Arbeitsrecht und Schwangerschaft
Das Arbeitsrecht in der Schweiz enthält verschiedene Sonderschutzvorschriften für die Beschäftigung von schwangeren Frauen. Rechtsexperte Nicolas Facincani erklärt, was es zu beachten gilt.
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Werden Arbeitnehmende unverschuldet aufgrund von Krankheit oder Unfall an der Arbeitsleistung gehindert, so hat der Arbeitgebende für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten. Dieser Fall greift, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen wurde.
Die Dauer der Lohnzahlungspflicht wird meist in Einzelarbeits-, Gesamtarbeits- und den Normalarbeitsverträgen geregelt. Befindet sich in den anwendbaren Verträgen keine schriftliche Regelung, gilt (Art. 324a Abs. 2 OR):
- drei Wochen für das erste Dienstjahr (100 Prozent Lohn);
- ab dem zweiten Dienstjahr: für eine angemessene längere Zeit. Möglich sind auch Krankentaggeldlösungen, die eine längere Dauer vorsehen.
Das Gesetz sieht bei Schwangerschaft dieselbe Lohnfortzahlungspflicht vor – auch wenn Schwangerschaft keine Krankheit ist!
Zeitlicher Kündigungsschutz
Weiter sieht es vor, dass nach der Probezeit die ganze Schwangerschaftsdauer sowie die 16 Wochen nach der Niederkunft als Sperrfrist gelten, während der einer Schwangeren nicht gekündigt werden darf. Der Kündigungsschutz greift mit Beginn der Schwangerschaft, unabhängig davon, ob diese dem Arbeitgebenden mitgeteilt wird oder nicht – Schwangerschaften sind nicht mitteilungspflichtig.
Erfolgt eine Kündigung während der Schwangerschaft oder in den 16 Wochen nach der Niederkunft, so ist diese nichtig. Wird eine Kündigung vor der Schwangerschaft ausgesprochen, so wird die Dauer der Arbeitsverhinderung aufgrund der Sperrfrist am Ende der Kündigungsfrist hinzugerechnet.
Sachlicher Kündigungsschutz
Während der Probezeit gilt der vorgenannte zeitliche Kündigungsschutz nicht. Dennoch sind Schwangere zu einem gewissen Grad geschützt. So kann eine Kündigung missbräuchlich sein und zugleich gegen das Gleichstellungsgesetz verstossen, wenn einer Schwangeren während der Probezeit aufgrund der Schwangerschaft gekündigt wird.
Anstellungsdiskriminierung
Die Nichtanstellung aufgrund einer Schwangerschaft stellt eine Diskriminierung nach dem Gleichstellungsgesetz (GlG) dar. Die betroffene Person hat deshalb Anspruch auf eine Entschädigung. Diese ist auf maximal drei entgangene Monatslöhne beschränkt. Zu beachten ist, dass die Anstellung nicht durchgesetzt werden kann. Die Entschädigung muss innerhalb einer dreimonatigen Klagefrist geltend gemacht werden.
Gesundheitsschutz
Der Arbeitgebende hat schwangere Frauen so zu beschäftigen und ihre Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass ihre Gesundheit und die Gesundheit des Kindes nicht beeinträchtigt werden (Art. 35 ArG).
Schwangere, die aufgrund der Vorschriften bestimmte Arbeiten nicht verrichten können, haben Anspruch auf 80 Prozent des Lohns, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, soweit ihnen der Arbeitgebende keine gleichwertige Ersatzarbeit zuweisen kann.
Zudem dürfen schwangere Frauen nicht über die vereinbarte ordentliche Dauer der täglichen Arbeit hinaus beschäftigt werden (Art. 60 Abs. 1 ArGV 1). Sie dürfen also keine Überstunden leisten.
Beschäftigungserleichterungen für schwangere Frauen
Bei hauptsächlich stehend zu verrichtender Tätigkeit sind schwangeren Frauen ab dem vierten Schwangerschaftsmonat eine tägliche Ruhezeit von zwölf Stunden und nach jeder zweiten Stunde zusätzlich zu den Pausen nach Arbeitsgesetz eine Kurzpause von zehn Minuten zu gewähren (Art. 61 Abs. 1 ArGV 1).
Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat sind stehende Tätigkeiten auf insgesamt vier Stunden pro Tag zu beschränken (Art. 61 Abs. 2 ArGV 1). Schwangere Frauen müssen sich unter geeigneten Bedingungen hinlegen und ausruhen können (Art. 34 ArGV 3).
Beschäftigungseinschränkungen
Schwangere Frauen dürfen nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden. Sie dürfen zudem auf blosse Anzeige hin von der Arbeit fernbleiben oder die Arbeit verlassen sowie ab der achten Woche vor der Niederkunft zwischen 20 und 6 Uhr nicht beschäftigt werden (Art. 35a ArG). Zudem sind sie auf ihr Verlangen hin von Arbeiten zu befreien, die für sie zu beschwerlich sind (Art. 64 Abs. 1 ArGV 1). Der Arbeitgebende muss eine schwangere Frau an einen für sie ungefährlichen und gleichwertigen Arbeitsplatz versetzen (Art. 64 Abs. 3 ArGV 1), wenn:
- die Risikobeurteilung eine Gefahr für die Sicherheit und die Gesundheit von Mutter oder Kind ergibt und keine geeigneten Schutzmassnahmen getroffen werden können; oder
- feststeht, dass die betroffene Frau Umgang mit Stoffen bzw. Mikroorganismen hat oder Arbeiten ausführen muss, die mit einem hohen Gefahrenpotenzial verbunden sind.
Der Arbeitgebende hat schwangere Frauen, die sonst zwischen 20 und 6 Uhr beschäftigt wären, zudem nach Möglichkeit eine gleichwertige Arbeit zwischen 6 und 20 Uhr anzubieten. Soweit ihnen keine andere gleichwertige Arbeit angeboten werden kann (Art. 35b ArG), haben sie mindestens Anspruch auf 80 Prozent des Lohns, ohne allfällige Zuschläge für Nachtarbeit, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn.