Betriebssystem Zyklus: Eine unentdeckte Ressource im Arbeitsalltag
Der Menstruationszyklus ist nicht nur eine reine Körperfunktion, sondern interagiert auch mit der Psyche und dem Energielevel. Wer das eigene Leben zyklusorientiert ausrichten will, weiss oftmals nicht, wo anfangen. Gastautorin Martina Portmann erklärt, wie der Zyklus als Ressource genutzt werden kann.
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Der Zyklus ist historisch gesehen seit der Antike bis ins aktuelle Konsumzeitalter mit vielen Abwertungen, Idealbildern und Verhaltensanweisungen beladen worden. Es ist an der Zeit, ihn wieder zurückzuerobern und für sich als Ressource im Alltag zu kultivieren, denn richtig genutzt ist er eine grosse Kraftquelle.
Wie funktioniert ein natürlicher Zyklus?
Der Zyklus zwischen Menarche und Wechseljahren besteht aus einem fortlaufenden Wechsel aus zwei Grunddynamiken: der ersten Zyklushälfte nach der Menstruation bis zum Eisprung, die zum Aufbau der Fruchtbarkeit dient und der zweiten nach dem Eisprung bis zur Menstruation. Diese setzt ein, wenn die Eizelle unbefruchtet bleibt und der Körper den quasi unbenutzten «Welcome-Apéro» wieder abbaut.
Diese Zyklusdynamiken werden ausgelöst durch den Wechsel von Hormonen. Nach der Menstruation steigt automatisch der Östrogenspiegel, was im Körper den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut antreibt. Parallel dazu lässt das Hormon LH eine Eizelle in den Eierstöcken reifen. Auf dem Höhepunkt dieses Prozesses springt die Eizelle, die von sich aus während rund 24 Stunden offen für eine Befruchtung ist.
Nach dem Eisprung bildet sich am Ort, an dem die Eizelle den Eierstock verlassen hat, das Hormon Progesteron. Steigt im Körper dieses Hormon an, wird die zweite Zyklushälfte eingeleitet. Der Östrogenspiegel sinkt ab und der Körper fängt an, die zuvor aufgebaute Schleimhaut abzubauen und am Schluss mit der Menstruation aus dem Körper zu leiten.
Auswirkungen der Hormone
Aus der heutigen Forschung ist bekannt, dass Hormone auf Körper und Psyche wirken. So gibt es die Tendenz, dass Frauen in der östrogendominanten ersten Zyklushälfte offener für soziale Kontakte sind, andere Menschen mehr unterstützen und Beziehung und Miteinander mehr in den Fokus stellen. In der zweiten Zyklushälfte, in der das Hormon Progesteron dominant auftritt, neigen Frauen eher dazu, sich zurückzuziehen, auf sich selbst zu fokussieren und Dinge nüchtern, sachlich zu betrachten.
Dieses auf Studienergebnisse beruhende mehrheitliche Verhalten kann ein guter Anfang sein, sich im eigenen Zyklus auf diese Dynamiken zu konzentrieren und wahrzunehmen, ob es ähnlich oder abweichend ist. Hinsichtlich Zyklus als Ressource ist die Forschung im Moment noch am Anfang, denn bislang wurde der Zyklus der Frau auf die Fortpflanzung reduziert und entsprechend nur in diesem Zusammenhang erforscht. Falls Frauen daher bei sich eine andere Dynamik oder Tendenz feststellen, bedeutet das nicht automatisch, dass etwas mit ihnen und ihrem Zyklusempfinden nicht stimmt. Auch ein anderes Empfinden kann für die persönliche Gesamtsituation passend sein.
Zyklus ist eine Beziehung, kein Quickie!
Beziehungen im Alltag sind vom Zyklus beeinflusst: soziale Kontakte ebenso wie die Beziehung zum Beruf, aber auch zu sich selbst und der eigenen mentalen Gesundheit. Dabei haben Frauen im Vergleich miteinander einige Überschneidungen, gleichzeitig ist aber auch jeder Zyklus ein individueller Ausdruck und kann nicht pauschalisiert werden.
Ein Beispiel: Ein normaler Zyklus kann zwischen 24 und 42 Tagen dauern. Hier lohnt es sich, sich regelmässig mit dem eigenen Zyklus zu befassen, statt nur einmal und dann nie wieder. Besonders gut dafür eignen sich beispielsweise klassische Notizbücher oder ein Zyklus-Tracker via App. Letztere bieten eine Vielzahl an Aufzeichnungsmöglichkeiten: Am Anfang können diese überfordern. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich bewusst auf einen Fokus zu konzentrieren. Beispielsweise auf das Wohlbefinden oder Schmerzen, hohes oder niedriges Energielevel. Das hilft, dranzubleiben, Angebote zu filtern und das passende Tool zu finden.
Mit der Zeit stellt sich ein Gefühl für die unterschiedlichen Zyklusphasen ein. Mithilfe der Aufzeichnungen können die Erfahrungen ausgewertet sowie nach persönlichen Mustern und Rhythmen gesucht werden. Ein persönliches Zyklusbewusstsein ermöglicht, innerhalb des Zyklus aktiv zu agieren, statt zu reagieren.
Zyklus als Alltagsressource nutzen
Mit dem Wissen um die Grunddynamik und der Kenntnis des persönlichen Rhythmus kann der Zyklus als Ressource im Alltag kultiviert werden. Hier ist die Grundlage, wahrzunehmen, wie sichder Zyklus im persönlichen Alltag in den unterschiedlichen Zyklusphasen anfühlt, eine eigene Bewertung der Situation vorzunehmen und diese mit den eigenen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Ist dieser Grundstein gelegt, können Alltagsaufgaben dazu genommen und ebenfalls passend eingebunden werden.
Genauso wie der Zyklus repetitiv ist, fallen auch Routinen im Arbeitsalltag an. Hier gilt es, das perfekte Match zu finden. Gibt es Dinge, die monatlich anfallen? Diese können entsprechend der Grunddynamik eingeplant werden, wann immer sie stimmig und sinnvoll sind. Wer das persönliche Energie- und Leistungsniveau kennt, weiss zudem, wann es Zeit ist, Vollgas zu geben und wann es sinnvoller ist, sich auf ein bis drei wichtige Schwerpunkte zu konzentrieren, um Leistungsdruck und unnötigen Stress zu vermeiden.
Bei einem festen Tagesgeschäft anstelle von Monatsaufgaben kann der Zyklus wertvolle Hinweise auf persönliche Bedürfnisse geben. Zeigt sich in der zweiten Zyklusphase etwa das Bedürfnis nach Rückzug oder häufige Ablenkung, lassen sich gezielt bewusste Rückzugsmöglichkeiten einplanen.
Eine weitere «Best Practice» ist auch, auf die Ernährung zu achten. In der zweiten Zyklushälfte benötigt der Körper mehr Energie für den Abbau der Gebärmutterschleimhaut. Viele essen in der zweiten Zyklushälfte genauso viel wie in der ersten: Nach etwa zehn bis vierzehn Tagen ist das Defizit so hoch, dass der Körper mit Heisshunger auf Süsses, Fettiges und Salziges reagiert, um möglichst schnell das Defizit an Kalorien zu füllen. Um Heisshunger-Attacken frühzeitig aus dem Weg zu gehen, ist der Schlüssel, bewusster zu essen und mehr Kalorien in der zweiten Zyklushälfte zu sich zu nehmen. Dafür eignen sich zum Beispiel fetthaltige Nüsse oder Haferflocken-Riegel, die man zusätzlich zweimal am Tag essen kann.
Fazit
Der Zyklus ist Monat für Monat eine Chance, um stimmige und passende Routinen und persönliche Rituale zu finden. Wenn sich der erste Versuch also als Flop herausstellt: «No worries». Einfach diese Erkenntnisse wahrnehmen und es im nächsten Zyklus erneut in veränderter Form versuchen.