Zwei Stunden können viel verändern
Viele Berufstätige würden sich gerne sozial engagieren, fürchten aber den Zeitaufwand. Doch man muss ja nicht gleich ein grosses Ehrenamt übernehmen. Schon wenige Stunden im Monat können viel bewirken. Und ausserdem: Sich freiwillig einzubringen, hilft nicht nur anderen – es macht auch die Helfer glücklich.
Dem Bundesamt für Statistik zufolge leistet ein Drittel der Schweizer Wohnbevölkerung regelmässig freiwillige Arbeit. 20 Prozent tun dies in Vereinen, Kirchen oder anderen gemeinnützigen Organisationen. Für eine 2011 veröffentlichte Studie befragten die Statistiker die Engagierten auch nach ihrer Motivation. Und siehe da: Der mit mehr als 80 Prozent am häufigsten angegebene Grund war «Spass an der Tätigkeit», gefolgt von «Mit anderen etwas bewegen» (74 Prozent).
Nicht mehr als sechs Stunden
Doch wie findet man eine Aufgabe, die einem liegt? Die grösste schweizweite Dachorganisation für Freiwilligenarbeit ist Benevol. Das Netzwerk arbeitet mit Institutionen aus nahezu allen sozialen Bereichen. Oft werden die Kontaktstellen von Privatpersonen getragen, in manchen Städten sind sie bei der Stadtverwaltung angesiedelt. Die Organisation bietet mehrmals im Jahr Infoabende an, bei denen sich teilnehmende Partner vorstellen. Man kann aber auch jederzeit einen Termin ausmachen, sich beraten und vermitteln lassen.
Zum Beispiel bei Simone Gschwend, Fachmitarbeiterin von Benevol Stadt Zürich. «Viele Berufstätige, die einen administrativen Job haben, wünschen sich zum Ausgleich eine Tätigkeit, die sie mit Menschen zusammenbringt», hat sie beobachtet. Im Angebot hat sie auch viele Tätigkeiten, die man neben dem Hauptberuf flexibel und mit kleinem Zeitaufwand ausüben kann. «Eine Aufgabe kann man schon mit ein bis zwei Stunden Zeit pro Woche übernehmen. Wer berufstätig ist und dazu noch Familie hat, dem würde ich mehr auch nicht empfehlen.» Aber sie sieht auch eine Obergrenze: «Mehr als sechs Stunden pro Woche sollten es generell nicht sein. Freiwilligenarbeit soll schliesslich nicht in Konkurrenz zu Erwerbsarbeit treten», betont sie. Neueinsteiger könnten sich auch zuerst einmal zeitlich begrenzt verpflichten, um zu sehen, ob ihnen die Aufgabe liegt.
Wer sich zum Beispiel gerne um Senioren oder Kranke kümmern möchte, kann sich in einem Besuchsdienst engagieren. Termine für Besuche im Seniorenheim können flexibel ausgemacht werden. Oder man meldet sich bei einem Fahrdienst, um ab und zu jemanden zum Arzt zu fahren oder beim Einkauf zu begleiten.
Genauso individuell planbar ist die Betreuung von Einzelpersonen, zum Beispiel von Migranten, die Unterstützung bei der Integration benötigen. «Man besucht einmal in der Woche eine Familie oder eine Person und spricht einfach etwas mit ihnen, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.»
Wer Teilzeit arbeitet und auch früher am Tag regelmässig Zeit hat, kann Hausaufgabenhilfe für Kinder von Migranten und sozial Schwachen geben, zum Beispiel in der Kinderbetreuung der «Arche Zürich».
Für Tierliebhaber bietet sich eine freiwillige Mitarbeit im Tierheim oder im Zoo an. «Der Zürcher Zoo arbeitet zum Beispiel viel mit freiwilligen Helfern, die an Infoständen über Tiere informieren, bei Kindergeburtstagen mithelfen oder allgemeine Ansprechpartner für die Besucher sind», weiss Simone Gschwend.
Helfen gepaart mit Eigennutz
Wer berufliche Qualifikationen einbringen will, kann sich einem Schreibdienst eines sozialen Dienstes oder eines Gemeinschaftszentrums anschliessen. Dabei helfen die Freiwilligen Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen oder Leseproblemen zum Beispiel dabei, Behördenbriefe zu verstehen und zu bearbeiten oder Bewerbungen zu schreiben.
Simone Gschwend selbst engagiert sich ehrenamtlich in der Entwicklungsarbeit. Neben ihrer Stelle bei Benevol ist sie Präsidentin des Vereins Xela, der Bildungsprojekte in Guatemala fördert. «Aktuell suchen wir Personen, die sich im Bereich Fundraising engagieren oder das Aktuariat übernehmen.»
Und was macht die unbezahlten Helfer glücklich? «Es ist sehr wichtig, dass Freiwillige regelmässig Anerkennung in ihrer Arbeit erfahren,» betont Simone Gschwend. Die Fachbereiche von Benevol zeichnen ihre verdienten Mitarbeiter deshalb auch mit Ehrungen aus und veranstalten kleine Dankanlässe für alle. Wertschätzung hält bei der Stange – das ist auch das Ergebnis einer Studie zum Thema der ETH Zürich von 2012: Wer sich von seinem direkten Ansprechpartner anerkannt fühlt, identifiziert sich mehr mit der Organisation. Allerdings: Zufrieden mit der Freiwilligenarbeit allgemein machte es die Befragten vor allem, dass sie Anerkennung dafür von ihrem privaten Umfeld bekamen.
Und laut Simone Gschwend gibt es noch etwas, das potenzielle Helfer immer mehr schätzen: Weiterbildungsangebote. Damit bereitet man die Helfer nämlich nicht nur auf ihre Aufgaben vor, das Gelernte kann auch für die Berufsarbeit wertvoll sein. Eventuell kann es sogar den Lebenslauf aufpeppen, sei es mit Soft Skills wie interkulturelle Kompetenz oder mit Hard Skills wie die Kenntnisse der aktuellen Rechtslage zu einem Thema. «Vor allem junge Menschen, die sich heute freiwillig engagieren, tun dies nicht nur, weil sie anderen helfen wollen, sondern suchen dabei auch gezielt nach einem Nutzen für sich selbst», berichtet Simone Gschwend. Das sei aber durchaus legitim: «Freiwilligenarbeit sollte eine Win-Win-Situation sein.»
Interview mit Petra Gysin – freiwillige Helferin bei NetAP
Petra Gysin liebt Tiere. Auf dem Bauernhof der Eltern der 36-jährigen Assistentin steht ihr Pferd Bazil, auf einem anderen Hof hält sie ihr Pony Britta. Die Tierärztin, die Bazil behandelt, machte sie auf den Tierschutzverein NetAP aufmerksam, für den sie selbst oft im Einsatz ist. Seit rund drei Jahren ist Petra Gysin nun auch dabei.
Sie engagieren sich ehrenamtlich für den Tierschutz. Welche Aufgaben übernehmen Sie?
Der Verein beteiligt sich häufig an Flohmärkten und verwendet die Erlöse für seine Projekte. Wenn jemand dafür Sachspenden abzugeben hat, hole ich sie mit dem Auto ab. Auch beim Verkauf bin ich dabei, etwa zwei bis drei Mal im Jahr.
Gibt es auch Einzelaktionen, bei denen Sie mitmachen?
Im Juli habe ich an einem Einsatz zur Kastration von verwilderten Katzen teilgenommen. Viele Halter lassen ihre Hauskatzen nicht kastrieren, und die paaren sich dann mit verwilderten Tieren. Der Nachwuchs hat kein schönes Leben, ist oft krank und unterernährt. Die Tierärzte von NetAP führen deshalb Kastrations-Aktionen an wilden Katzen durch. Ich habe dabei zum Beispiel Impfdosen vorbereitet, den Tieren für die Operation den Bauch geschoren und das OP-Besteck gereinigt. Danach habe ich die behandelten Tiere markiert. Wir waren von 8 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts unterwegs!
Wie integrieren Sie Ihr freiwilliges Engagement in Ihren Zeitplan?
Ich arbeite als Assistentin in einem Architekturbüro. Seit meine Tochter auf der Welt ist, habe ich eine 30-Prozent-Stelle. Für NetAP bin ich recht flexibel im Einsatz: Mal gibt es zwei Wochen nichts, dann wieder in einer Woche sehr viel zu tun. Wenn ich Sachspenden abhole, nehme ich meine Tochter auch schon mal mit. Hätte ich eine volle Stelle, würde das auch gehen – dann müsste ich eben etwas weiter im Voraus planen.
Warum engagieren Sie sich freiwillig?
Es ist ein gutes Gefühl, wenigstens einen kleinen Beitrag leisten zu können gegen die Missstände, die es gibt. Ich finde es auch besonders wichtig, dass sich NetAP auch um vernachlässigte Nutztiere kümmert, die sonst oft vergessen werden. Im September helfe ich deshalb auch dabei, im Nutztier-Refugium des Vereins ein neues Schweinegehege zu bauen. Zäune aufbauen oder etwas anstreichen, das habe ich schon auf dem Bauernhof meiner Eltern gemacht.