-ups gehörten zu meinen ersten Kunden, und schnell merkte ich, wie viel Freude mir die Arbeit mit wachsenden Unternehmen bereitete. Der Aufbau eines eigenen Geschäfts gestaltete sich erstaunlich einfach, da in Grossbritannien viele Prozesse online ablaufen. Wichtige Grundlagen wie Geschäfts-Haftpflichtversicherung, Buchhaltungs-Software und ein sicheres VPN sind jedoch eine essenzielle Basis. Ebenso spielt finanzielle Weitsicht eine grosse Rolle, da man langfristig mit den eigenen finanziellen Mitteln haushalten muss.
In der Selbstständigkeit ebenso wichtig ist eine professionelle Website, da sie das Aushängeschild jedes Freelancers bildet. Klare Präsentation der eigenen Fähigkeiten, Projekte und Kundenstimmen schafft Vertrauen. Der Aufbau meiner eigenen Website erforderte mehrere Monate, doch der Aufwand zahlte sich aus.
Der Wechsel von der Konzernwelt ins Freelancing brachte frischen Wind. Ich arbeitete nun für kleinere Unternehmen – darunter Wohltätigkeitsorganisationen, Non-Profit-Organisationen, Start-ups und Unternehmen im Bildungssektor. Mit der Zeit entwickelte sich eine selektive Herangehensweise, sodass meine Expertise gezielt mit den Bedürfnissen der Kundschaft übereinstimmte.
Meine Herangehensweise erwies sich zudem als eine grossartige Lernmöglichkeit. Ich belegte Kurse in Webentwicklung, Projektmanagement und Social Media. Das war alles für mich anfangs eine Herausforderung. Doch durch die Arbeit mit meiner Kundschaft lernte ich auch hier einiges dazu, und Schritt für Schritt konnte ich diese Aufgaben übernehmen.
Die Projekte, in denen ich mitarbeite, finden in verschiedenen Regionen statt – Asien, die Philippinen und Hongkong. Viele der Organisationen arbeiten mit vollständig remote aufgestellten Teams, wodurch ich einem kontinuierlichen Austausch mit verschiedenen Kulturen und Arbeitsstilen ausgesetzt bin. Ich suche nach Kunden, die klare Ziele verfolgen und Offenheit für eine Zusammenarbeit zeigen. Mein Schwerpunkt liegt nicht nur auf administrativen Aufgaben, sondern auch auf strategischer Unterstützung für Geschäftsentwicklung, Social Media, effizientere Arbeitsprozesse und bessere Kundenbeziehungen.
Die Zeitverschiebung bringt allerdings gewisse Herausforderungen mit sich. Früher startete mein Tag früh, doch die Zusammenarbeit mit asiatischen Firmen verschob den Tagesrhythmus. Persönliche Tätigkeiten wie Sport oder Lesen erledige ich nun am Morgen, bevor der Arbeitstag beginnt. Struktur und Zeitmanagement sind essenziell, um produktiv zu bleiben.
Aktuell bin ich zum dritten Mal auf Reisen. Die besten Erfahrungen mit Co-Working-Spaces machte ich bislang in Städten wie Hongkong, Singapur oder Bangkok. Wobei Hongkong und Singapur meine bevorzugten Arbeitsorte sind. Hier gibt es viele motivierte, kreative Menschen und einfache Networking-Möglichkeiten, um sich inspirieren zu lassen. Das stets stabile Internet erleichtert mir die Arbeit zudem ungemein.
Auch bei der Unterkunft setze ich klare Prioritäten: ergonomische Arbeitsplätze mit guten Schreibtischen und Stühlen. Dazu habe ich in hochwertige Ausrüstung wie ein leistungsstarker Laptop und ein sicheres VPN investiert. Ich kann meinen Arbeitsplatz flexibel in eine andere Unterkunft verschieben und am Wochenende die Region wie eine Touristin erkunden. Diese Balance zwischen Arbeit und Reisen macht den Lebensstil besonders erfüllend.
Freelancing begeistert mich besonders durch die Vielfalt – jeder Kunde bringt neue Herausforderungen, Verantwortlichkeiten und Arbeitsweisen mit sich. Diese Dynamik macht die Erfahrung unglaublich spannend und lohnend. In früheren Jobs stand Organisation im Mittelpunkt – Terminplanung, Kalenderverwaltung und die Sicherstellung von Deadlines. Heute geht es um Wachstum, Sichtbarkeit und strategische Entwicklung für Unternehmen: Das perfekte Gleichgewicht zwischen dem Lernen neuer Fähigkeiten und deren gezieltem Einsatz, um meinen Kunden entsprechend unterstützen zu können.
Auch das Arbeitsumfeld gefällt mir besser: Warmes Wetter erhöht meine Energie und in Städten wie Hongkong lassen sich Arbeitsstunden draussen in Parks oder Cafés verbringen – in Grossbritannien oft kaum machbar wegen des unbeständigen Klimas. Einige Orte stehen noch auf meiner Reise-Wunschliste. Japan und Bali sind ganz oben.
Ich möchte gern andere dazu inspirieren, das Konzept der Remote-Arbeit für sich zu nutzen und das Leben in vollen Zügen zu geniessen. Das Leben ist zu kurz, um nicht das zu tun, was Freude und Erfüllung bringt.»
Der Anfang: Herminas Tipps
- Das Wichtigste ist, ein klares Budget für persönliche Prioritäten zu setzen. Wie kann man Geld gezielt investieren, statt für Unnötiges auszugeben. Auch das Reduzieren von überflüssigen Käufen oder der Verkauf ungenutzter Dinge verbessert die finanzielle Lage.
- Für alle, die den Einstieg ins Freelancing planen, lohnt es sich, eine Liste der eigenen Stärken aufzustellen – idealerweise Fähigkeiten, die für andere wertvoll sein könnten. Der nächste Schritt wäre der Aufbau einer eigenen Website. Zudem sollte man unbedingt eine klare Vorstellung davon haben, wie der eigene Lebensstil aussehen soll.