Sportunfall und dann?
Sport muss definitiv nicht Mord sein, auch wenn Sir Winston Churchill etwas anderes behauptete. Diskussionslos haben sportliche Betätigungen viele positive Komponenten, wenn da nicht das Unfallrisiko wäre …
Unfälle passieren nie glücklich. Dazu kommt noch die rechtliche Komplexität. Denn was im rechtlichen Sinne ein Unfall überhaupt ist, ist nicht so einfach zu definieren. Das Unfallversicherungsgesetz gibt vor, wann ein Schadenereignis als Unfall gilt. Im Wortlaut heisst es: «Ein Unfall ist eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen und psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.» Alles klar bis hier hin?
Unfall oder nicht?
Im Sozialversicherungsrecht ist die meistdiskutierte Frage, ob ein Ereignis mit Körperschädigung denn auch effektiv als Unfall gilt oder eben nicht. Über die Jahre haben sich mehrere hundert Seiten an Bundesgerichtsurteilen angesammelt, die sich genau mit dieser Frage auseinandergesetzt haben.
Denn nicht alles, was in unserem Sprachgebrauch als Unfall bezeichnet wird, erfüllt die rechtlichen Kriterien. Ist das Schadenereignis nicht durch eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper entstanden, so liegt rechtlich gesehen kein Unfall vor, sondern eine Krankheit.
800 000 Unfälle
Die Unfallstatistik aus dem Jahr 2020 zeigt, dass die Anzahl Unfälle in der Freizeit nahezu doppelt so hoch ist wie die Anzahl Berufsunfälle. So wurden im Jahr 2020 insgesamt über 800 000 Unfälle registriert, wovon sich knapp über 520 000 Unfälle in der Freizeit ereignet haben. Sind wir also ein Volk von risikofreudigen Freizeitsportlern? Mitnichten, denn als Freizeitunfälle gelten alle Unfälle, die sich eben nicht bei der Ausübung der Arbeit zugetragen haben. Am Feierabend zu Hause in der Küche beim Gemüseschneiden in den Finger geschnitten? Freizeitunfall. Am Freitagabend während des Wochenendeinkaufs beim Grossverteiler auf der Treppe gestolpert und hingefallen? Genau, ebenfalls ein Freizeitunfall.
Gemäss der Unfallstatistik sind wir alle auf irgendeine Art und Weise sportlich aktiv. Denn die Statistik zeigt, dass Freizeitunfälle bei Tätigkeiten, die mit dem Überbegriff «Sport und Spiel» definiert werden, Platz 1 im Ranking einnehmen. Besonders angetan sind wir, so zumindest «unfallstatistisch erwiesen», von Wintersportarten und Ballsport jeglicher Art. Denn beim Skifahren und Fussballspielen tragen sich die meisten Unfälle zu.
Kostenabdeckung
Wer erwerbstätig ist, ist über den Arbeitgeber unfallversichert. Aber nicht jede Person, die erwerbstätig ist, ist vollumfänglich gegen Unfälle abgedeckt. So sind Arbeitnehmende, die mehr als acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber erwerbstätig sind, sowohl gegen Unfälle am Arbeitsplatz als auch gegen Freizeitunfälle versichert. Wer weniger als acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber angestellt ist, ist über die Unfallversicherung des Arbeitgebers nicht gegen Freizeitunfälle abgedeckt. Diese Personen müssen dafür sorgen, dass sie das Unfallrisiko in ihrer Krankenkasse mitversichern lassen.
Solange nichts passiert, scheinen Versicherungen ein notwendiges Übel zu sein. Wenn sich aber ein Unfall ereignet, dann ist man oftmals positiv überrascht, welche Leistungen von der Unfallversicherung des Arbeitgebers übernommen werden. Bei einem leichten Unfall, wie beispielsweise einem verstauchten Handgelenk vom Volleyballtraining, werden die Heilungskosten bezahlt. Darunter fallen etwa die Arztkosten und die Medikamente.
Erleidet jemand einen Skiunfall und fällt mit gebrochener Schulter für eine gewisse Zeit aus, werden zusätzliche Behandlungen wie etwa der Spitalaufenthalt, die Operation oder auch ein Teil des Lohnausfalls übernommen. Schwerwiegende Unfälle, die dazu führen, dass die verunfallte Person invalide wird, lassen zudem den Anspruch auf eine entsprechende lebenslange Invalidenrente entstehen, die von der IV und zusätzlich von der Unfallversicherung nach UVG ausbezahlt wird. Im schlimmsten Fall, nämlich bei einem Todesfall aufgrund eines Unfallereignisses, erhalten die Hinterbliebenen unter Umständen Hinterlassenenrenten. Es mag zwar etwas makaber klingen, aber: Stirbt eine versicherte Person bei einem Unfall, übernimmt der Unfallversicherer sogar einen Teil der Bestattungskosten.
Kein Unfall – und jetzt?
Geklärt ist nun, was ein Unfall ist und was über die Unfallversicherung abgedeckt ist. Was aber, wenn die rechtlichen Kriterien eines Unfalls nicht erfüllt sind? Dann sind keine Leistungen fällig. In einem solchen Fall ist die Krankenkasse leistungspflichtig. Der Leistungskatalog der Krankenkasse ist jedoch komplett anders als der Leistungsumfang der Unfallversicherung nach UVG. Und schon sind wir beim zweiten Problem: Wer weniger als acht Stunden pro Woche beim gleichen Arbeitgeber tätig ist, ist nicht gegen Freizeitunfälle über dessen Unfallversicherer abgedeckt. Bricht sich jemand am Wochenende bei einer Velotour das Bein, der nur für einen halben Tag bei einem Arbeitgeber angestellt ist und keinem anderen Erwerb nachgeht, so wird die Krankenkasse für gewisse Leistungen aufkommen. Aber eben nicht in einer gleich umfassenden Art und Weise wie die Unfallversicherung des Arbeitgebers.
Unfallstatistiken oder potenzielle Risiken, die sich hoffentlich nie verwirklichen, sollen keinesfalls den Effekt haben, dass man sich während der Freizeit nicht sportlich betätigt. Ein gesundes Mass an Bewegung mit der notwendigen Vorsicht ist immer noch besser, als gar nichts tun. Und wenn der Arbeitgeber nach der sportlichen Betätigung keine Unfallmeldung ausfüllen muss, umso besser.