premium Interview mit Clifford Lilley

«Man hat Stil, oder man hat keinen»

Stylist und Imageberater Clifford Lilley spricht mit uns über Stil, die heutige «Anything goes»-Mentalität und weshalb elegante Mode nicht zwingend teuer sein muss.

«Eleganz hat überhaupt nichts mit Mode zu tun, sondern mit Stil.» (Karl Lagerfeld). Was ist eigentlich Stil?

Clifford Lilley: Stil reduziert sich auf das Wesentliche und ist gleichzeitig eine Lebenseinstellung. Er umfasst dabei nicht nur unser äusserliches Erscheinungsbild, sondern auch, wie wir uns verhalten, gehen, sprechen und präsentieren. Allerdings geht es dabei nicht um Perfektion, sondern vielmehr um einen charakteristischen Ausdruck, der die Persönlichkeit und Individualität einer Person widerspiegelt.

Ist Stil erlernbar?

Grundsätzlich hat man Stil, oder man hat keinen. Aber wenn man sich lange genug mit dieser Thematik beschäftigt, kann man sich diesen Schritt für Schritt aneignen sowie mit der Zeit eine gewisse Eleganz.

Und wie geht das?

Indem man sich selbst kennenlernt. Wer bin ich? Was mag ich, was nicht? Wo bin ich gut, wo nicht? Falle ich gerne auf, oder bleibe ich lieber unauffällig? Was für ein Typ bin ich (Körpertyp, Haut- und Haarfarbe)? Welche Farben stehen mir? Wenn man diese Fragen für sich klären kann und sich selbst mag, dann findet man seinen eigenen Stil. Und wenn man das nicht selbst hinbekommt, dann kann man immer noch zu einem Stilberater (lacht).

«Kleider machen Leute.» Was sagt Mode über Menschen aus?

Provokativ gesagt: dass wir sehr schnell gelangweilt sind, weil die Trends dauernd wechseln. Denn wir wollen immer etwas Neues und damit unser Umfeld beein­drucken, attraktiv und beliebt sein.

Geht es um Mode, denken viele an grosse Marken wie Missoni oder Diane von ­Fürs­tenberg. Muss Mode teuer sein, damit sie wirkt?

Mode muss nicht mit einem hohen Preis einhergehen. Luxus mag zwar exklusiv und begehrenswert sein und Labels wie Hermès und Co. bieten den Vorteil, qualitativ hochwertige Produkte statt Massenware zu produzieren, aber grundsätzlich ist Mode nicht eine Frage von teuer oder billig. Vielmehr ist es ein Look und diesen kann man in einer teuren oder billigen Version haben: Es ist interessant zu beobachten, wie sich in den letzten Jahren in der Modewelt die Kombination teurer Labels mit preiswerteren Stücken durchgesetzt hat. Man kann beispielsweise sehr gut einen hochpreisigen Blazer mit einem H&M-Shirt kombinieren und es funktioniert. Die Quintessenz: Mode muss nicht teuer sein, sondern einfach geschickt kombiniert werden.

Wenn es um Styling geht, funktioniert heute scheinbar alles – vom Shabby Chic über Haute-Couture bis hin zum 08/15-Stil. Wie nehmen Sie das wahr?

Stimmt: Anything goes. Heute kann sich jeder und jede kleiden, wie er oder sie möchte. Trotzdem versucht man, sich der Gesellschaft anzupassen, möchte auf einer Party nicht unbedingt auffallen. Das ist etwas, das meist nur exzentrische Menschen wirklich wollen. Menschen wollen sich in der Regel einfügen, sich in ihrer Umgebung ­wohlfühlen und nicht herausstechen. Und obwohl heute scheinbar alles geht, ist es uns am Ende des Tages wichtig, wie wir aussehen und welchen Eindruck wir hinterlassen. Denn wir wissen, der erste Eindruck zählt.

Wenn es um Kleidung geht, was sind Must-haves im Kleiderschrank (siehe auch Seite 42–43)?

Ein Trenchcoat ist ein unverzichtbares Must-have. Zudem sind ein gut geschnittener dunkelblauer oder schwarzer Blazer für Herren sowie das berühmte kleine Schwarze für Frauen und ein schwarzer Blazer essenziell. Ergänzt werden darf diese Garderobe noch mit einer Lederjacke, einer gut sitzenden Jeans oder einer erstklassig geschnittenen Hose kombiniert mit einem weissen Shirt.

Und was sind No-Gos?

Crocs sind ein absolutes No-Go. Persönlich mag ich auch keine Skinny-Hosen oder die Übergrössenmode. Kleidung sollte nicht zu klein oder zu gross sein, sondern passen. No-Gos können auch Farben sein. So kann die falsche Farbe eine Person krank, alt oder müde aussehen lassen.

Gibt es bezüglich Styling einen Unterschied zwischen den Altersgruppen?

Mode ist sehr wechselhaft und meist nur für junge Leute gemacht. Deshalb ist es wichtig, dass man im Laufe der Jahre seinen persönlichen, zeitlosen Stil findet. So muss man seine Garderobe nicht mehr so häufig wechseln und kann stattdessen auf langlebige Qualität setzen. Diese zeitlosen Klassiker sind zudem nicht nur stilvoll, sondern auch altersunabhängig. Wie gesagt: Mode ist meist für Junge gemacht, aber es gibt auch wunderbare Modestücke, die auch für ältere Menschen geschaffen sind. Gucci mag vielleicht nicht für 70-jährige Frauen geeignet sein, da diese eher «schrille» Mode in diesem Alter meist billig wirkt. Doch letztlich geht es darum, die eigene Persönlichkeit zu reflektieren und sich in der eigenen Kleidung  wohlzufühlen. Hier stellt sich die Frage der Identität: Wer bin ich und was spiegelt meine Persönlichkeit wider? Im Alter kann es vorkommen, dass man bestimmte Aspekte seines Körpers nicht mehr betonen möchte und da ist es auch legitim, diese zu verbergen.

Wie wichtig sind Accessoires?

Sehr. Für Frauen sind elegante Taschen häufig eine Art Visitenkarte. Dazu auch Foulards und dezenter Schmuck. Für Männer wiederum die Uhr am Handgelenk – gerade in der Schweiz. Auch Brillen sind ein wichtiges Accessoire, das mehr oder weniger mutig getragen werden kann. Und ganz wichtig: Schuhe sind der Schlüssel zu einem guten Styling – invest in the best!

Assistenzen sitzen an Schlüsselpositionen. Wie sollten sie Ihrer Meinung nach gekleidet sein?

Ihr Erscheinungsbild sollte sympathisch, kompetent und professionell wirken. Entscheidend ist vor allem, dass sie sich an die Unternehmenskultur anpassen – ist diese eher informell oder konservativ? Übrigens kann man konservative Kleidung wunderbar mit Handtaschen, Gürteln oder eleganten Schuhen modisch aufpeppen.

Ihre wichtigste Erkenntnis nach all den Jahren als Stylist und Imageberater?

Nach einer gewissen Altersgrenze bleiben viele Menschen ihrem persönlichen Stil treu und verweilen gerne in ihrer vertrauten Umgebung – vor allem Männer. Frauen sind da eher noch experimentierfreudiger, lassen sich von Neuem inspirieren und investieren mehr in ihre Garderobe. Ein bemerkenswerter Trend, den ich momentan beobachte, ist zudem die Rückkehr von Boutiquen, das Aufleben von Vintage-Mode und -Looks sowie die zunehmende Bedeutung von Secondhand-Läden. Hier ist auch der Wandel hin zu einem minimalistischeren Lebensstil ersichtlich. Das Credo «Weniger ist mehr» gewinnt dabei an Bedeutung und reflektiert einen Lebensstil, der auf Nachhaltigkeit, Sparsamkeit und Ressourceneinsparung setzt. 

Clifford Lilley ist aus Kapstadt und lebt seit einigen Jahren in der Schweiz. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist heute als Stylist und Imageberater in der ganzen Schweiz sowie im Ausland tätig.
clifford-lilley.com
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Christine Bachmann ist die Chefredaktorin von Miss Moneypenny.

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