«Jeder ist mal schwierig»
Schwierige Menschen trifft man überall. Und wer ehrlich ist, weiss: auch man selbst gehört ab und zu zu dieser Kategorie von Menschen. Doch was tun, wenn einem Dauernörgler, Choleriker oder Heulsusen täglich das Leben zur Hölle machen? Buchautorin und Miss Moneypenny Bloggerin Silke Weinig gibt Antworten.
Frau Weinig, sind Sie schwierig oder haben Sie schwierige Menschen in Ihrem Umfeld?
(lacht.) Wir sind doch alle ein bisschen schwierig. Darum kann ich mir auch vorstellen, dass jemand findet, «Silke ist nicht immer ganz einfach». Aber mal im Ernst: Beruflich habe ich immer wieder mit schwierigen Menschen zu tun oder mit Menschen, die mit schwierigen Menschen zu tun haben. Sei es der Chef, ein Kunde oder ein Arbeitskollege. Fast jeder hat Berührungspunkte.
Liegt es im Auge des Betrachters, ob jemand schwierig ist?
In den meisten Fällen ist das so. Es gibt Studien, laut denen 65 Prozent aller Ärgerquellen andere Menschen sind. Man kann also davon ausgehen, dass jeder mal schwierig ist und man auch selbst mal dazugehört. Der eine findet Direktheit toll, dem anderen ist das Auftreten zu forsch. Aber es gibt auch pathologisch schwierige Menschen.
Sie haben ein Buch über schwierige Menschen geschrieben. Wer sollte das lesen?
Alle, die souveräner und adäquater mit schwierigen Menschen umgehen wollen, und alle, die sich innerlich stärken wollen. Wer weiss, was er will, den kann keiner so leicht aus dem Tritt bringen. Viele Menschen möchten schwierigen Zeitgenossen gern Paroli bieten, aber das muss meiner Meinung nach gar nicht sein.
Ist Schweigen die bessere Reaktion?
Schweigen vielleicht nicht, aber ruhig bleiben. Die meisten schwierigen Menschen suchen Aufmerksamkeit. Wenn man ihnen die gibt, wird es nur noch schlimmer. Die wenigsten Menschen reflektieren, wie sehr sie selbst dazu beitragen, dass schwierige Menschen ihren Willen durchsetzen und ihre Plattform bekommen.
Von welchen Schwierigkeiten genau reden wir überhaupt?
Das ist ganz unterschiedlich. In der Regel fangen die Schwierigkeiten oder Konflikte dort an, wo die eigene Grenze überschritten wird. Das heisst nicht, dass jeder Konflikt schlecht ist, sie können auch zur Klärung beitragen. Konflikte sollte man darum so schnell wie möglich ansprechen, auch wenn man das Gefühl hat, es sei banal. Alles, was man nicht früh anspricht, wird in der Regel schlimmer. Stellen Sie sich vor, der neue Arbeitskollege isst am Arbeitsplatz einen Döner. Jetzt kann man sich denken, «ich sag jetzt das eine Mal nichts». Aber dadurch, dass man nichts sagt, kann es auch sein, dass man neue Standards setzt.
«Schwierige Menschen suchen Aufmerksamkeit.»
Wie spricht man so etwas am besten an?
Am einfachsten geht das mit der SAG-ES-Formel: S steht für das Nennen des Sachverhalts (du isst am Arbeitsplatz), A für die Auswirkung (hier entsteht Geruch) und G für das Gefühl (dabei kann ich nicht arbeiten). Dann folgt das ES. E steht fürs Erfragen, wie der andere das sieht, und S für Schluss und gemeinsame eine Lösung finden. Vielleicht ist der anderen Person die Wirkung ihres Verhaltens gar nicht bewusst. Natürlich sind nicht alle dankbar dafür, auf so etwas angesprochen zu werden, aber diesen Konflikt muss man aushalten.
Was sind No-Gos im Umgang mit schwierigen Menschen?
Entschuldigungen wird man von schwierigen Menschen nie bekommen. Aber viel wichtiger ist es, zu lernen, bei sich zu bleiben. Denn schlechte Laune ist zwar ansteckend, gute aber auch. Und wir entscheiden immer noch selbst, ob wir uns runterziehen lassen oder eben nicht.
Muss man im Umgang immer nur an sich selbst arbeiten oder besteht die Chance, dass sich der schwierige Mensch ändert?
Schön wärs. Aber der einzige Mensch, den man ändern kann, ist man nun einmal selbst. Ich kann nur an mir und meiner Einstellung arbeiten. Es ist schwer möglich, zu einem -Pessimisten zu sagen: «Arbeite mal an deiner guten Laune.» Letztlich bringt einen die Arbeit an einem selbst aber auch voran: Es geht einem besser, man ist zufriedener und gesünder. Und was gibt es Schlimmeres für einen Widersacher, als einen glücklich zu sehen.
Wissen schwierige Menschen um ihre Schwierigkeit?
Die einzigen, die es wissen, sind die Ängstlichen. Die anderen halten ihr Verhalten für total normal. «Ich bin halt impulsiv und sag meine Meinung direkt, das ist mein Naturell», könnte der Besserwisser oder Rechthaber sagen. Und Pessimisten oder Zyniker würden von sich behaupten, dass sie ja nur ein Bild der Realität wiedergeben.
Gibt es Orte, an denen man mehr schwierige Menschen antrifft als anderswo?
Belegt ist, dass der Anteil an Narzissten und Psychopathen in hohen Positionen gross ist. Bei beiden muss man sagen, dass sie sehr charismatisch und risikobereit sind, weshalb sie oft weit oben landen. Auch viele Schauspieler sind Narzissten, wahrscheinlich muss man das für den Job auch sein. Und ich würde annehmen, dass man unter Pädagogen eher wenige Choleriker findet. Grundsätzlich sollte man sich darauf einstellen, dass in Unternehmen, in denen hoher Druck herrscht, der Ton rauer wird.
Macht uns Stress zu schwierigen Menschen?
Mal abgesehen von den normalen Schwierigkeiten, die im Leben nun einmal auftauchen, prasseln viele Dinge auf uns ein, die unseren Sympathikus andauernd aktivieren, wodurch wir die ganze Zeit in Alarmbereitschaft versetzt sind. Lärm ist so ein Beispiel. In den Grossstädten nehmen wir das zum Teil gar nicht mehr wahr, aber es stresst uns, denn das Gehirn muss den Lärm trotzdem verarbeiten. Ich kann mir vorstellen, dass all das dazu beiträgt, dass wir selber schwieriger sind und mehr Mühe haben, auf andere schwierige Menschen adäquat zu reagieren.
Welcher Typ ist der Allerschwierigste?
Am meisten werde ich auf Choleriker angesprochen und das kann ich verstehen, weil das diejenigen sind, die einen direkt beleidigen. Für mich sind aber die am schlimmsten, die mich mit Tränen zu etwas zwingen, das ich sonst nicht machen würde.
Muss man selbst sehr stark sein, um mit schwierigen Menschen umzugehen?
Vor allem muss man herausfinden, wer man selbst ist. Das ist eine wichtige Ressource, denn wer nicht weiss, was er will, kann auch niemandem Grenzen setzen. Jeder sollte sich daher fragen, wer er überhaupt sein möchte. Ich bin der festen Überzeugung, dass wirklich jeder an sich arbeiten kann. Das ist ein grosser Hoffnungsschimmer.
Zur Person
Silke Weinig führt Persönlichkeitsanalysen durch und gibt Seminare für Unternehmen und Privatpersonen.
Mehr von Silke Wenig zu Lesen gibt es in ihrem Blog unter blog.moneypenny.ch