Länger gesund leben
Longevity soll nicht nur unser Leben verlängern, sondern unsere Lebensqualität bis ins hohe Alter steigern. Wie dieser Ansatz durch präventive Medizin und neue Technologien unser Gesundheitssystem revolutionieren könnte, erzählt Dr. med. Leonie Bode, Co-Founder und Medical Director von «AYUN», der ersten Walk-in Longevity Clinic in Zürich.
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Die Welt ist aus den Fugen. Vieles läuft nicht optimal. Wieso will man «länger» leben und wie gehen Sie mit den ethischen Fragen rund um Lebensverlängerung um?
Leonie Bode: Bei Longevity geht es nicht nur darum, länger zu leben, sondern länger gesund zu bleiben. Unser Ziel ist, dass Menschen so lange wie möglich aktiv und uneingeschränkt leben können, ohne auf Medikamente angewiesen oder durch Krankheiten eingeschränkt zu sein. Zurzeit verbringen die meisten Menschen die letzten zehn bis zwölf Jahre ihres Lebens mit gesundheitlichen Problemen. Das ist eine sehr lange Zeit, die man anders nutzen könnte, wenn man gesundheitlich stabil wäre. Ich glaube, es ist sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft erstrebenswert, diese wachsende «Epidemie» der chronischen Krankheiten einzudämmen. Das macht unseren Ansatz ethisch unbedenklich und erstrebenswert, denn wer wünscht sich nicht, bis ins hohe Alter in guter Verfassung zu bleiben?
Diese Art der Prävention ist kostenintensiv. Inwiefern ist Longevity nur etwas für diejenigen, die es sich leisten können?
Wir sind definitiv nicht nur eine Medizin für Superreiche. Ja, es kostet etwas, das stimmt, aber auch jede Beautybehandlung hat ihren Preis. Unser umfassender Check dauert fünf Stunden, hinter diesem Prozess steckt somit eine immense Arbeit. Zudem haben sich die Preise bereits deutlich gesenkt und bewegen sich im tiefen vierstelligen Bereich, was sie für viele zugänglicher macht.
Zugänglicher, aber müsste diese Art der Präventivmedizin nicht noch viel günstiger und für alle offenstehen?
Absolut, das wäre äusserst sinnvoll und würde langfristig sicher unsere Prämien senken. Aber das ist ein Thema, das ich gerne an unsere Politikerinnen und Politiker weitergeben möchte mit der Frage: Ist das nicht der Weg, den wir künftig einschlagen müssten? Wir verfügen über Werkzeuge, mit denen wir viele Erkrankungen bereits im Vorfeld verhindern könnten, bevor sie überhaupt entstehen. Weshalb tun wir das nicht?
Was ist Ihr wichtigster Rat für Menschen, die lange und gesund leben möchten?
Es gibt allgemeingültige Empfehlungen, die für alle Menschen sinnvoll sind. Sport ist für jeden von Vorteil, und dabei geht es sowohl um Ausdauer- als auch um Kraftsport – idealerweise in Kombination. Ebenso ist eine gesunde Ernährung für alle wichtig, vorzugsweise pflanzenbasiert, mit vielen Vitaminen und wenig tierischen Fetten. Auch die mentale Gesundheit spielt eine zentrale Rolle, da Faktoren wie Schlaf, psychische Stabilität und soziale Verbindungen einen enormen Einfluss haben. Diese grundlegenden Aspekte gelten für alle.
Darüber hinaus können wir aber heute individuell betrachten, welche Hebel bei einzelnen Personen den grössten Nutzen bringen. Das ist unser Ansatz: Wir führen umfassende und ganzheitliche Analysen durch, die es uns ermöglichen, eine individuelle Einschätzung zu geben. So können wir sagen, dass eine gesunde Ernährung wichtig ist, aber dass bei einer bestimmten Person beispielsweise diese zwei speziellen Faktoren besonders ausschlaggebend sind. Oder wir können anstelle von unzähligen Präparaten vielleicht fünf gezielt ausgewählte Supplemente empfehlen, die im aktuellen Stadium sinnvoll sind. Auf diese Weise lässt sich Prävention viel gezielter betreiben und die Erfolge sind entsprechend grösser.
Welche Entwicklungen und Trends sehen Sie in den nächsten Jahren im Bereich Langlebigkeit?
Es gibt bereits eine Fülle an Forschung, aber es dauert, bis wir so weit sind, dass bestimmte Therapien, wie beispielsweise Stammzellentherapien, sicher am Menschen getestet und angewendet werden können. Es gibt zwar vielversprechende Studien, die zeigen, dass diese Ansätze helfen könnten, aber bis zur praktischen Anwendung ist es noch ein weiter Weg. Weiter wird auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eine grosse Rolle spielen. Beispielsweise indem KI den Auswertungsprozess unserer Checks übernimmt, damit den Ärzten mehr Zeit für die effektive Therapie bleibt.
Was halten Sie von extremeren Konzepten wie Kryonik (Einfrieren von Körpern) oder Mind-Uploading (digitale Bewusstseinsübertragung)?
Ich finde es spannend, stelle es mir jedoch für mich und die meisten Leute zum aktuellen Zeitpunkt als unangenehm vor. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Urgrossmutter jetzt wieder aufgeweckt werden würde, wäre es für sie sicher sehr schwierig, sich in der heutigen Welt zurechtzufinden. Denn sie verändert sich ständig und Technologien entwickeln sich rasant weiter. Sich in diesem neuen Kontext zurechtzufinden, finde ich sehr herausfordernd.
Sie zeigen anderen auf, wie man länger gesund lebt. Was haben Sie durch Ihre Arbeit über die eigene Gesundheit gelernt und dementsprechend welche Rituale im Alltag integriert?
Ich habe gezielt begonnen, Krafttraining zu machen. Zudem achte ich auf meine Ernährung und versuche, nicht den ganzen Tag über zu snacken. Stattdessen bevorzuge ich inzwischen grössere Mahlzeiten mit Pausen dazwischen, da ich festgestellt habe, dass das einen Einfluss auf meinen Blutzuckerspiegel hat. Das sind Kleinigkeiten, aber langfristig zahlt sich dieses Wissen und die tatsächliche Umsetzung im Alltag aus.
Longevity-Therapien
Die Longevity-Klinik setzt auf unterschiedlichste Therapien. Wie diese aussehen? Vier Beispiele.
1. Hyperbare Sauerstofftherapie (HBOT): Bei der HBOT werden Körper- und Zellfunktionen in einer speziellen Druckkammer optimal mit Sauerstoff versorgt. Diese «Sauerstoffauffrischung» kann die physische und kognitive Leistungsfähigkeit fördern. Die Therapie fördert Heilungsprozesse, kann das Immunsystem stärken, Entzündungen reduzieren und hilft bei Gewebehypoxie (Sauerstoffmangel im Gewebe).
2. Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie (IHHT): Die IHHT bringt den Körper in einen Zustand wechselnder Sauerstoffzufuhr, indem über eine Maske mal mehr, mal weniger Sauerstoff zugeführt wird. Diese Schwankungen regen den Körper dazu an, ineffektive Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen) abzubauen, während gesunde Zellen sich besser regenerieren können. Die IHHT kann das Immunsystem stärken, die Zellleistung verbessern und die physische und mentale Belastbarkeit steigern.
3. Rotlichttherapie: Die Rotlichttherapie stimuliert die Mitochondrien, die als «Energiekraftwerke» der Zellen fungieren. Das Licht regt die Kollagenproduktion an und kann so Hautstraffung und Regeneration unterstützen. Die Therapie kann zudem dabei helfen, die Erholung nach dem Sport zu beschleunigen, Muskel- und Gelenkschmerzen zu lindern, das Energie- und Stimmungslevel zu heben und Falten sowie Akne zu reduzieren, ebenso Psoriasis und Ekzeme.
4. Kryotherapie (Kältetherapie): Bei der Kryotherapie wird der Körper für kurze Zeit extrem niedrigen Temperaturen bis zu –110 °C ausgesetzt. Dieser gezielte «Kältestress» kann nicht nur helfen, Muskelkater und Entzündungen zu lindern, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden verbessern.
Dr. med. Leonie Bode
Dr. med. Leonie Bode ist Co-Founder und Medical Director von «AYUN» und hat es sich zur Mission gemacht, Krankheiten durch massgeschneiderte Präventionsansätze gar nicht erst entstehen zu lassen. Bode promovierte an der Universität Zürich und ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin. Vor der Gründung von «AYUN» arbeitete sie in verschiedenen Spitälern, zuletzt am Kantonsspital Baden in der Angiologie.