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Klausurtagung – einfach mal raus

Distanz schafft Klarheit. Was fürs Individuum gilt, erweist sich auch für die ­Organisation als zielführend. Klausurtagungen eignen sich, um die Arbeit und die Businessziele neu zu justieren. Wir haben die wichtigsten Punkte für die Organisation einer Klausurtagung zusammengetragen.

Gefangen im Tagesgeschäft mit Sprints von einem Meeting zum nächsten. Dazwischen noch kurz die E-Mails beantworten: Viele Führungskräfte und Mitarbeitende stehen fast täglich vor der Herausforderung, in wenig Zeit viel Arbeit zu schaffen. Die Vielzahl an Kommunikationskanälen, kleine Projekte, die aus dem Nichts auftauchen und umgehend erledigt werden müssen, das Tempo, mit dem Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden müssen, fordern die volle Aufmerksamkeit. Oft fehlt die Zeit, um in Ruhe nachzudenken oder an neuen Ideen zu feilen. Da schafft Distanz Klarheit. Was sich für das Individuum bewährt, gilt auch für Unternehmen – einmal raus aus dem Trott, weg vom Büro und die Arbeit neu justieren.

Chefetagen von kleinen und grossen Unternehmen führen dazu eine Klausurtagung unter Ausschluss der Allgemeinheit durch. «Der Sinn einer Klausurtagung ist, in Ruhe zu überlegen, was gut und was weniger gut läuft, und um Unternehmensziele definieren», erklärt Alexander Disler, Geschäftsführer von adigiconsult. «Eine Klausurtagung ist zudem ein Boost für die involvierten Teilnehmenden und schweisst das Team für die gemeinsame Aufgabe und Zielerreichung noch enger zusammen.» Im folgenden Leitfaden sind die wichtigsten Punkte für die Planung und Organisation einer erfolgreichen Klausurtagung aufgelistet.

DISTANZ

Zentral bei einer Klausurtagung ist der Abstand zum Alltag. Die äusseren Bedingungen bewirken eine Veränderung des Blickwinkels und im besten Fall entstehen kreative Lösungen und innovative Ansätze. Manchmal reift die Erkenntnis, dass bestehende Strukturen und Abläufe nicht mehr nützlich sind. «Meist werden ausserordentliche Ziele bei einer Klausurtagung angegangen. Das Unternehmen steckt in einer schwierigen Lage, neue Produkte sollen in den Markt eingeführt werden oder der Umsatz muss beispielsweise um zehn Prozent gesteigert werden», erklärt Alexander Disler die Themen. Entscheidend sei stets der Zielfindungsprozess.

Für neue Ansätze und verrückte Ideen brauche es eine geografische Distanz zum Alltag. «Ein Ortswechsel, ein anderes Land, raus aus der Stadt in die Natur – das alles ist ein Bruch und nötig, um out of the box zu denken», meint Disler. Auf jeden Fall sollte die Lokalität den Abstand zum Alltagsgeschäft untermauern. Für den Unternehmensberater mit mehrjähriger Moderationserfahrung bewähren sich dafür Seminarhotels, da sie über eine gewisse Ausstattung verfügen. Jedoch muss es, gerade wenn das Budget knapp ist, nicht das 5-Sterne-Hotel sein. «Die Tendenz geht in Richtung einfacheres Hotel, da der Zimmerausstattung keine allzu hohe Bedeutung beigemessen wird.»

DAUER

Einen Tag, zwei Tage oder drei – wie lange sollte eine Klausurtagung dauern? «Optimal sind zwei Tage», sagt Disler. «Klausurtagungen sind für alle Beteiligten anstrengend und fordernd. Nach zwei Tagen intensivem Arbeiten ist meistens bei allen Teilnehmenden die Luft draussen.»

Wann sollte die Klausurtagung stattfinden? «Sinnvolle Tage sind der Donnerstag und der Freitag.» Von einer Durchführung am Wochenende rät Alexander Disler ab. Zwar tangiere eine Klausurtagung das Tagesgeschäft stark, weil an diesen Tagen Mitarbeitende in wichtigen Positionen fehlen, aber sie ist Bestandteil der Arbeit, ergo auch Arbeitszeit. Ist es jedoch zwingend, dass die Klausurtagung übers Wochenende stattfindet, dann sollte die aufgewendete Zeit den Mitarbeitenden gutgeschrieben werden. Das Problem der Abwesenheit lässt sich damit jedoch nicht lösen. «Die Kadermitarbeitenden fehlen dann halt an anderen Tagen, denn irgendwann müssen sie ihre Überstunden kompensieren.»

INVESTITION

Eine Klausur ist eine Investition in die Zukunft und damit gut angelegtes Geld. Sparmassnahmen sind laut Alexander Disler kein triftiger Grund, eine Klausur nicht durchzuführen. Gerade Unternehmen, bei denen es nicht gut läuft, sollten bei einer Klausurtagung zusammensitzen. «Keine Frage, das Hotel, die Verpflegung, vielleicht ein externer Moderator, die Mitarbeitenden, die an diesen Tagen nicht im Betrieb arbeiten, das kostet alles, ist aber gut investiertes Geld.» Vor allem, wenn nicht an den falschen Stellen gespart werde, nämlich in der Vorbereitung, in eine Lokalität ausserhalb des Firmengeländes und in die Moderation, wenn die internen Kompetenzen dazu nicht vorhanden seien. Unter dem Motto «Schauen wir mal» sollte keine Klausur stattfinden. Eine Tagung ohne Überschrift und Planung verkommt zu einem sinnbefreiten Zusammenkommen des Kaders und ist eine Fehlinvestition.

Viele Unternehmen, die Alexander Disler betreut, führen im Jahresrhythmus eine Kader-Klausurtagung durch. Unternehmen tun das meist, um einen Geschäftsplan zu entwickeln. Dabei geht es weniger um Wachstum als um Prozesse, die angepasst werden müssen, oder den roten Faden im Firmenalltag.

PROGRAMM

Für den Erfolg der Klausurtagung entscheidend ist eine detaillierte Tagesplanung mit Programmangaben, zeitlichen Abläufen und Zielsetzung. Alexander Disler beispielsweise hilft beim Entwerfen einer solchen Veranstaltung. Er klärt die Bedürfnisse vorgängig ab, macht sich ein Bild der Unternehmenskultur und erstellt das Programm. Zu Beginn der Klausur gilt es, die Teilnehmenden, die in den unterschiedlichen Abteilungen arbeiten, auf das gleiche Level zu bringen, beispielsweise mit Kurzpräsentationen aus den unterschiedlichen Bereichen. Was läuft gut und was schlecht in den Abteilungen? Auf diese Fragen bereiten sich die Teilnehmenden im Vorfeld vor und erstellen Folien zur Visualisierung. Danach werden die Arbeitsgruppen gebildet. «Damit die vorgegebenen Ziele erreicht werden, muss der Teamzusammenhalt gestärkt werden, sodass ein motiviertes und engagiertes Team in den Berufsalltag zurückkehrt. Deshalb sind Teamübungen ein Instrument, um Mitarbeitende zusammenzuschweissen.» Die Teamübungen seien nicht vergleichbar mit Design Thinking, Value Innovation oder Business Canvas. Dafür reiche die Zeit nicht. Für die Gruppenarbeiten empfiehlt Moderator Disler Flipcharts und Visualizer. «Stark im Kommen sind Videoaufnahmen: Die Gruppen tragen ihre Resultate auf den Flipcharts zusammen und drehen mit dem Handy ein Video. So kommt beim Ergebnisvorstellen viel Dynamik ins Spiel.»

Klausuren sind keine Betriebsausflüge, dennoch braucht es ein ansprechendes Abendprogramm. «Ich empfehle meinen Kundinnen und Kunden stets, etwas Aussergewöhnliches zu organisieren.» Das Abendprogramm sollte gemäss Disler eine Überraschung sein und nach einem Tag in den Seminarräumlichkeiten von Vorteil draussen stattfinden. Schneeschuhlaufen, Velo fahren, gemeinsames Kochen unter Anleitung: Hauptsache, die Leute können den Kopf lüften. Nicht empfehlenswert sind für Alexander Disler Programme wie Cocktail mixen oder gemeinsames Wellnessen. Bei ersterem besteht die Gefahr, dass es zu Besäufnissen ausartet und am Folgetag die Produktivität darunter leidet. Bei zweitem stellt sich die Frage: Wer will mit dem Chef oder dem Team in die Sauna?

TEILNEHMERKREIS

«Je abteilungsübergreifender man aufgestellt ist, desto breiter ist das Spektrum an Wissen und Ansichten, die aufeinandertreffen, und desto umfassendere Lösungen kommen zusammen», sagt der Unternehmensberater. Sinnvollerweise nehmen Kadermitarbeitende von der untersten bis zur obersten Stufe teil. «Der Aha-Effekt in der Geschäftsführung ist dann immer sehr gross, wenn sie die Meinungen der unteren Kader hören.» Ideal sei eine Teilnehmerzahl von 15 bis 20 Personen. «Alles, was darüber ist, ist schwierig und es bilden sich informelle Gruppen.»

Sollen Assistenzen die Klausurtagung organisieren oder auch daran teilnehmen? «Assistentinnen oder Assistenten müssen unbedingt dabei sein. Als wichtige Bindeglieder zwischen dem Top-Management sowie den nachfolgenden Stufen hören und sehen sie vieles. Zudem besitzen sie in ihrer Position einen neutralen Blick und ihre Meinung ist sehr wichtig. Sollte die Teilnahme der Assistentin in Frage gestellt werden, so hat Disler die passende Begründung: Irgendjemand muss das Protokoll schreiben.

Assistentinnen müssen im Arbeitsalltag diskret und verschwiegen sein. Wie offen dürfen sie bei einer Klausurtagung sein? «Bei der Gruppenarbeit kann die Assistentin so offen ihre Sichtweise äussern, wie jedes andere Mitglied auch. Die Punkte, die sie einbringt, sind bei der Vorstellung der Gruppenarbeit nicht mehr ersichtlich, weil das Ergebnis der Gruppe präsentiert wird.»

KOMMUNIKATION

Eine Klausurtagung findet zwar unter Ausschluss der Allgemeinheit statt, sie ist jedoch kein Betriebsgeheimnis. Die Geschäftsleitung sollte im Sinne einer offenen Kommunikation bereits im Vorfeld informieren, dass sie stattfindet. Wer ist dabei, welches Thema wird diskutiert, was ist das Ziel, wann findet sie statt – «Nur mit einer offenen Kommunikation bringt man das ganze Unternehmen hinter sich.» Ist die Klausur vorbei, empfiehlt Alexander Disler, eine Informationsveranstaltung durchzuführen. Dabei wird über die wichtigsten Erkenntnisse, die Massnahmen und den Zeitrahmen für die Umsetzung informiert.

NACHHALTIGKEIT

Die wichtigste Massnahme nach der Klausurtagung ist die Umsetzung. «Nur 50 Prozent unserer Kundinnen und Kunden haben den Wunsch, bei der Umsetzung begleitet zu werden», sagt Unternehmensberater Alexander Disler. Laut seiner Erfahrung versanden so jedoch viele Prozessänderungen, weil von zehn definierten Punkten lediglich zwei umgesetzt werden. Das führe zu Frustration bei den Mitarbeitenden. Der Drive und die Motivation verpuffen, die sie nach der Klausurtagung verspürten. «Wichtig ist es, auf Papier zu bringen, welche Ziele Abteilung X in welchem Zeitrahmen und mit welchem Budget zu erreichen hat. Der Terminplan sollte für alle sichtbar sein.» Der Massnahmenkatalog diene als Führungsinstrument und gebe den Mitarbeitenden den Fahrplan für die kommenden Monate vor.

MOTIVATION

Ein Ziel der Klausur ist die Motivation der Mitarbeitenden. Diese wird nebst den Teamübungen auch mit kleinen Aufmerksamkeiten am Abend gesteuert. Im Anschluss an eine Klausurtagung hört Alexander Disler oft, dass sich die Teilnehmenden nach der intensiven Arbeitsphase zum ersten Mal als Einheit wahrgenommen haben. Sich als Individuum als Teil einer Einheit zu sehen, ist gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ein wichtiges Argument, um nicht den Arbeitgeber zu wechseln. «Das Kader muss die Vision der Geschäftsleitung kennen, verstehen und mittragen. Die Klausurtagung deckt einen zusätzlichen Aspekt ab: die Mitsprache zu wichtigen Unternehmensthemen.»

Alexander Disler

Alexander Disler ist Geschäftsführer von adigiconsult. Er ist Experte, Dozent, Referent, Redner und Moderator im Bereich Verkauf, Marketing und Digitalisierung. Disler plant, organisiert und leitet als externer Moderator auch Klausurtagungen.

adigiconsult.ch

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