Reverse Mentoring: Wenn alt von jung lernt
Märkte, Geschäftsmodelle und Technologien entwickeln sich rasant. Wer mithalten will, braucht einen offenen Geist. Junge Mitarbeitende bringen diesen oft mit und können durch Reverse Mentoring dazu beitragen, auch die Älteren durch den Wandel zu begleiten.
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wirklich? Die Gehirnforschung weiss mittlerweile, dass unsere grauen Zellen bis ins hohe Alter lernfähig bleiben. Hans hat also alle Chancen, noch aufzuholen, was Hänschen nicht gelernt hat.
Genau da setzt das so genannte Reverse Mentoring an. Während beim klassischen Mentoring eine erfahrene Arbeitskollegin ihr Wissen an einen Berufseinsteiger weitergibt, funktioniert es hier genau andersherum: Jüngere Mitarbeitende vermitteln ihren zumeist älteren Mitarbeitenden Knowhow – oft solches das im Zusammenhang mit der digitalen Transformation steht.
Wer sich jetzt vorstellt, dass ein Trainee dem altgedienten Abteilungsleiter den Umgang mit Google Docs oder Instagram erklärt, verkennt das Potenzial des Ansatzes: «Eine neue Technologie lässt sich jederzeit in einem Workshop vermitteln. Viel wichtiger ist aber, dass der Mindset stimmt und der ändert sich nur durch kontinuierliche Weiterentwicklung», weiss Julian Knorr. Zusammen mit seinem Vater hat er die Firma Onestoptransformation gegründet und berät Unternehmen dabei, Potenziale mithilfe des Mindsets seiner Mitarbeitenden zu entfalten. Doch was genau bedeutet das? «Wir leben im Wandel. Märkte, Geschäftsmodelle und Technologien entwickeln sich exponentiell. Um da mitzuhalten, braucht es Interesse und Offenheit, sich immer wieder auf etwas Neues einzulassen. Junge Menschen bringen diesen Mindset eher mit und können ihn dann an andere Mitarbeitende weitergeben», so Knorr.
Alter ist ein Nebeneffekt
Für Leila Summa, CEO und Gründerin der Play To Change GmbH, geht es beim Reverse Mentoring nicht bloss um Menschen unterschiedlichen Alters, sondern um Erfahrungen: «Zumeist ist es so, dass es in Unternehmen ein Kerngeschäft gibt, mit dem seit Jahrzehnten Geld verdient wird. Wenn dann neue Geschäftsfelder bearbeitet werden, kommt automatisch neues Know-how ins Unternehmen, das die bisherigen Mitarbeiter aber nicht haben. Dort setzt Reverse Mentoring an. Dass es sich meist um Menschen unterschiedlichen Alters handelt, ist eher ein Nebeneffekt.»
Erfahrene Mitarbeiter, die sich von Newbies was sagen lassen sollen? Es ist leicht vorstellbar, dass solche Programme nicht immer reibungslos ablaufen: «Es gibt natürlich Hürden in den Köpfen. Den älteren Semestern ist bewusst, dass sie mit den neuen Technologien und Geschwindigkeiten vor einer Herausforderung stehen. Wer gibt das schon gern zu?», meint Knorr.
Hitzige Diskussionen
Für Julian Knorr hilft da nur eins: Eine Kultur in der jeder Mitarbeiter Fehler machen darf und in der über diese Fehler dann auch geredet wird. Bei Onestoptransformation trifft sich das Team dazu monatlich in Meetings und diskutiert neue Erkenntnisse. «Dabei kann auch mal hitzig diskutiert werden, etwa wenn die Jüngeren das Konzept agile Projektverwaltung zu radikal umsetzen und sich täglich abstimmen wollen, die Älteren aber finden, es reicht, wenn man sich wöchentlich oder monatlich verständigt», erzählt Knorr.
Austausch im Plenum, wie bei Onestoptransformation, ist nur eine Möglichkeit für den Wissenstransfer. Klassisch finden sich beim Reverse Mentoring zwei Personen zusammen und tauschen sich in mehr oder weniger regelmässigen Treffen miteinander aus. Leila Summa rät dazu, die Mitarbeiter dafür gezielt auszuwählen und die Zusammensetzung nicht dem Zufall zu überlassen: «Es ist sehr wichtig, dass der Mentor und Mentee sich gut ergänzen – charakterlich sowie inhaltlich. Ansonsten ist das Treffen wenig hilfreich.»