Recht

Wenn zwei sich streiten...

Auseinandersetzungen enden oft vor Gericht. Dabei ist das der denkbar schlechteste Fall, denn er ist teuer und am Ende entscheidet jemand, der mit der Sache nichts zu tun hat. Das liesse sich oft verhindern – mit Mediation. 
Doch was verbirgt sich hinter diesem oft gehörten Begriff?

Mediation ist ein Verfahren, das bei der Lösung von Konflikten angewendet wird. In der Mediation suchen die Parteien eine eigene Lösung für ihren Konflikt. Der Mediator oder die Mediatorin ist neutral und allparteilich und unterstützt die Parteien bei der Lösungsfindung. Die geschieht durch ein strukturiertes, vertrauliches Verfahren. Das Ziel ist es, dass die Parteien tragfähige Lösungen erarbeiten, indem sie einen Konsens finden. Was heisst das konkret?

Üblicherweise wird in einem Konflikt von jeder Partei ihre Position genannt: Das berühmte Beispiel ist das der Orange: Beide Parteien wollen die Orange. Die übliche Lösung eines solche Konflikts wäre ein Kompromiss: Jeder bekommt die halbe Orange.
Bei der Mediation versucht man, mithilfe des strukturierten Verfahrens herauszufinden, was die Interessen hinter den Positionen sind. Damit will man einerseits, dass die jeweils andere Seite den Standpunkt des anderen wieder oder das erste Mal überhaupt hört und vielleicht sogar versteht. Denn in Konflikten verschliessen sich die Parteien oft und hören dem anderen überhaupt nicht mehr zu. Andererseits gibt das Darlegen der Interessen auch die Möglichkeit, kreativere Lösungen zu finden. Denn vielleicht will ja die eine Seite den Saft der Orange und die andere Seite deren Schale.

Eigene Lösung finden

Im Unterschied zu einem Richter oder einer Richterin, die einen Lösungsvorschlag macht (Vergleich) und auch entscheiden kann, kann der Mediator oder die Mediatorin die Parteien nur dabei unterstützen, ihre eigene Lösung zu finden, bei der anstelle eines Kompromisses ein Konsens gefunden wird. Eine gewisse Grundbereitschaft und Offenheit, sich auf das Verfahren einzulassen, muss deshalb bei den Parteien vorhanden sein. Die Mediation ist damit heute eine echte Alternative zu üblichen Konfliktlösungsverfahren, die oft kostspielig und inhaltlich unbefriedigend sind.

Der Mediator oder die Mediatorin selbst muss neutral sein und allparteilich (also unparteiisch). Er oder sie führt durch das Verfahren, gibt aber selber keine Kommentare oder Lösungsvorschläge ab. Das ist zunächst für in der Beratung tätige Leute gar nicht so einfach, es kann aber auch eine gewisse Entlastung sein, denn für die Lösung sind die Parteien damit auch selbst zuständig und verantwortlich. Und: Lösungen, die die Parteien selber erarbeiten, sind mit Sicherheit tragfähiger als Lösungen, die ihnen vorgeschrieben werden.

Am Schluss eines Mediationsverfahrens formuliert man meist einen Einigungsvertrag. Dieser kann sehr kurz sein oder auch sehr umfangreich. Wenn zusätzliche rechtliche Abklärungen notwendig sind, werden diese durch die entsprechenden Spezialisten vorgenommen und entweder formuliert ein Anwalt oder eine Anwältin die Vereinbarung oder diese wird in den Mediationsvertrag integriert.

Eskalation vermeiden

In welchen Bereichen wird heute ein Mediationsverfahren angewendet? Mediationen sind in Ehekonflikten respektive bei der Erarbeitung von Scheidungskonventionen heute in der Praxis sehr verbreitet. Aber es gibt auch weitere Konfliktfelder, in denen man Mediationsverfahren anwenden kann: bei Familienkonflikten, Nachbarschaftsstreitigkeiten, bei Erbschaftsthemen, aber auch bei Konflikten in Schulen, in der Landwirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung und im Gesundheitswesen.

Auch in der Wirtschaft kann die Mediation angewendet werden: Bei Konflikten zwischen Unternehmen, zwischen Gesellschaftern von Unternehmen, aber auch bei Arbeitskonflikten, das heisst Konflikten zwischen Sozialpartnern oder auch zwischen Arbeitnehmern in einem Team etcetera.

Wichtig ist, dass der Auftrag am Anfang sauber geklärt wird und eine klare Abgrenzung zu anderen Verfahren erfolgt, wie zum Beispiel zu einer Teamentwicklung oder einem Führungscoaching. Mediation ist nicht in jeder Situation geeignet, sondern die Voraussetzungen für eine solche müssen am Anfang geklärt werden.

Geeignet ist die Mediation zum Beispiel bei Verhandlungen oder Konflikten, die festgefahren sind, bei denen aber eine Eskalation vermieden werden soll und eine Einigung gesucht wird, bei der beide oder bei mehreren alle Parteien ihr Gesicht wahren können und wo man zum Beispiel vertrauliche Verhandlungen wünscht. Sodann bestimmen die Parteien selber über ihre Lösung und können je nachdem auch Kosten für aufwändige Gerichtsverfahren sparen.

Aber Achtung: Eine Mediation ist kein Streichelzoo, es geht auch zur Sache, denn der Konflikt hat eine gewisse Bedeutung und ist festgefahren, sonst könnten die Parteien ihn ja selber lösen. Das Mediationsverfahren hilft durch seine klare Struktur, den anderen wieder zu hören und damit verhärtete Fronten aufzubrechen. Das tönt alles schön und gut, aber was heisst das konkret?

Man kann viele Bücher über Mediation lesen. Aber wirklich lernen kann man sie nur in der Praxis. In der Ausbildung übt man deshalb anhand von Fällen, die man oft in Rollenspielen nachspielt. Der Mediator oder die Mediatorin schlüpft dann auch einmal in die Rolle der Konfliktpartei. Hierbei wird klar, wie unterschiedlich dieselbe Situation wahrgenommen wird, je nachdem, welchen Hut man aufhat: Als Konfliktpartei ist man oft gefangen in seinem Standpunkt respektive will man seine eigene Position durchsetzen und dem Mediator klarmachen, dass man im Recht ist und die andere Partei eben nicht. Diese Blockade muss man auflösen und dabei hilft eben genau das strukturierte Verfahren. Als Mediator möchte man die Welt und die Parteien von der Grossartigkeit des Mediationsverfahrens überzeugen. Die Parteien hören aber nichts, solange sie nicht das Gefühl bekommen, selbst gehört zu werden.

Mit eigenen Fällen üben

Deshalb übt man in der Ausbildung das Mediationsverfahren anhand von Fällen aus der Praxis, welche die Dozenten selbst erlebt haben, und tauscht sich dann in der Gruppe, auch in Supervision, in der man das eigene Handeln reflektiert, darüber aus und kann so das korrekte Verhalten erlernen und sich anhand der Erlebnisse selbst verbessern. Sodann werden grundlegende Kenntnisse der Konflikt- und Wahrnehmungstheorie sowie der Kommunikation erlernt.

Last, but not least prüfen und anerkennen die Berufsverbände die verschiedenen Ausbildungen. In der Schweiz ist das zum Beispiel der Schweizerische Dachverband Mediation SDM-FSM (infomediation.ch), in Deutschland der Bundesverband Mediation (bmev.de) oder die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (bafm-mediation.de).

Ablauf einer Meditation

  • 
Informationsgespräch, 
Einigung über Ablauf und Regeln
  • 
Ermitteln der Themen 
und -Streitpunkte
  • 
Klären von Interessen 
und -Bedürfnissen
  • 
Kreative Suchen nach Ideen 
und Lösungen
  • Bewerten und Auswählen
  • 
Abschliessen und Umsetzen 
einer rechtsverbindlichen 
Lösung
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Marion Morad-Marquardt ist Rechtsanwältin, MBA HSG mit Spezialgebiet Arbeitsrecht und eigener Anwaltskanzlei in Zürich. Sie berät vorwiegend Unternehmen in Fragen des Arbeitsrechts und des allgemeinen Wirtschaftsrechts. www.morad-law.ch

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