Mr. Chefsache über die «Wir-Marke»
Ex-Manager und «Chefsache»-Autor Peter Buchenau setzt sich seit Jahren mit Leadership auseinander. Für Miss Moneypenny hat er das aktuelle Dossier -«Führung im Wandel – Assistenz im Wandel» geschrieben. Im Interview erklärt er, wie die Zusammenarbeit zwischen Führung und Assistenz in Zukunft aussieht.
Vom Manager zum Mr. Chefsache und Kabarettist – wie kam es zu diesem Wandel?
Kabarettist zu werden, war schon als Kind mein Herzenswunsch. Aber meine Eltern legten mir nahe, einen anständigen Beruf zu erlernen. Schliesslich waren sie der Meinung, dass man mit Kunst nichts verdient. So kam es, dass ich den Wunsch nicht ausleben durfte. Darauf habe ich eine ganz normale Managerkarriere gemacht. Ich habe Elektrotechnik studiert, habe Qualitätsmanagement und Betriebswirtschaft oben draufgesetzt und bin dann von der EDV schnell in die Netzwerktechnik eingestiegen. Bei den ers-ten Schritten in der digitalen Kommunikation war ich dabei – ich habe das Internet mitverbrochen (lacht). 2002 kam der ausschlaggebende Punkt: Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie mein Chef am Arbeitsplatz gestorben ist. Das gab mir den Kick, etwas zu ändern, damit ich nicht auch so ende. Ich habe mich auf meinen Herzenswunsch zurückbesinnt und mein eigenes Unternehmen gegründet.
Einmal Chef, immer Chef – vermissen Sie da nicht etwas?
Ich bin immer noch Chef – wenn auch im kleinen Bereich. Früher waren es 200 Mitarbeiter, heute leite ich ein Team von drei Angestellten. Auch bei einem Kleinunternehmen braucht es Führung. Heute kann ich mich auf meine Kernaufgaben, also das Reden und Schreiben, die Schauspielerei und das Coaching, konzentrieren. Für mich heisst es schon: einmal Führung, immer Führung. Das begleitet mich und das habe ich auch nicht verlernt. Und zwischendurch kommt es auch immer wieder zu Interimsmandaten in Firmen.
Was für ein Chef waren Sie, als Sie bei Ciba-Geigy, Manor oder auch Unisys führten?
Am Anfang bei Ciba-Geigy und Manor hatte ich noch das typische Karrieredenken drauf: ich war zahlen- und datenorientiert. Das grosse Menschliche habe ich erst bei Unisys gelernt. Bei Unisys bin ich weg von der Manager-Rolle ins Leadership geschlittert. Der Faktor Mensch, die ganzheitliche Führung und die Berücksichtigung der Softskills gewannen an Bedeutung. Ich hatte bei Unisys meinen Sitz in Amsterdam, aber ich hatte in jedem europäischen Land meine Mitarbeiter. Das heisst, es kam noch ein weiterer Führungsstil hinzu: die virtuelle Führung. Dafür braucht es noch mehr Softskills, um gute Resultate zu erzielen.
Wie hat sich denn Führung in der Zeit, seit Sie weg sind, gewandelt?
Ganz weg war ich nie, ich hatte immer wieder Interimsmandate. Hauptsächlich haben sich zwei Dinge geändert: Die Virtualität ist hinzugekommen und infolgedessen hat die Kommunikation an Bedeutung gewonnen. Eine hierarchische Führung ist nicht mehr möglich. Und da die Mitarbeiter infolge der Globalisierung auf der ganzen Welt verteilt sind, erfordert dies ein grosses Mass an Vertrauen. Hinzu kommen die interkulturellen Kompetenzen, ohne diese kann man in einem internationalen Unternehmen nicht führen. Schnelllebigkeit und Massenentlassungen haben dazu geführt, dass die Hierarchien flacher wurden und sich vermehrt Kleinunternehmen etabliert haben. Die Firmenstrukturen sind flacher geworden, man hat mehr Feedbackkultur integriert und ist heute näher an den Mitarbeitern dran als früher.
Und welche Konstante ist geblieben?
Die einzige bleibende Konstante ist die Veränderung. Wir befinden uns im permanenten Wandel. Wir steuern auf den Transhumanismus zu und das wird eine ganze neue Führung erfordern. Die Cyborgs sind uns im schnellen Denken weit überlegen. Umso mehr werden wir uns mit unseren Socialskills abheben müssen.
Im Dossier schreiben Sie über die Führungsintelligenz. Ist diese gegeben oder kann man sie sich auch aneignen?
Management kann man sich aneignen. Führungsintelligenz hingegen erfordert Begabung.
Nun beschreiben Sie nicht nur den Wandel in der Führung, sondern vor allem den Wandel in der Assistenz. Wie wird sich die Assistenz von morgen verändern?
Die Assistenz von morgen hängt von der Führung von morgen ab. Es bringt nichts, wenn sich nur die Assistenz verändert und die Führung nicht. Es ist ein ganzheitlicher Prozess, der betrachtet werden muss. Es wird ein Zusammenrücken zwischen Assistenz und Führung nötig sein. Die Aufgaben werden intimer und komplexer.
«Management kann man sich aneignen. Führungsintelligenz hingegen erfordert Begabung.»
Wo liegen die Veränderungspotenziale der Assistenz?
Die Assistenz wird mehr und mehr zur rechten Hand der Führungskraft, weil die Prozesse immer komplexer werden. Durch die Komplexität kann die Führungskraft nicht mehr alles selber erledigen. Deshalb muss die Führungskraft bei der Wahl der Assistenz darauf achten, dass es matcht. Auch vice versa muss die Assistenz sich im Bewerbungsprozess klar werden, welches die Eigenschaften der Führungskraft sind. Ein chaotischer Chef braucht eine durchstrukturierte Assistenz, was durchaus zu einem intellektuellen und intensiven Austausch führen kann. Das erfordert Führungsintelligenz, denn die Führung sollte die Meinung der Assistenz wahrnehmen, prüfen und gegebenenfalls auch umzusetzen. Die Assistenz geht weg von der rein unterstützenden Funktion hin zu einer kreativen Mitarbeit. Wir sind uns schon länger einig, dass die Routineaufgaben künftig von Siri und Co. übernommen werden.
Kann sich die Assistenz unabhängig von der Führung verändern?
Ja, sie kann. Aber das erfordert, dass sie über die Ziele des Wandels informiert ist und dahintersteht.
Im besten Fall bilden Assistenz und Führung eine Symbiose …
Absolut. Je stärker, vertrauensvoller und loyaler das Gespann ist, desto erfolgreicher wird es den Wandel bestreiten können.
Wie gelingt die Symbiose?
Da sind wir wieder bei den weichen Faktoren angelangt. Es muss ein absolut offenes Verhältnis von beiden Seiten vorhanden sein. Jeder muss den anderen in seiner Funktion akzeptieren und respektieren. Dann hat man eine grosse Chance, den Wandel zu bewältigen.
Was ist für den Erfolg ausschlaggebend?
Zuerst einmal muss der Wandel erreicht werden. Dafür braucht es auch ein klar definiertes Ziel. Egal ob Grosskonzern oder KMU – es braucht eine Unternehmensvision. Das treibt schliesslich den Wandel voran. Die Vision muss für alle klar und verständlich kommuniziert sein. Nur wenn ich das Ziel sehe, erkenne und dahinterstehe, kann jede Aktivität darauf ausgerichtet werden. Wenn das alles nicht gegeben ist, dann ist es vergeudete Zeit.
Sie schreiben, dass Anziehungs- und Ausstrahlungskraft wie ein Magnet wirken. Im Idealfall bildet sich die «Wir-Marke» zwischen Chef und Assistenz. Wie wird man zur «Wir-Marke»?
Es kommt heute nicht mehr drauf an, was ich gelernt habe, sondern darauf, was ich kann. Denn lernen kann ich alles. Das heisst aber noch lange nicht, dass ich es wirklich gut kann. Nehmen wir das Beispiel Autofahren: Das lerne ich ja auch erst nach der Fahrprüfung über die Jahre hinweg. Die Führungskraft muss in ihrer Präsenz und Wirkung stark sein. Die Assistenz muss ebenfalls in ihrer Präsenz und Wirkung stark sein. Meine Formel dazu: 1 + 1 =3. Wenn die Assis-tenz und Führungskraft drei ergeben, dann hat das eine grosse Strahlkraft nach aussen und es ist ein entscheidender Marktvorteil. Im Rahmen der Digitalisierung werden wir von Informationen überschwemmt. Jeder kann alles, jeder sieht alles und jeder weiss alles. Es werden sich künftig nur Strukturen durchsetzen, die über diese Punkte hinausstrahlen.
Mit Ihrem Online-Auftritt, der Chefsache-Buchreihe beim Springer-Verlag, Ihrem Coaching und Ihrem Comedy-Kabarett «Männerschnupfen» haben Sie eine starke Marke kreiert. Ihr Erfolgsrezept, um sich auf dem Markt zu halten?
Präsenz und Sichtbarkeit. Gerade in der Chefsache-Reihe wird im Herbst das 34. Buch veröffentlicht und mit «Männerschnupfen» stehe ich über 100 Mal pro Jahr auf der Bühne – das ist Sichtbarkeit.
Zur Person
Peter Buchenau war einst Manager und ist heute Autor und Kabarettist. Für Miss Moneypenny hat er das Dossier Nr. 23 «Führung im Wandel – Assistenz im Wandel» geschrieben.