Korrespondenz richtig gut verkaufen
Assistentinnen besuchen viele Weiterbildungen und möchten die neuen Impulse im Unternehmen umsetzen. Die Korrespondenz ist ein besonders heikles Terrain, wenn es um Veränderungen geht, weil neue Formulierungen sofort auffallen. Oft fehlen Assistentinnen die guten Argumente für eine neue Brief- und E-Mail-Kultur, denn richtig oder falsch, modern oder veraltet reicht als Begründung für eine Veränderung nicht aus.
Die Dame ist Mitte 40 und eine erfahrene Assistentin. Seit vielen Jahren arbeitet sie für CEOs und Führungskräfte, organisiert Besprechungen, plant Termine und schreibt viel. Sie besucht das Korrespondenzseminar, weil sie aufgebracht ist. Vor einiger Zeit war sie bereits in einem Workshop und wollte die Ideen sofort im Unternehmen einbringen: «Nichts konnte und durfte ich umsetzen!», sagt sie in der Vorstellungsrunde: «Nicht bei uns», war der Kommentar des Chefs.
Die Assistentin gab nach und ordnete sich -unter. Vielleicht wagt sie erneut einen Anlauf, aber sie wird weniger enthusiastisch sein. Was sie sich wünscht, ist etwas Schützenhilfe, ein paar Argumente für den Chef – «Munition», wie sie es nennt. Sie möchte wissen, wie sie neue Ideen und Sichtweisen intern verkaufen kann.
Auf die Frage, wie sie nach dem Seminar über die Korrespondenz im Unternehmen gesprochen habe, denkt die Assistentin etwas nach: «Ich habe erklärt, wie man heute korrespondiert.» Im Wörtchen «man» liegt das Problem.
Kulturunterschiede würdigen
In öffentlichen Workshops, wo sich Teilnehmer verschiedener Unternehmen treffen, ist es sehr wichtig, die Textarbeit mit bestimmten Vorgaben anzuleiten, denn nicht alles scheinbar Moderne ist passend und nicht alles Alte/Traditionelle ist grundsätzlich falsch. In Leit-bildern und Werten sind Einzigartigkeit und Unterschiede formuliert.
In einem gemischten Workshop bietet es sich deshalb an, mit «Beispielwerten» zu arbeiten und die Teilnehmenden einzuladen, im Unternehmen das eigene Leitbild zur Hand zu nehmen und die Erkenntnisse, Tipps und Tricks zu adaptieren. Dieses Vorgehen ist eine Herausforderung, weil die Verbindung von Werten, Sprache und Formulierungen zunächst ungewohnt ist. Einfache Antworten und Universalrezepte sind willkommener als das Nach-denken über Stil, Feinheiten und Persönlichkeiten. Die Rezeptküche entspricht einem Zeitgeist, die Praxis verlangt Effizienz und Geschwindigkeit – die Qualität unterliegt dem Tempo.
Die folgenden Beispiele aus dem Inkasso zeigen, wie Schreibweisen verändert und verschlechtert werden, wenn die Unternehmenswerte fehlen. Die Beispiele machen auch deutlich, warum viele Assistentinnen mit ihren Impulsen keinen Erfolg haben. Kurz und modern ist nicht ausreichend.
Abgegriffene Schreibweise: «Es wurde festgestellt, dass der Betrag noch nicht überwiesen wurde.»
Kommentar: Wer ist «es»? Vor dem «dass» ist die Aussage unwichtig. «… überwiesen wurde» spricht im Passiv mit einem Menschen. Diese Formulierung ist auch ein wenig typisch für die Schweiz, denn hierzulande wird aus Rücksicht auf Höflichkeit gerne die Hinterbühne der Kommunikation bespielt. Passiv klingt in den Ohren vieler Menschen freundlicher als das spritzige Aktiv.
Die Assistentin weiss jedoch, wie wichtig die Stilregel «aktiv vor passiv, wer macht was, Akteur vor Inhalt» ist. Sie wählt in der Überarbeitung des Inkasso-Textes eine Zwischenlösung, zum Beispiel diese: «Leider haben Sie es bis heute unterlassen, den Betrag von … pünktlich zu überweisen.»
Kommentar: «Leider» steht auf der falschen Ebene. Korrespondenz hat in keiner Organisation einen Erziehungs- oder Bewertungsauftrag. Zudem ist die Wendung mit «unterlassen» eine Unterstellung.
Die Assistentin versteht den Hinweis und feilt weiter. Jetzt wählt sie das Aktiv und bekommt mit Sicherheit das erste Problem mit einer Führungskraft, besonders, wenn das Unternehmen auf Tradition und Höflichkeit Wert legt. Sie schreibt: «Sie haben den Betrag von … noch nicht überwiesen.»
Kommentar: Obschon aktiv meist besser ist als passiv, wirkt diese Wendung unfreundlich. Das Problem ist die Kombination von «Sie haben …» mit der Negation «nicht». So viel Lautstärke ist nicht überall beliebt und manch ein Chef wird aus Mangel an Alternativen sagen: «Lass uns die herkömmliche Formulierung wählen, mit der machen wir wenigstens nichts falsch.»
Assistentinnen haben noch eine Möglichkeit, diesen Satz in eine gute Richtung zu lenken. Dazu brauchen sie noch ein zusätzliches Werkzeug, die Haltung. Wenn sie Haltung und Stil verbinden, entsteht ein komplett anderer Satz: «Ihre Zahlung ist noch offen. / Ihre Überweisung ist noch nicht eingetroffen.» / «Heute wenden wir uns mit einer Zahlungserinnerung an Sie. Die Summe von … ist noch offen.» / «Für kleinere Verspätungen haben wir Verständnis, die Frist für … ist jedoch schon länger/seit … abgelaufen. …»
Kommentar: Die Haltung zeigt, wie das Unternehmen vorgeht. Es macht eine Feststellung und keine Bewertung «leider» oder ein Fingerzeig mit «Sie haben noch nicht». Der Einstieg mit «Heute» ermöglicht es Lesenden, dem schriftlichen Gespräch entspannt zu begegnen – es droht keine Gefahr. Solche Formulierungen geben der Korrespondenz etwas, was sie ganz dringend braucht: die freundliche und gewinnende Ansprache, das Lächeln im ersten Satz.
Assistentinnen agieren erfolgreicher, wenn sie neue Formulierungen oder Ideen immer mit einer Haltung verknüpfen und Führungskräfte auch mal wieder an das Leitbild erinnern. Ein Beispiel dazu: In einem Firmenleitbild steht das Attribut «freundlich, sympathisch». Nun hat die Assistentin die Aufgabe, dritte Zahlungserinnerungen zum Versand bereitzu-stellen. Es handelt sich also um die typische Fünf-Vor-Zwölf-Kommunikation.
Die traditionelle Schreibweise ist vertraut und wird von vielen als automatisch richtig eingestuft. «Sollten Sie die Zahlungsfrist nicht einhalten, sehen wir uns gezwungen, den Rechtsweg einzuschalten.»
Kommentar: «Sollten» und «Wenn» am Anfang des Satzes sind eine drohende Bedingung. Das erinnert an eine eher ungeschickte Erziehungskommunikation zwischen Eltern und unartigen Kindern. Diese Texte sind oft einer Buchhaltungssoftware hinterlegt. Sie tun den Menschen und Unternehmen nichts Gutes. Und «gezwungen» ist ein extrem verspanntes Wort.
Die geübte Assistentin, die Haltung und Stil verbinden kann, schreibt neu: «Bitte halten Sie die neue Zahlungsfrist / das neue Datum ein. Nach Ablauf dieser Frist nehmen Sie eine Betreibung / rechtliche Schritte in Kauf. / … leiten wir die Betreibung / rechtliche Schritte ein. Vielen Dank für Ihr rasches Handeln.»
Kommentar: Die gesamte Wendung ist auf Kooperation ausgelegt und nicht auf Widerstand oder Konflikt. Gute Korrespondenz ist immer gewinnend, auch in heiklen Situationen.
Noch ein Wort zur höflichen Zurückhaltung. Vielen Unternehmen ist es wichtig, bei Mahnungen versöhnlich zu wirken. Das bekannteste Beispiel dafür: «Sollte sich Ihre Zahlung mit unserer Mahnung gekreuzt haben, so betrachten Sie dieses Schreiben als gegenstandslos.»
Die auf richtig/falsch/modern/veraltet getrimmten Leute würden diesen Satz ersatzlos streichen mit der Bemerkung: «Das schreibt man nicht mehr.» Die differenzierte Assistentin erkennt hinter dieser abgegriffenen Formulierung eine gute und wertvolle Absicht. Sie erkennt Höflichkeit und empfiehlt eine PS-Botschaft: «PS: Sie haben bereits bezahlt? Dann ist alles in Ordnung, vielen Dank.»
Kommentar: Das PS ist nicht ausgestorben, im Gegenteil. Es ist auch nicht besonders modern, aber es hat Vorteile. Gute Texte leben von Twist-Effekten, das heisst von Hervor-hebungen oder Überraschungen. Der Dank am Schluss wirkt freundlich und sympathisch. Die Unternehmenswerte sind also gelebt und der Stil wirkt frisch.
Was also ist für Assistentinnen wichtig, sollte ihr Gespräch mit Vorgesetzten wirklich etwas bewegen in der Korrespondenz? Sie brauchen neue Argumente und die Fähigkeit, kulturelle Anliegen mit zeitgemässen Stilregeln zu kombinieren. Wenn das gelingt, werden Texte nicht mehr einfach nur redigiert, sondern neu eingerichtet und angenehm belebt, wie der Weg des folgenden Beispiels zeigt.
Ein Chef schreibt in einer Grussbotschaft: «Wir möchten es nicht unterlassen, Ihnen zum Erfolg zu gratulieren.»
Kommentar: Eine Assistentin, die auf Kürze und Tempo achtet, redigiert so: «Herzliche Gratulation zu Ihrem Erfolg.» Diese Wendung nimmt der ursprünglichen Aussage ihren Kern. Die Folge sind Diskussionen und am Ende gewinnt der Chef. Er bleibt bei «nicht unterlassen». Die Assistentin mit Dialogprofi-Kompetenzen erkennt den Zauber und redigiert so: «Es ist mir wichtig, Ihnen zum Erfolg zu gratulieren.» Sie nimmt dem Chef einfach die Negation und das Wort «unterlassen».
Korrespondenz ist das Wechselspiel zwischen Menschen. Die Frage «Wie macht man das heute?» sollten Assistentinnen vergessen. «Man» ist nicht repräsentativ und führt nur zu neuen Worthülsen. Ein paar Handlungsanleitungen helfen Assistentinnen zu einem neuen Dialog über Briefe und E-Mails. Dieses Argumentarium macht sie als Fachleute im Unternehmen wertvoller; sie sind mehr als Sachbearbeiterinnen, sie sind Dialogexpertinnen.