Internationale Zusammenarbeit

«Sie hat den Job selbst definiert»

Seit 18 Monaten ist Julia Hochreutener die Assistentin von Paul Horgan. Der Chef der Zurich Re ist viel unterwegs, ruft aber nicht wegen jeder Kleinigkeit seine Assistentin an, sondern hilft sich auch mal selbst. 

Frau Hochreutener, Herr Horgan, das Team aus Assistentin und Chef funktioniert oft dann gut, wenn sich die beiden ergänzen. Inwiefern ergänzen Sie sich? 

Julia Hochreutener: Paul ist Amerikaner und erst seit eineinhalb Jahren in der Schweiz. Ich unterstütze ihn also bei allen Dingen, die er auf Deutsch regeln muss, und gebe ihm Tipps in Bezug auf die Schweizer Kultur. 
Paul Horgan: Mein Job ist eine globale Funktion und sehr strategisch ausgerichtet. Also brauche ich als Ergänzung jemanden, der mir bei der Organisation hilft, das Tagesgeschäft am Laufen hält und sicherstellt, dass wir alle Termine einhalten. Und das macht Julia toll. 

Viele Assistentinnen unterstützen ihre Chefs gerade bei den weicheren, zwischenmenschlichen Themen. Ist das bei Ihnen beiden auch so? 

Horgan: Oh, ja. Es gibt immer wieder Situa-tionen, in denen Mitarbeiter enttäuscht oder verärgert sind. Sei es, weil ein Lob zu knapp ausfiel oder sie gerade keinen Termin mehr bei mir bekommen haben. Julia macht mich dann darauf aufmerksam, dass ich das nachhole oder wiedergutmache.

Wünschen Sie sich manchmal, Sie könnten das selbst besser? 

Horgan: Natürlich. In den USA hatte ich es einfacher. Denn hier reden alle Mitarbeiter in ihrer Zweitsprache Englisch mit mir und nicht in ihrer Muttersprache. Das macht es natürlich schwieriger, zwischen den Zeilen zu lesen. 

Frau Hochreutener, kritisieren Sie Ihren Chef auch mal? 

Hochreutener: Nein, er ist doch mein Chef (lacht). Aber ich sage ihm schon ehrlich meine Meinung. 
Horgan: Sie sagt zum Beispiel sehr deutlich, wenn sie meint, es sei an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen und etwas abzuschliessen. Manchmal bin ich vielleicht noch nicht bereit, mich zu entscheiden, aber bei ihr gibt es keine Ausreden.  

Sehen Sie als Amerikaner mit der gewissen Aussensicht etwas typisch Schweizerisches an Ihrer Assistentin? 

Horgan: Sie ist sehr gut organisiert, und was noch wichtiger ist: Sie kann Geheimnisse für sich behalten. Über meinen Schreibtisch gehen viele vertrauliche Dokumente über Mitarbeiter oder Unternehmensergebnisse. Aus meiner Sicht ist sie um einiges vertrauenswürdiger als Mitarbeiter auf der anderen Seite des Ozeans. 

Gibt es weitere Unterschiede zwischen Assistentinnen hier und da? 

Horgan: Nicht nur bei Assistentinnen. Generell habe ich den Eindruck, die Leute hier nehmen ihre Aufgaben sehr, sehr ernst und folgen Vorgaben und Vorschriften sehr aufmerksam. Amerikaner sind da etwas nachlässiger.  

Wie sieht es mit der Wertschätzung gegenüber Assistentinnen aus? 

Horgan: Die Wertschätzung ist hier wie dort sehr hoch. Aber die Erwartungen sind anders. Schweizer Assistentinnen haben von vornherein eine hervorragende Grundbildung und Erziehung, die im Einklang mit dem steht, was im Geschäftsleben erwartet wird. Sie verfügen im besonderen Masse über kulturelles Wissen, das es braucht, um ein perfektes Meeting zu organisieren, für passendes Entertainment zu sorgen oder das richtige Restaurant für ein Geschäftsessen auszuwählen. So etwas kann ich hier einfach voraussetzen. 

Zur Person

Julia Hochreutener ist Executive Assistant bei der Zürich Rückversicherung. Die gelernte Krankenschwester kam durch Umwege vor fünf Jahren zur Zurich Insurance. In ihrer Freizeit geht sie gern Ski fahren, biken, wandern oder spielt Klavier. Sie lebt in Baden. 

Paul Horgan ist Global Head of Group Re-insurance/Global CUO of Casualty bei der Zurich Insurance Company Ltd. Seit 18 Monaten lebt der 49-Jährige mit seiner Frau in der Schweiz. Horgan ist seit 2007 beim Unternehmen.

Wie ist die Funktion auf der anderen Seite des Ozeans?

Horgan: Dort habe ich viel eher einzelne, sehr spezifische Aufgaben an Assistentinnen verteilt und ihnen ganz genau gesagt, was sie wie zu tun haben. Julia hat eine viel strategischere Rolle. Als ich in die Schweiz kam, waren meine Erwartungen viel niedriger. Julia hat den Job im Laufe der Zeit selbst definiert und von sich aus zusätzliche Aufgaben übernommen. 

Wie ist Ihre Zusammenarbeit organisiert? 

Hochreutener: Wir sitzen jeden Morgen eine halbe Stunde zusammen, manchmal, zum Beispiel nach einer längeren Geschäftsreise, auch länger. Dort besprechen wir, was an dem Tag auf uns zukommt und wo die Probleme liegen könnten.

Helfen Sie Ihrem Chef auch bei privaten Problemen? 

Hochreutener: Natürlich. Als Paul in die Schweiz kam, musste er sich ja erst einmal orientieren, und weil er kein Deutsch spricht, habe ich für ihn und seine Frau viel gemanagt und tue das auch noch heute: Arzttermine, Winterreifen aufziehen, Abklärungen mit dem Vermieter. Das geht oft nicht auf Englisch. 
Horgan: Ich habe einen Rund-um-die-Uhr-Job, da ist es schwer, Geschäftliches und Privates nicht miteinander zu vermischen. Und ich habe nur einen Kalender, in dem beides Platz finden muss. Alle wichtigen persönlichen Daten stehen dort drin. Und auch wenn ich Julia noch nie gebeten habe, ein Geschenk für meine Frau zu kaufen, stellt sie immerhin sicher, dass ich mich rechtzeitig selbst darum kümmere. 

Diskutieren Sie Probleme mit ihr? 

Horgan: Ja, sie ist oft die Einzige, die weiss, was bei mir läuft. Vieles ist extrem vertraulich, also kann ich mich nur mit ihr austauschen. 

Frau Hochreutener, unterstützt Zurich als Unternehmen Sie bei Weiterbildungen? 

Hochreutener: Absolut. Ich besuche regelmässig interne Weiterbildungen und gehe einmal im Jahr zum Office Management Kongress der zfu.  
Horgan: Und wenn sie zurückkommt, verändert sie ihre Abläufe. Letztes Jahr beispielsweise hat sie unsere täglichen Meetings eingeführt. Durch den besseren Austausch kann sie effizienter arbeiten. Wichtig ist mir allerdings, dass eine Assistentin selbst vorschlägt, welche Weiterbildungen sie besuchen möchte. Das ist der erste Schritt, ich würde es nicht von mir aus vorschlagen. 

Was schätzen Sie besonders an Ihrer Assistentin?

Horgan: Ich wollte eine Assistentin, die in meinem Büro dafür sorgt, dass sich die Menschen, mit denen ich zu tun habe, willkommen fühlen – sei es am Telefon, per Mail oder persönlich. Und das macht sie sehr gut. 

Hilft Sie Ihnen dabei, einen besseren Ruf zu haben? 

Horgan: Sehr. Wenn ich Leute treffe, die zuvor mit ihr zu tun hatten, höre ich oft Lob über ihre Arbeit. Ausserdem geht mein Gegenüber dann davon aus, dass ich ein guter Typ bin (lacht). 

Wie zeigen Sie Ihre Anerkennung? Kaufen Sie Blumen? 

Horgan: Ich sollte (lacht). Aber auf jeden Fall sage ich ihr oft, dass sie wirklich eine tolle Arbeit macht, oder nehme sie mit zu spannenden Veranstaltungen. 

Frau Hochreutener, was macht umgekehrt überhaupt einen guten Chef aus? 

Hochreutener: Dass er meine Arbeit schätzt und mir zuhört. Dass Paul auch noch Sinn für Humor hat, macht es obendrein unterhaltsam, mit ihm zu arbeiten. 

Ist Herr Horgan einer dieser Chefs, die mitten in der Nacht von anderen Kontinenten aus anrufen? 

Hochreutener: Nein. 
Horgan: Aber wenn, dann würde ich eine gute Antwort bekommen. 
Hochreutener: Sogar im Gegenteil. Einmal hat er einen Flug nach Sydney verpasst, und als ich am nächsten Morgen sein Mail las, dachte ich: «Warum hat er denn nicht angerufen?» 

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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