Assistenzpools

Mit geballter Kraft

Assistenzpools sind eine Möglichkeit, Kosten zu senken und die Aufgaben verschiedener Chefs und Teams an einem Ort zu bündeln. Wir haben gefragt, was es braucht, damit solche Pools gut funktionieren und zum Win-win für alle Beteiligten werden.

Wenn Unternehmen den Rotstift ansetzen, machen sie auch vor der Assistenz nicht Halt. Denn die klassische Eins-zu-eins-Assistenz kostet – und ist nicht immer gerechtfertigt.

Stattdessen unterstützen Assistentinnen zunehmend mehr als einen Chef oder übernehmen Aufgaben für angegliederte Teams. Noch mehr Synergien und damit Einsparungen versprechen sogenannte Assistenzpools. In ihnen werden mehrere Fachkräfte zu einem Team zusammengefasst, das nicht nur Aufträge abarbeitet, sondern im Idealfall auch Ideen entwickelt, wie sich Prozesse im Unternehmen optimieren lassen, und Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Ein Kompetenzzentrum für Assistenz.

Die Vorteile von Assistenzpools liegen auf der Hand: Es ist immer jemand verfügbar, die Stellvertretung ist optimal geregelt und es gibt Ansprechpartner auf Augenhöhe. Der Nachteil: Dadurch, dass eine Assistenz nicht unbedingt einem Chef zugeordnet ist, geht es vielleicht etwas unverbindlicher zu und her. «Ich kann mir vorstellen, dass in einem Pool die Quantität der Aufgabenerledigung im Vordergrund steht, weil auch die Nähe zum Chef fehlt», mutmasst Marit Zenk, Assis­tenz-Consultant aus Hamburg, und fügt charmant hinzu, dass man ausserdem sicherstellen müsse, dass bei unliebsamen Aufgaben nicht plötzlich alle in die Kaffeepause gingen.

Pool-Killer Animositäten

Doch wie geht man vor, um den Übergang von der Einzelassistenz zum Pool zu meis­tern? «Werden ‹alteingesessene› Assistentinnen in einen Pool gesteckt, müssen sie sich neu kalibrieren», erklärt Zenk. «Alte Zugehörigkeiten sollten aufgehoben werden. Andernfalls hat man immer wieder Situationen wie: ‹Ich kenne Herrn Müller besser, so kannst du das nicht machen›.» Animositäten sind ein echter Pool-Killer. Wer sich entscheidet, einen Pool mit bestehenden Mitarbeiterinnen aufzubauen, sollte eher die Hauptzuständigkeiten für einzelne Vorgesetzte beibehalten.

So ähnlich läuft es bei Fiona Neri. Sie hat am Stadtspital Zürich im November 2019 angefangen, einen Assistenzpool aufzubauen. Neri übernahm die Leitung und blieb dabei weiterhin die Assistentin des Spitaldirektors. Das heute elfköpfige Team besteht aus sieben persönlichen Assistentinnen, die je einem GL-Mitglied zugeordnet sind, und vier Teamassistentinnen, die departementsübergreifend arbeiten.

Mein Job bietet jetzt das Beste aus beiden Welten.

Auch Daniela Baumann hat einen Assistenzpool aufgebaut – bei der SRG in Bern. Neben ihr als Leiterin gehören noch zwei Mitarbeiterinnen zum Pool. Als Baumann im Januar 2019 ihre neue Stelle als Assistentin des Generaldirektors antrat, wurde ihre bisherige Stelle als Assistentin des Generalsekretärs nicht neu besetzt. Diese Aufgaben sollte nun der Pool übernehmen, ebenso wie die Assis­tenz für vier Führungskräfte und drei Teams. Sie selbst ist nun sowohl direkt zugeordnete Assistentin als auch Mitglied des Pools: «Mein Job bietet jetzt das Beste aus beiden Welten.»

Aufgaben nach Vorlieben

Eine zentrale Frage, die sich am Anfang stellt, ist, über welchen Kanal die Aufträge in den Pool gelangen und wie sie dort verteilt werden. Bei Fiona Neri läuft das so: «Die GL-Mitglieder delegieren ihre Aufträge direkt, Aufträge aus der Linie werden in einem Auftragstool erfasst. Damit können wir steuern, welche Informationen wir zur Erledigung der Tasks benötigen und vermeiden Rückfragen.»

Sind die Aufträge einmal eingegangen, übernimmt die Teamassistentin, die Vollzeit arbeitet, die Triage: «Sie weiss, wer noch Kapazitäten hat und kennt auch die favorisierten Aufgaben ihrer Teamkolleginnen. Natürlich haben alle Poolmitglieder die nötigen Qualifikationen, trotzdem versuchen wir, Vorlieben zu berücksichtigen», erklärt Neri. Nach Eingang des Auftrags bekommt der Auftraggeber eine Meldung, wer den Task bearbeitet, und wird ebenfalls automatisch informiert, wenn die Aufgabe erledigt ist.

Auch im Pool der SRG spielen Vorlieben eine Rolle. Wenn es passt, versteht sich. Grundsätzlich ist jede der drei Mitarbeiterinnen Hauptansprechperson für die Agenda einer Führungskraft sowie für zugeteilte Fachdossiers zuständig. Die Aufgaben werden zentral von Daniela Baumann koordiniert. «Ich habe den Überblick und weiss, wer gerade an was arbeitet, wo Schnittmengen sind oder wer was gerne macht. Zudem hilft dies, den Pool-Gedanken zu stärken, indem es verhindert, dass ein Chef dann doch immer wieder auf ein und dieselbe Assistentin zugeht.»

Baumann betont, wie wichtig es ist, dass alle im Team das gleiche Verständnis für den Job und den Anspruch an die Qualität haben wie sie. «Auf dieser Ebene geht es nicht anders. Wenn jeder Gedankengang noch einmal erklärt werden muss, wird es schwierig.»

Um eine gleichbleibende Qualität der Arbeit sicherzustellen, gibt es bei Baumanns Team eine «Bibel» über jeden Vorgesetzten: «Wir haben in OneNote alle Informationen zu den jeweiligen Chefs in einem Dokument gebündelt. Von alltäglichen Dingen wie Kaffeevorlieben, Passkopien und Kreditkartennummern über Informationen zu Gremien und laufenden Projekten bis hin zur detaillierten Beschreibung von Prozessen, Anleitungen oder Vorlagen.» Zudem gibt es ein Wochenregister, in dem alle Pendenzen notiert sind und terminiert werden können. Sollte einmal jemand ausfallen, sehen die anderen sofort, welche Aufgaben noch offen sind, und können diese erledigen. «Dadurch, dass alle Mitarbeiterinnen des Pools die Informationen fortlaufend notieren, ergänzen und aktualisieren, gelingt uns der so wichtige Wissens­transfer und wir haben heute ein tolles Instrument, mit dem zum Beispiel neue Mitarbeitende schnell operativ tätig sein können und das generell zur Qualitätssicherung beiträgt», freut sich Baumann.

Virtueller Kaffeklatsch

Eine grosse Herausforderung war die Corona-Zeit: «Seither pflegen wir verstärkt eine bewusste und klare Kommunikation. Weniger Nähe sorgt automatisch für mehr Missverständnisse. Das regelmässige Kaffeetrinken und Mittagessen hat gefehlt. Darum haben wir neben den inhaltlichen Meetings auch einmal pro Woche einen virtuellen Kaffeeplausch eingeplant. Um uns untereinander noch etwas besser kennenzulernen, haben wir uns Themen ausgedacht wie Lieblingsessen, grösste Modesünde aus der Jugend, Lieblingsmusik, liebstes Feriendomizil etc., das war echt witzig und informativ», erinnert sich Neri.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Daniela Baumann gemacht. Auch in ihrem Team gehört der virtuelle Kaffeeklatsch mittlerweile zum festen Programm. «Eine halbe Stunde pro Woche, in der wir nichts Geschäftliches besprechen.» Alle zwei Wochen hat das Team trotz Corona versucht, gemeinsam im Büro zu sein und Mittag zu essen. Das war insbesondere deshalb wichtig, weil eine Arbeitskollegin just mit Beginn des Lockdowns überhaupt erst die neue Stelle antrat. Bemerkenswert findet Baumann, dass es vor Corona immer hiess, die Assistentin müsse immer im Büro sein: «Jetzt haben wir gelernt, dass das nicht zwingend so ist und es auch sehr gut virtuell funktioniert.»

Gefühl der Zugehörigkeit

Nach ihrem Fazit der letzten eineinhalb Jahre gefragt, gerät Fiona Neri fast schon ins Schwärmen: «Für mich hat sich wirklich ­herauskristallisiert, wie wertvoll der Pool ist. Er bietet den Mitgliedern ein tolles Job Enrichment, ein grösseres Netzwerk, er fördert vernetztes Denken und stellt die Stellvertretung sicher.» Ausserdem bietet ein Pool das Gefühl der Zugehörigkeit: «Oft ist man als Assis­tenz allein auf weiter Flur. Im Pool ­können wir uns auf dem gleichen Level ­austauschen. Das allein ist schon eine Bereicherung.»

Das Zugehörigkeitsgefühl und den Austausch schätzt auch Daniela Baumann und sie freut sich darüber, dass sie nun endlich wieder Ferien machen kann, ohne täglich ins Postfach zu schauen: «Das ist eine ganz neue Qualität, weil ich meinem Team vertrauen kann und es gleichzeitig auch für meine Mitarbeiterinnen ein Vertrauensbeweis ist.»

Tipps für den Aufbau eines Assistenzpools

von Fiona Neri 

Assistenzpool – diese Vorteile bieten Pools:

  • Nutzung von Synergien
  • Wissenstransfer
  • Job enrichment (Ausbau Fachwissen und Netzwerk)
  • Vertretungsregelungen sind sichergestellt
  • Durch einheitliche Abläufe und laufende Prozessoptimierung wird die Arbeit effizienter und mit den gleichen Ressourcen wird ein grösseres Arbeitsvolumen abgedeckt.
  • Team bzw. Wir-Gefühl (als Assistenz oft Einzelkämpferin)
  • Umfassendere, kompetentere und professionellere Betreuung der Vorgesetzten

Was ist bei der Umsetzung zu beachten?

  • Hierarchie/Organigramm definieren
  • Gemeinsames Verständnis schaffen für die Aufgaben-, Kompetenzen und Verantwortungen
  • Arbeitsinstrumente festlegen
  • Kanäle und Qualität für Aufträge definieren (bspw. Auftragstool)
  • Spielregeln definieren im Umgang untereinander
  • Eckwerte und Prozesse definieren für die einheitliche Ausführung einzelner Tasks
  • Regelmässige Teammeetings
  • Teambildende Events
  • Wenn möglich gemeinsame Büroarbeitsplätze

Welche Hürden sind zu erwarten?

  • Skeptiker ins Boot holen und zu Beteiligten machen
  • Abgrenzungsfragen: Entlastung entsprechend den Qualifikationen einer Assistenz bieten → kein Sammelbecken für willkürliche Tasks
  • Veränderung bedeutet Flexibilität → Nicht alle Stakeholder begrüssen es, wenn eingespielte Prozesse und Strukturen hinterfragt oder angepasst werden. 

«In einen Assistenzpool passen Menschen, die teamfähig sind»

Frau Zenk, Sie haben Einblick in viele Unternehmen und Chefetagen. Beobachten Sie einen Trend hin zu Assistenzpools?

Es kommt immer wieder zur Sprache, dass Führungskräfte sich dank der vielen Tools und Apps mehr und mehr selbst organisieren und auf eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Assistenz verzichten könnten. Nur mit der Umsetzung hapert es. Eine direkte Assistenz wird immer noch sehr geschätzt und sie loszulassen, fällt den Chefs schwerer als sie es zugeben möchten.

Unterscheidet sich die Persönlichkeit einer klassischen Assistenz von der, die in einem Pool arbeitet?

In einen Assistenzpool passen Menschen, die teamfähig sind, gute Abarbeiterqualitäten haben, höchst flexibel sind und Abwechslung brauchen. Sie sollten eine hohe Eigenmotivation mitbringen, um ihr Bedürfnis nach Lob und Anerkennung selbst stillen zu können.

Gibt es Aufgaben, die sich eher nicht für einen Pool eignen?

Auf oberster Führungsebene haben Assistentinnen oft sehr persönliche oder gar intime Informationen über ihren Chef. Ich denke da an Kontodaten, Familienverhältnisse oder auch Krankheiten. Oft unterstützen sie ihre Chefs bei diesen sehr diskreten Belangen des privaten Lebens, weil der Übergang zum geschäftlichen Leben fliessend ist. Hier wäre der Chef dann wieder selbst gefragt.

Sollte man die Mitglieder für einen Assistenzpool neu rekrutieren?

Um das mögliche Gefühl einer Degradierung zu vermeiden und alte Zugehörigkeitsmuster auszumerzen, wäre das der einfachste Weg. Jedoch sollte man das implizite Wissen der Assistenzen nicht einfach wegwerfen. Wichtig ist, dass sich Assistenzen von alten Zugehörigkeiten lösen und eine neue Struktur fröhlich und frei kalibrieren können. Diese Transformation sollte von aussen empathisch begleitet werden.

Marit Zenk ist Expertin für Sekretariat und Assistenz. marit-zenk.com

 

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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