Lügen-Serie

Motive der Lüge

Um ein guter Lügendetektor zu werden, ist es im ersten Schritt ganz wichtig, die Hintergründe und Motive der Lüge zu erkennen.  Laut wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es acht Grundmotive, weshalb wir uns zu Täuschungen und Betrügereien hinreissen lassen. Haben Sie eine Idee, welche Grundmotive dies sein könnten?

Diese Motive helfen Ihnen ab sofort, die Lügen Ihres Umfeldes besser zu verstehen und zu durchschauen. Aber auch zur Eigenanalyse sind sie hochspannend, zeigen sie doch die eigenen Defizite auf.

Motiv 1: Sich einen Vorteil verschaffen
Sie kennen das sicher, oder? Um einen neuen Kunden an Land zu ziehen, stapelt man gerne hoch, vergisst die Nachteile des eigenen Produkts zu erwähnen, und auch die problematischen Lieferzeiten lässt man galant unter den Tisch fallen. Auch im Privatleben finden wir unsere Strategien, wenn es darum geht, den Strandurlauber zu einem Abenteuertrip in der Wüste zu überreden. Wann haben Sie zuletzt aus diesem Motiv heraus gelogen? 

Motiv 2: Einen Benefit oder eine -Belohnung kassieren, die man eigentlich gar nicht verdient hat
Wie häufig haben Sie schon geschwindelt, um etwas zu bekommen, was Ihnen gar nicht zusteht? Die meisten von uns fangen damit schon im Kindesalter an. Kinder lügen bereits ab einem halben Jahr und mit spätestens vier lügen 90 Prozent der Kinder. Häufigste verbale Lüge: «Ich war das nicht!» Wenn meine Nichten zu Besuch sind, erzählen sie abends ihren Eltern stets, wie lieb sie gewesen sind und dass sie immer auf ihre Tante gehört haben. Durch diese – nicht immer ganz wahren – Erzählungen erhalten sie Belohnun-gen aller Art. In meinen letzten Sommer-ferien war ich mit Freundinnen auf den Balearen unterwegs. In einer feuchtfröhlichen Laune gaben wir in einem Restaurant vor, dass eine von uns Geburtstag habe. Und siehe da, wir genossen VIP-Behandlung, bekamen einen leckeren Geburtstagkuchen und Geburtstagssekt. Wahrscheinlich muss ich nicht erwähnen, dass wir die nächsten Tage das Experiment mit viel Erfolg fortführten. Wann haben Sie zuletzt eine Belohnung oder einen Bonus -erhalten, der Ihnen eigentlich gar nicht gebührt?

Motiv 3: Sich besser darstellen, um die Anerkennung und Bewunderung anderer zu bekommen
Wie im letzten Teil der Serie schon kurz beschrieben, ist dies ein weitverbreitetes Motiv. Allein in Bewerbungsunterlagen und Gesprächen lügen 60 Prozent aller Menschen. Wir bauen Sprachaufenthalte in unseren Lebenslauf ein, obwohl wir in Wahrheit gerade arbeitslos waren oder ein Burnout hatten. Verantwortlichkeiten werden gerne geschönt beziehungsweise hochstilisiert. Akademische Grade werden nicht korrekt angegeben oder gar ganz gefälscht. Doch auch bei ersten Dates, bei Gesprächen mit dem neuen Vermieter, bei Käufern, die uns Autos oder Häuser abkaufen sollen, werden negative Punkte einfach verschwiegen und das Positive wird aufgebauscht. Wo haben Sie in den letzten Wochen wichtige Dinge verschwiegen oder nur die Hälfte erzählt?

Motiv 4: Macht über andere erhalten
Wussten Sie, dass das regelmässige Aussprechen von Komplimenten Macht darstellt? Der andere gewöhnt sich daran, es entsteht eine Art Pawlowscher Effekt: Bleiben die gewohnten Komplimente aus, ist das Gegenüber perplex und verunsichert.  Auch an der Redewendung «Wissen ist Macht» ist etwas dran. Wissen zurückzuhalten oder nur die Hälfte zu erzählen, verleiht Menschen Macht. Diese Lüge ist sehr manipulativ und zerstörerisch. Wann haben Sie zuletzt Macht über andere ausgeübt oder Informationen bewusst zurückgehalten? 

Motiv 5: Angst vor Strafen oder Peinlichkeiten
Eine weitere Motivation, eine Lüge auszusprechen, ist Angst vor Strafe oder Peinlichkeiten. Ich selbst hatte ein sehr strenges Elternhaus, kleine Vergehen, wurden unverhältnismässig bestraft. Verspätungen von ein bis zwei Minuten führten beispielsweise zu wochenlangen Hausarresten und Entzug von anderen Freiheiten. Das führte dazu, dass ich als Kind zu einer geübten Lügnerin wurde. Auch hier gibt es Erkenntnisse, dass je öfter Kinder bestraft werden, sie desto mehr zur List der Lüge greifen, um sich selbst zu schützen. Ist das Lügen aus Peinlichkeit oder aus Angst vor Strafen Ihr Thema? Lassen Sie auch hier den Tag Revue passieren und hinterfragen Sie sich, warum Sie Angst haben beziehungsweise welche Folgen das Aussprechen der Wahrheit für Sie haben könnte. Wenn Sie feststellen, dass dieses Motiv sehr stark bei Ihnen ist, versuchen Sie mal vier Wochen lang, einmal am Tag diesbezüglich die Wahrheit zu sagen. 

Motiv 6: Andere Menschen schützen
Sehr häufig wird gelogen, um andere Menschen zu schützen, genau genommen sind 25 Prozent aller Lügen uneigennützig, sie nützen dem Lügner selbst also nicht viel. Wir nehmen die Schuld auf uns, wenn jemand anders einen Fehler gemacht hat oder liefern ein falsches Alibi. Sind Sie ein uneigennütziger Lügner? Wie viele Male haben Sie andere Menschen heute in Schutz genommen? Wie häufig haben Sie heute die Suppe für Ihr Umfeld ausgelöffelt?  Stellen Sie sich die Frage, warum Sie das tun. Haben Sie ein Helfersyndrom? Sind Sie gerne der Buhmann? Ich habe festgestellt, dass Menschen, die immer in Schutz genommen werden, niemals lernen, für ihre Taten einzustehen und Verantwortung zu übernehmen. Indem Sie ihn decken, bestärken Sie den Menschen eigentlich in seinen negativen Verhaltensweisen.  

Motiv 7: Die eigene Privatsphäre schützen 
Jeder Mensch hat seine Themen, seine Probleme, Ängste und Sorgen, doch die meisten von uns beschliessen, diese nur im engsten Umfeld zu diskutieren oder sich dort Hilfe zu holen. Stellen Sie sich vor, Sie sind von Ihrem Mann oder Ihrer Frau verlassen worden und dies auch noch, weil der Partner eine neue Person in seinem Leben hat. Solche Umstände können einen ganz schön aus der Bahn werfen. Wenn Sie jetzt allen Menschen von dem Vertrauensbruch und Ihren Schmerzen erzählen, kann die Geschichte im geschäftlichen Umfeld zu einem Genickbruch führen. Am Anfang hat man Verständnis für Ihre Situation, nimmt Sie in Schutz, aber irgendwann erfahren Sie nur noch Mitleid und zuletzt wird jede Fehlleistung, die Sie erbringen, dem Umstand zugeschrieben, dass Sie seit der Trennung einfach nicht mehr der/die Alte sind … Täglich erleben wir, dass hochrangige Manager vor die Kamera treten und erklären, dass sie aus persönlichen Gründen vom Amt zurücktreten und das, obwohl ihnen nahegelegt wurde, zu gehen. Es scheint uns ein Leichtes zu sein, zu lügen, um sich nicht hinter die Fassade schauen zu lassen. Nirgendwo wird so viel gelogen wie im beruflichen Kontext! Wann haben Sie zuletzt aus diesem Motiv heraus gelogen? Wann mussten Sie durch eine Lüge Ihre Privatsphäre verteidigen? 

Motiv 8: Andere Menschen bewusst schädigen 
Die meisten Menschen glauben, dass dies die Lüge aller Lügen sei. Wir täuschen andere Menschen bewusst, um Geld, Materielles oder Liebe zu ergattern: der Finanzberater, der einen nicht vorhandenen Fond verkauft, der Heiratsschwindler, der Liebe vorgaukelt, der Hausverkäufer, der eine schimmelige Ruine als Traumhaus anpreist, oder derjenige, der eine zerrüttete Beziehung vor der Trennung bewahren will, indem er eine schwere Krankheit vortäuscht. Diese Lüge ist sicher die verwerflichste von allen. 

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Tatjana Strobel ist Expertin für Körpersprache, Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens TS-Headworks. 
Sie tritt regelmässig als Keynote-
Speakerin an Unternehmensevents auf.

tatjanastrobel.ch

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