Abstimmungsjahr 2024: Darum geht's!
Der 3. März 2024 war ein historischer Sonntag: Mit über 58 Prozent Ja-Stimmen sprach sich das Schweizer Stimmvolk für die Einführung einer 13. AHV-Rente aus. Die Renteninitiative, die eine weitere Erhöhung des Rentenalters und eine spätere Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung vorsah, wurde hingegen deutlich abgelehnt. In diesem Jahr werden vielleicht noch zwei weitere historische Abstimmungssonntage folgen.
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Im September 2022 wurde, wenn auch denkbar knapp, die Revision AHV 21 angenommen, um die AHV finanziell zumindest bis 2030 zu stabilisieren. Knapp eineinhalb Jahre nach dieser Abstimmung wird nun eine Leistungserhöhung in der AHV deutlich angenommen. Es wird spannend, zu sehen, welche Finanzierungslösungen die Politik präsentieren wird, damit die künftige Auszahlung dieser 13. AHV-Altersrente gesichert ist.
In welche Richtung diese Finanzierung gehen könnte, liegt auf der Hand: Erhöhung der Lohnbeiträge, Erhöhung der Beiträge der Nichterwerbstätigen, eine weitere Anpassung der Mehrwertsteuer nach oben oder alles zusammen. Sogar die Idee einer Querfinanzierung durch eine andere Sozialversicherung geisterte kürzlich durch die Medien. Nicht weniger spannend sind zwei weitere Themen, über die wir in diesem Jahr abstimmen werden.
Initiativen zur Krankenversicherung
Am 9. Juni 2024 stimmen wir über zwei Initiativen ab, die sich mit den Krankenkassen befassen:
- Einerseits sieht die Prämien-Entlastungs-Initiative vor, die Krankenkassenprämien in der Grundversicherung nach oben zu begrenzen. Dabei soll die Bundesverfassung folgendermassen verändert werden: «Versicherte haben Anspruch auf eine Verbilligung der Krankenkassenprämien. Die von Versicherten zu übernehmenden Prämien betragen höchstens zehn Prozent des verfügbaren Einkommens. Die Prämienverbilligung wird zu mindestens zwei Dritteln durch den Bund und im verbleibenden Betrag durch die Kantone finanziert.» Diese Initiative verlangt, die Prämienbelastung für die Haushalte auf ein gewisses Maximum zu begrenzen und gleichzeitig die bereits bestehende Prämienverbilligung durch eine zusätzliche Subventionierung über öffentliche Gelder stark auszubauen.
- Andererseits verlangt die Kostenbremse-Initiative, dass der Bund, die Kantone sowie die Akteure des Gesundheitswesens Massnahmen ergreifen müssen, wenn die Gesundheitskosten im Vergleich zur Entwicklung des Nominallohns zu stark ansteigen. Dieses Eingreifen durch den Bund und die Kantone soll dann stattfinden, wenn die durchschnittlichen Kosten pro versicherte Person und Jahr in der Grundversicherung mehr als 20 Prozent über der Entwicklung der Nominallöhne liegen und die Krankenversicherer und die Leistungserbringer keine Kostendämpfungsmassnahmen festgelegt haben. In welchem Ausmass und vor allem in welchen Bereichen dieses Eingreifen dann stattfinden soll, ist nicht klar.
BVG-Revision
Die Pensionskassen sind schon seit einiger Zeit mit der Herausforderung konfrontiert, aufgrund der steigenden Lebenserwartung die Altersrenten länger auszuzahlen. Hier spielen auch die schwankenden Kapitalmärkte eine grosse Rolle, was unter dem Strich vielfach mit Umverteilungen zwischen den entsprechenden Generationen einhergeht. Die BVG-Revision sieht deswegen folgende Massnahmen vor:
- Der Mindestumwandlungssatz in der obligatorischen beruflichen Vorsorge soll von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden. Mit diesem Umwandlungssatz wird das angesparte Altersguthaben zum Pensionszeitpunkt in eine Rente umgewandelt. Das bedeutet exemplarisch: Wer zum Pensionszeitpunkt in der Pensionskasse im obligatorischen Teil 500 000 Franken angespart hat, erhält bei einem Umwandlungssatz von 6,8 Prozent eine Rente von 34 000 Franken pro Jahr. Würde der Umwandlungssatz auf 6 Prozent gesenkt, läge die jährliche Rente bei 30 000 Franken.
- Das BVG kennt eine sogenannte Eintrittsschwelle von momentan 22 050 Franken. Ist der Jahresverdienst einer Person tiefer als dieser Betrag, ist sie grundsätzlich nicht obligatorisch BVG-versichert. Nach Annahme der Revision soll diese Eintrittsschwelle auf 19 845 Franken gesenkt werden.
- Ebenfalls eine BVG-Besonderheit ist der sogenannte Koordinationsabzug. Dieser Abzug wird auf dem Jahresverdienst vorgenommen und das Ergebnis daraus bildet den im BVG versicherten Verdienst. Heute liegt dieser Koordinationsabzug bei 25 725 Franken. Neu soll dieser Koordinationsabzug lohnabhängig sein und 20 Prozent des AHV-Lohns betragen. Bezieht beispielsweise eine Person einen Jahresverdienst von 70 000 Franken, liegt der im BVG versicherte Verdienst aktuell bei 44 275 Franken. Bei der Annahme der BVG-Revision läge der BVG-versicherte Verdienst mit einem Jahreseinkommen von 70 000 neu bei 56 000 Franken.
- Der Sparprozess im BVG basiert auf dem BVG-versicherten Verdienst und altersabhängigen Spargutschriften in Prozent dieses Verdiensts. Die BVG-Revision sieht vor, dieses System schlanker auszugestalten und nur noch zwei anstelle von aktuell vier unterschiedlichen Alterskategorien einzuführen.
- Sogenannte Übergangsjahrgänge erhalten im Zuge dieser BVG-Revision finanzielle Ausgleichsmassnahmen in Form von Rentenzuschlägen. Diese sollen dabei vom angesparten Altersguthaben abhängen. Je tiefer das angesparte Altersguthaben zum Pensionszeitpunkt ist, desto höher ist der Rentenzuschlag. Ab einer gewissen Höhe des angesparten Altersguthabens werden für Personen innerhalb dieser Übergangsgeneration hingegen keine Zuschläge gewährt.
Fazit
Ob weitere historische Abstimmungssonntage im Jahr 2024 folgen, wird sich zeigen. Die Prognosen und die Publikationen von mehr oder weniger repräsentativen Umfragewerten werden sich in kommender Zeit sicherlich häufen. Fakt ist, dass die Zunahme an Abstimmungen über sozialversicherungsrechtliche Themen den Anschein erweckt, als ob unser Sozialversicherungssystem allenfalls eine gesamthafte Reformierung oder gar eine Neuausrichtung nötig hätte. Ein Blick in die Glaskugel wäre enorm spannend. Spätestens im Herbst sind wir diesbezüglich vermutlich ein wenig schlauer, aber aufgrund der unzähligen politischen Debatten, Berichterstattungen und Abstimmungskampagnen zu diesen Themen vielleicht auch etwas übersättigt.