Wenn Verben sterben
In der schriftlichen Kommunikation sind Verben auf dem Rückzug. Stattdessen machen sich Substantivierungen breit. Doch sie lassen Texte schwerfällig und kompliziert klingen.
«Durch die Anwendung unseres Know-hows und die Durchführung des Projekts sind wir der Zielerreichung wieder ein Stück näher gekommen.» Hä?
Schriftliche Kommunikation sieht heute oft so aus wie der obige Satz: Texte strotzen nur so vor Substantiven (Nomen) – sagen dabei aber erschreckend wenig aus und klingen obendrein ziemlich kompliziert. Gerade wenn Unternehmen der Aussenwelt etwas mitteilen möchten, tauchen oft ganz viele dieser vermeintlich (ge)-wichtigen Wörter auf. Beeinträchtigung, Berücksichtigung, Gewährung, Bereitstellung: Die Liste ist endlos. Jeder kennt diese Wörter, jeder hat sie schon einmal verwendet. Und so sind wir es gewohnt, zu lesen und auch zu schreiben: «Das führte zu einer Beeinträchtigung» oder «Wir haben ein Sparprogramm initiiert». Dabei könnte man auch einfach sagen: «Das beeinträchtigte» oder «Wir haben angefangen zu sparen».
Sperrig, unpersönlich, steif
Grundsätzlich sollte man misstrauisch werden, wenn jemand versucht, Einfaches kompliziert auszudrücken. Anwälten und anderen Rechtsgelehrten sei einmal verziehen, die können nicht anders, denn ihr Fach verlangt absolute Korrektheit. Auch über die Unter nehmensberater schauen wir mal grosszügig hinweg, für irgendwas müssen die schliesslich auch ihr Geld bekommen – und sei es nur für die gnadenlose Verschwurbelung der Sprache. Alle anderen können im Kleinen immer wieder dagegen ankämpfen. Wer einmal darauf achtet, wird sehen: Es gibt viel zu tun.
Generell sollte ein Text nicht zu viele Wörter, die auf -ung, -heit, -keit, -ät oder -mus enden, enthalten. Sie wirken sperrig, unpersönlich und steif. Zum Beispiel so: «Unser Produkt besticht durch hohe Belastbarkeit und perfekte Verarbeitung. Das Funktionieren ist immer gesichert.» Eine wenig aufregende Botschaft, die leider unnötig aufgeblasen ist. «Unser Produkt ist belastbar, perfekt verarbeitet und funktioniert immer» hätte auch gereicht.
Sinnentleerte Verben
Das Phänomen bezeichnet der Duden als Nominalstil. Bisweilen kommen dabei merkwürdig anmutende Konstruktionen heraus: die Nichtbefolgung, die Zurverfügungstellung oder die Inbetriebsetzung zum Beispiel.
Eine besondere Form des Nominalstils sind sogenannte Funktionsverbgefüge. Wer bei diesem Wort nicht weiterlesen will, ist entschuldigt – verpasst aber einiges.
Beispiele für solche Funktionsverbgefüge sind: «in Erwägung ziehen», «unter Beweis stellen» oder «zum Abschluss bringen». Die Verben erwägen, beweisen und abschliessen werden hier zu Substantiven gemacht, denen dann wieder ein sinnentleertes Verb (ziehen, stellen, bringen) angehängt wird. Voilà, fertig ist das Funktionsverbgefüge; umständliche Konstruktionen, die jedem Text Schwung und Lebendigkeit austreiben.
Nun mag man einwenden, dass «zum Abschluss bringen» nicht zu 100 Prozent das gleiche aussagt wie «abschliessen». Und das stimmt. Bei Ersterem ist der tatsächliche Abschluss ein bisschen unkonkreter, vielleicht noch in zeitlicher Ferne. Manchmal, aber nur manchmal haben diese Gefüge also ihre Berechtigung. Aber bei Weitem nicht so oft, wie man sie liest.