Korrespondenz

Liebe Gästinnen und Gäste

Der Wille, den Geschlechtern gerecht zu werden, treibt manchmal seltsame Blüten. Das Thema wird heiss diskutiert oder möglichst vermieden. Unternehmen tun sich damit nach wie vor schwer. Was hilft? Der entspannte Umgang mit dem natürlichen Thema weiblich und männlich.

Wer schreibt, ist nicht zu beneiden. Es geht um elegante Formulierungen, Rhythmus, um viel Information leicht verpackt, um Wortvielfalt, um einen Funken Kreativität und obendrein soll es immer schnell gehen. Zudem beschäftigen sich viele mit der Frage nach sprachlicher Gleichberechtigung. Das Problem mit der Debatte über Männlich und Weiblich ist die Angst, in ein Fettnäpfchen treten zu können.

Besonders in Verwaltungen und Bundesstellen ist die geschlechtergerechte Sprache seit der Gleichstellung von Mann und Frau 1981 ein kommunikativer Grundauftrag – ohne /-in, (in) oder w/m geht es nicht. Aber geht es wirklich nur mit diesen Kurzformen?
Kritische Stimmen monieren bei diesen Kürzeln das Überflüssige, den Krampf mit der Einbindung des Weiblichen um jeden Preis. Das Fazit dieser ausweglosen Auseinandersetzung ist täglich lesbar. Viele Unternehmen und Organisationen verzichten auf ein Geschlecht, meistens auf die Frauen, und setzen unter ihre Texte die Standarderklärung: «Mit der männlichen Form sind Frauen selbstverständlich mitgemeint.» Sprachlich ist das falsch und kommunikativ strategielos.

Ein Zeichen der Kompetenz

Wird das Weibliche immer explizit hervorgehoben mit Wendungen wie «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen sich mit den Chefinnen und Chefs sowie den Bewohnerinnen und Bewohnern der Bürgerinnen- und Bürgergemeinde … zum Austausch …» findet eine Übertreibung und damit negative Bewertung eines natürlichen Anliegens statt. Wer solche Konstruktionen lesen muss, nervt sich. Besonders anfällig für Übertreibung oder Missachtung der geschlechtergerechten Sprache sind Stelleninserate. Beispiel für Übertreibung: «Gesucht wird eine Leiterin, ein Leiter für ... (m/w, 100 %)». Beispiel für Missachtung: «Wir suchen einen Projektleiter (w/m, 100 %).»

Mit etwas Schreibkompetenz und der klaren Vorstellung von Sinn und Ziel des Textes gelingt es, Männern und Frauen gerecht zu werden.

Wenn ein Unternehmen eine Führungsposition neu besetzen möchte und es wirklich keine Rolle spielt, ob eine Frau oder ein Mann eingesetzt wird, so ist die Paarform die sympathische und klare Variante: «Gesucht wird eine Leiterin, ein Leiter für … 100 %». Möglich ist auch die neutrale Form mit «… Fachperson für die Leitung von … 100 %». Kurzum: (m/w) oder (w/m) gilt als Unart, übrigens auch bei den Typografen – und Typografinnen.

Die Paarform drückt aus, dass Frauen und Männer gleichermassen beteiligt sind: «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stimmen der neuen Strategie zu.» Deshalb nutzen wir auch in der Anrede beide Formen: «Liebe Mitarbeiterin, lieber Mitarbeiter». Die Paarform ist viel natürlicher als «Liebe Mitarbeitende» oder «Liebe MitarbeiterInnen» oder die stilistische Fehlleistung «Liebe alle». So viel Zeit muss sein, zumindest in der Anrede Frauen und Männer anzuschauen und anzusprechen. Die Vollform ist auch rhythmisch schön, zum Beispiel in längeren Texten. «Die Expertinnen und Experten für die Korrespondenzkultur treffen sich mit ihren Führungskräften» (Alternative zu Vorgesetzten).

Die Voranstellung der weiblichen Form sorgt für mehr Fluss. Längere Silben stehen besser vor kürzeren Elementen. Wer etwas mehr Tempo bevorzugt, geht so vor: «Die/der Vorgesetzte bespricht mit den Expertinnen und Experten für Korrespondenzkultur …»
Die Paarform verhindert auch Missverständnisse. Wenn es heisst: «Die Mitarbeiter stimmen der neuen Vision zu», wird die einfache Schreibweise der Genauigkeit vorangestellt. In diesem Satz steht nicht unmissverständlich, dass Männer und Frauen zugestimmt haben. Und das so genannte Binnen-I lehnen Verwaltungen, Bundesstellen, Typografen und alle verantwortungsbewussten Kommunikationsprofis ab. Umständlich und überstrapaziert wirkt auch diese Konstruktion: «Der/die Mitarbeiter/in, welche/r seine/ihre Arbeitszeit erfasst, …» Plural ist hier deutlich entspannter: «Mitarbeiter/innen, die ihre Arbeitszeit erfassen, …»

Einfach mit Menschen sprechen

In der Kommunikation geht es um Nähe und Verbindlichkeit. Es geht darum, Menschen zu erreichen, nicht nur Kundinnen und Kunden, Bürgerinnen und Bürger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für das Menschliche sprechen der Singular, das Aktiv, das Neutrale und die Abwechslung.

Beispiele für Singular sind:

Sie erhalten die Zulage mit dem Lohn.

Nicht so: Mitarbeiter/innen erhalten die Zulage mit …

Sie können nicht teilnehmen? Bitte …

Nicht so: Assistentinnen und Assistenten, die nicht teilnehmen können …

Das Neutrale

Wer ärztlichen Rat sucht … (nicht den Rat eines Arztes, einer Ärztin)

Nicht so: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 
die …

Oder:

Das Unternehmen bietet ärztlichen Rat an für Menschen/Personen mit …

Abwechslung in längeren Dokumenten

Die Leserin wird rasch erkennen, … Dem Leser fällt … auf.

Nicht so: Der Leserschaft wird auffallen …

Die abwechselnde Form ist ungewohnt und wirkt im ersten Moment inkonsequent. Sprachlich stimmt das. Wer so schreibt, sucht den entspannten Zugang zu Menschen und signalisiert: Ich spreche mit beiden, mit Männern und Frauen. Gerade in der Korrespondenz ist der menschliche Aspekt, das emotionale Empfinden wichtiger als in Sachtexten, die ein Thema behandeln und in denen Lesende nicht direkt betroffen und als Einzelpersonen angesprochen sind. Hier hilft das Passiv: «Es wird auffallen» anstelle von «Ihnen wird auffallen» oder «Den Kundinnen und Kunden …» Inhalt und Textziel legen Stil und Form fest.

Auch wenn mehrere Personen angesprochen werden, ist der Singular die bessere Wahl, als das abgedroschene «Sehr geehrte Damen und Herren». Der Einzelne wird so viel besser adressiert:

Sehr geehrte Frau Präsidentin

Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr

Diese Variante ist besser als endlose Anreden potenziell angesprochener Personen:

Sehr geehrte Frau Präsidentin

Sehr geehrte Lehrer/innen

Sehr geehrte(r) Mitarbeiterin, Mitarbeiter

Sprechen Dokumente verschiedene Personen an, ist ein «Geht-an-Vermerk» als Einleitung eine gute Lösung:

Geht an:

Präsidentin des …

Lehrerin, Lehrer der …

Mitarbeiterin, Mitarbeiter der …

Gespräche über die sprachliche Gleichstellung sind wichtig. Die geschlechtergerechte Schreibweise alleine ist jedoch noch kein Garant für eine sensible und bewusste Kommunikationskultur. Es geht nicht nur um Weiblich oder Männlich, es geht um Menschen und darum, wie über sie gesprochen und geschrieben wird.

Beispiele für elegante Schreibweisen

Die Studentinnen (nicht: die weiblichen Studierenden)

Der Gast/der Fahrgast (Gästinnen gibt es nicht)

Das Mitglied/die Mitglieder (nicht: die Mitgliedin oder die Mitgliederinnen)

Das Elternteil (nicht: «das Elter»)

Substantivierte Adjektive

Die Gesunden oder Gesunde Menschen/gesunde Personen

Neutral

Das Präsidium wechselt jedes Jahr (nicht: Die Präsidentin/der Präsident)

Liebes Team (nicht: Liebe alle)

Die Anwesenden oder Anwesend sind: … (nicht: Teilnehmer/in)

Seminarleitung/das Seminar leitet Frau/Herr

Das Publikum (wenn Zuschauerinnen und Zuschauer zu lang ist)

Kurz und bündig

Die Gruppe entscheidet über … (nicht: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer 
der Gruppe entscheiden …)

Das Gericht entscheidet … (nicht: Die Richterinnen und Richter des …)

Niemand im Unternehmen konnte voraussehen, wie … (nicht: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten nicht voraussehen, …)

Einige kamen zu spät (nicht: Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer …)

Alle wissen, wie es läuft (nicht: Jedermann …)

 

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Angelika Ramer trainiert seit über 15 Jahren Unternehmen in schriftlicher Kommunikation und verfasste zu diesem Thema fünf Sachbücher. Die Kommunikationsberaterin und frühere Journalistin ist Inhaberin der «Identität ist Sprache – Ramer & Partner AG».

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