Job Crafting

Jeder tut es

Wer etwas in seinem Job verändern will, muss nicht gleich alles über den Haufen werfen. Das Zauberwort heisst Job Crafting. Wer das beherrscht, kann seine Stelle an die eigenen Bedürfnisse anpassen. 

Frau Bipp, Sie beschäftigen sich mit dem Phänomen Job Crafting. Was genau verbirgt sich dahinter?

Von Job Crafting spricht man, wenn Mitarbeitende selbst ihren Job an die eigenen Bedürfnisse, Wünsche oder Interessen anpassen.

Wie soll das denn gehen? Welche Tätigkeiten ein Job erfordert wird ja vom Unternehmen oder den Vorgesetzten festgelegt …

Grundsätzlich natürlich schon. In Stellenausschreibungen ist meist grob beschrieben, worum es geht. Viele Unternehmen haben ausserdem konkrete Beschreibungen für ihre Stellen, in denen aufgelistet ist, welche Tätigkeiten dazugehören. Doch wir wissen aus der Forschung, dass im Job selbst nicht unbedingt das gemacht wird, was irgendwo festgeschrieben ist. Und das ist die Folge von Job Crafting.

Ist Job Crafting auf allen Hierarchiestufen möglich?

Auf jeden Fall. Jeder von uns ist ein Jobcrafter. Zuerst beschrieben haben das Phänomen amerikanische Arbeitspsychologinnen. Sie hatten beobachtet, wie das Reinigungspersonal in einem Krankenhaus nicht nur putzte, sondern auch mit Patienten und Besuchern in Kontakt stand, sich mit ihnen unterhielt oder ihnen half, was eigentlich nicht zum Job gehörte. Im Vergleich zu Kolleginnen, die sich nur als Putzfrauen verstanden, waren sie zufriedener im Job und motivierter, weil sie sich als wichtigen Teil des Krankenhauses verstanden.

Wie gehe ich vor, wenn ich meinen eigenen Arbeitsplatz nach meinen Bedürfnissen umbauen möchte?

Zuerst muss man sich natürlich über die eigenen Interessen und Wünsche klar werden. Je besser diese nämlich zum Job passen, desto höher ist die Zufriedenheit und die Motivation.

«Job Crafting kann man nicht kontrollieren.»

Welche Stellschrauben für Job Crafting gibt es denn?

Ein Job definiert sich grundsätzlich aus An­forderungen und Ressourcen. Und genau dort setzt Job Crafting an. Man kann also entweder versuchen, belastende Anforderungen zu reduzieren, oder versuchen, die Effizienz zu steigern. Man kann auch zusätzliche Aufgaben, die einem Freude machen, übernehmen und neue Herausforderungen suchen. Auf der Ressourcenseite kann man etwas Neues lernen und ist so besser für einen Job gewappnet oder man kann aktiv Kollegen oder die Führungskraft um Feedback oder Rat bitten.

Wie kann Feedback den Job verändern?

Feedback hilft dabei, mehr Wertschätzung zu erlangen und herauszufinden, wie man in seinem Job besser werden kann. Das kann helfen, den eigenen Job ganz anders wahrzunehmen und mehr Spass zu entwickeln.

Was, wenn weder bei den Ressourcen noch bei den Anforderungen viel zu machen ist?

Es gibt auch noch die Möglichkeit, auf kognitiver Ebene etwas zu verändern, also die eigene Einstellung zum Job ändern. Wenn jemand zum Beispiel tagein, tagaus die gleichen sich wiederholenden Aufgaben macht, kann die Person versuchen, das für sich umzudeuten und zu sagen: «Ich trage hier dazu bei, dass mein Chef die richtigen Entscheidungen treffen kann.» Wer sich als Teil von etwas Grösserem begreift und sich die Auswirkungen des eigenen Jobs auf andere oder die Gesellschaft verdeutlicht, kann auch höheres Arbeitsengagement entwickeln.

Haben Unternehmen denn überhaupt ein Interesse daran, dass Mitarbeitende Job Crafting betreiben?

Unternehmen tun sich mit der Idee anfangs oft ein bisschen schwer, denn viele haben ja noch immer die Neigung, alles kontrollieren zu wollen. Doch letztlich müssen sie sich damit anfreunden, denn Job Crafting findet wirklich überall statt, man kann es nicht kontrollieren. Aber man kann natürlich versuchen, positive Aspekte dieses Verhaltens gezielt zu fördern und mögliche negative Folgen zu verhindern.

Das klingt, als würden alle Menschen fröhlich vor sich in craften …

So ist es auch. Mehr oder weniger hat jeder schon einmal etwas in seinem Job verändert, beispielsweise eine zusätzliche Aufgabe übernommen oder etwas anderes hinten angestellt, weil er keine grosse Lust darauf hatte.

Birgt das nicht auch Gefahren?

Das tut es. In erster Linie ist Job Crafting zwar positiv und sorgt dafür, dass Menschen bei der Arbeit motivierter sind. Doch es gibt auch Schattenseiten. Zum einen kann es passieren, dass Menschen sich selbst überfordern, indem sie zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben noch zusätzliche Arbeit annehmen. Zum anderen ist es auch möglich, dass die Kollegen die negativen Auswirkungen zu spüren bekommen. Wenn einer extrem craftet, bleibt je nachdem Arbeit übrig, die dann jemand anders machen muss. Das  müssen Unternehmen im Blick haben.

Macht es Sinn, sich zuerst einmal in einer Weiterbildung die entsprechenden Kompetenzen anzueignen, bevor man seinen Job umbaut?

Weiterbildung ist eine wichtige Ressource, die generell dabei hilft, zufrieden und motiviert im Job zu sein. Aus Studien wissen wir, dass Weiterbildung negative Effekte von Arbeisanforderungen auf die Gesundheit mildert. Und vor dem Hintergrund der Digitalisierung, durch die sich Arbeitsplätze gerade rasant verändern, sollte sich wirklich jeder überlegen, wo er neue Ressourcen und Fähigkeiten aufbauen will und wo er Perspektiven sieht.

Sollte man einfach machen oder erst mal fragen?

In der eigentlichen Definition ist Job Crafting selbstinitiiert und geht vom Mitarbeitenden aus. Aber wenn man ein grösseres Job-Crafting-Projekt im Auge hat, macht ein Gespräch mit dem Chef natürlich Sinn. 

Die Interviewpartnerin

Tanja Bipp ist Professorin für Arbeits-, Betriebs- und Organisa-tionspsychologie. Sie erforscht wie Menschen am Arbeitsplatz motiviert werden
und gesund bleiben.

 

 

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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