Personalvermittlung

Wer tut es sich an, für einen schwierigen Chef zu arbeiten?

Ramona Baumgartner rekrutiert Assistenzfachkräfte. Im Interview gibt sie Einblicke in ihre Arbeit und verrät, warum der erste Eindruck nicht immer der richtige ist und wann sich eine zweite Chance lohnt. 

Woran merke ich als Bewerber, ob ein Unternehmen zu mir passt?  

Ramona Baumgartner: Das ist von vielen Faktoren abhängig und lässt sich so einfach nicht beantworten. Für den Assistenzbereich erscheint es mir allerdings in erster Linie wichtig, dass die Chemie zwischen dem Bewerber und dem Vorgesetzten stimmt. Man sollte sich vom ersten Moment an vorstellen können, eng zusammenzuarbeiten. Ist das nicht gegeben, wird es schwierig, bzw. sind weitere Entscheidungsfaktoren sekundär.

Gibt es in solchen Fällen noch eine zweite Chance oder hat sich der Fall dann erledigt? 

Der erste Eindruck ist prägend, aber er kann durch äussere Bedingungen verzerrt sein. Vielleicht war die Kandidatin selbst nervös, hatte Stress zuhause oder beim aktuellen Arbeitgeber und bringt diese negative Haltung ins Interview mit. Oder es kann sein, dass der Vorgesetzte gehetzt von einem anderen Meeting in das Gespräch geht und sich vielleicht nicht genug Zeit genommen hat, sich vorzubereiten. In solchen Fällen schadet eine zweite Chance nicht. Entweder bestätigt sich dann der erste Eindruck oder man findet vielleicht doch noch die emotionale Schnittstelle, die man für die Zusammenarbeit braucht. 

Wie ehrlich sind Sie zu den Bewerbern, wenn Sie merken, dass die Stimmung im Unternehmen nicht die Beste ist?

Grundsätzlich unterscheide ich zwischen Unternehmen, die sehr dynamisch sind, in denen es keine 9 to 5 -Jobs gibt und erwartet wird, dass man über die vorgeschriebenen Sollstunden arbeitet. Das mag fordernd sein, sagt aber nichts darüber aus, welche Stimmung dort herrscht. Auf der anderen Seite stehen natürlich Unternehmen, die tatsächlich schwierige Personen in der Unternehmensführung haben. Dazu geben wir den Kandidaten in jedem Fall vor dem Gespräch wichtige Eckpunkte mit, denn wir wollen sie so gut wie möglich auf die Situation vor Ort vorbereiten. Auch gegenüber den Unternehmen sind wir transparent, denn schnelle Erfolge nützen uns nichts und würden negativ auf uns zurückfallen. Wir nennen das Kind beim Namen und das zahlt sich langfristig immer auch aus. 

Gibt es Unternehmen, mit welchen Sie eine Zusammenarbeit als schwierig erachten?

Wenn wir auf Mandatsbasis suchen, also die einzige Personalvermittlung sind, die im Auftrag des Unternehmens sucht, finden wir auf jeden Fall auch für schwierige Töpfe einen Deckel. Es ist in diesem Fall unvermeidlich, die Situation beim Unternehmen dem Kandidaten im Vorfeld gut zu beleuchten und sie darauf vorzubereiten.

Wer tut es sich denn an, für einen Chef zu arbeiten, der von vornherein schon als schwierig gilt? 

Das sind natürlich eher gestandene Persönlichkeiten, mit viel Erfahrung. Diese braucht es auch, um das Verhalten von schwierigen Vorgesetzten nicht auf sich zu beziehen und dem standzuhalten. In der Regel sind es Kandidatinnen ab 40, wobei es natürlich keine Regel ohne Ausnahme gibt. In jedem Fall sind es Kandidaten, welche auch eine gewisse Herausforderung darin sehen und Konfrontationen nicht scheuen.

Haben Sie das Gefühl, Bewerber sind während des Interviews so sehr mit der eigenen Wirkung beschäftigt, dass Sie zu wenig über das Unternehmen in Erfahrung bringen? 

Das gibt es natürlich. Von Seiten des Unternehmens kommt dann oft das Feedback, dass sich die Kandidatin scheinbar nicht so sehr für das Unternehmen interessiert hat bzw. sich nicht gut auf das Gespräch vorbereitet hat. Für viele ist es tatsächlich sekundär, was die Unternehmung macht oder produziert, der Fokus liegt hauptsächlich auf der  Führungsperson. Auf der anderen Seite gibt es Kandidaten, die sich so extrem vorbereiten, dass es dann schon wieder zu viel ist. Je nachdem kann das sogar verzweifelt wirken, so als würden sie mit allen Mitteln versuchen, eine Stelle zu bekommen. Das kommt dann auch nicht so gut an. 

Es gibt natürlich Menschen, die tatsächlich dringend einen Job brauchen. Machen Sie dann den Unternehmen klar, dass es ja nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss, wenn jemand dringend Arbeit sucht? 

Das hat sich extrem gewandelt. Wir haben Fachkräftemangel, die Bewerber müssen sich nicht beim Unternehmen bewerben, die Unternehmen müssen sich eher bei den Kandidaten bewerben. Seit Corona ist es den Kandidaten ausserdem sehr wichtig, dass sie einen modernen Arbeitgeber haben, der auch Homeoffice anbietet. Die eigene Freiheit und Gesundheit haben enorm an Wichtigkeit gewonnen. Nur wegen des Geldes wechselt fast niemand mehr den Job. 

Fällt es grossen Unternehmen leichter, mit HR-Abteilung etc. sich gut darzustellen, auch wenn vieles im Argen liegt? 

Das ist schwierig zu beantworten. Natürlich haben grössere Unternehmen die entsprechenden Ressourcen, das Unternehmen nach aussen gut wirken zu lassen und sich mit gezieltem Employer Branding als Top-Arbeitgeber zu positionieren. Aber auf Dauer lassen sich solche Bilder nicht aufrechterhalten. Ich denke, im Gespräch kann man durch gezielte Fragestellungen herausfinden, was wirklich dahinter steckt. Einer smarten Assistentin wird nicht verborgen bleiben, ob das Unternehmen authentisch ist oder nicht. 
 
  

Zur Person

Ramona Baumgartner ist Geschäftsführerin der Human Professional Personalberatung AG und seit 2017 im Unternehmen tätig. Seit Beginn ihrer Tätigkeit rekrutiert sie neben ihrer Führungsrolle auch selbst im Assistenz-Bereich. 

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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