Beruf und Familie managen

Immer schön flexibel bleiben

Vereinbarkeit von Beruf und Familie bedingt Kompromissbereitschaft. Auf beiden Seiten. Entweder man findet gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine Lösung. Oder eben nicht. Unternehmen und Chefs, die sich flexibel zeigen, gewinnen motivierte Mitarbeiter. Alle anderen verlieren Talente.

Nicole Binder und Prisca Torti: Jobsharing bei Axa Winterthur

Nicole Binder: «Im Jobsharing arbeiten Prisca und ich seit fünfeinhalb Jahren. Damals bin ich Mami geworden und wollte nach dem Mutterschaftsurlaub auf 40 Prozent reduzieren. Als ich meinem damaligen Chef vorgeschlagen habe, den Job zu teilen, hat er mich zuerst mit grossen Augen angeschaut und nichts mehr gesagt. Diese Zurückhaltung habe ich auch verstanden. Wir haben dann die Vor- und Nachteile diskutiert und sind so verblieben, dass ich die Chance bekomme, zu beweisen, dass es funktioniert. Und die habe ich auch genutzt. Er hat vermutlich nicht daran geglaubt, dass es klappen würde, aber das hat mich eher noch angespornt. Ausserdem habe ich von der Head Diversity tolle Unterstützung bekommen. Sie hat mich beraten, wie ein Jobsharing organisiert sein kann und mit mir Punkte diskutiert, die es zu beachten gilt. Heute muss ich sagen, dass Prisca und ich das anscheinend super gemacht haben, sonst wären wir wohl nicht mehr in dieser Position. Mittlerweile haben wir den dritten Chef, die beiden Nachfolger meines damaligen Chefs haben uns sozusagen im Doppelpack übernommen. Unser zweiter Chef hat am Anfang die Namen etwas durcheinander gebracht und unser heutiger Chef hatte im vorherigen Job keine Assistentin. Und dann gleich zwei. Damit kam er aber auf Anhieb klar.»

Prisca Torti: «Ich arbeite 50 Prozent, immer montags, dienstags und mittwochs am Vormittag. Am Mittwochnachmittag ist unser Chef auf sich gestellt. Dann ist er oft ohnehin in Meetings. Nicole und ich begegnen uns im Büro nie. Wir haben ein Pendenzen-Sheet, in das wir chronologisch eintragen, was gerade anliegt und wir informieren uns gegenseitig, indem wir uns bei relevanten E-Mails einkopieren. Bei komplizierteren Sachverhalten telefonieren wir auch mal. Das kommt vielleicht zweimal in vier Wochen vor. Hin und wieder kommt Nicole auf einen Kaffee im Büro vorbei. Aber dann reden wir nicht unbedingt übers Geschäft. Vor dem Jobsharing mit Nicole habe ich mir im Unternehmen bereits zwei andere Stellen mit jemandem geteilt. Das Wichtigste ist für mich die gegenseitige Sympathie und das Vertrauen, bisher hat das immer sehr gut geklappt. Mit ein bisschen Flexibilität in Bezug auf die Arbeitsweise des jeweils anderen ist Jobsharing kein Problem. So lange nicht ein ‹Luftibus› auf eine sehr exakt arbeitende Person trifft. (lacht)»

Anonyme CEO-Assistentin: Auf dem Abstellgleis

«Im Dezember bin ich zum ersten Mal Mutter geworden. Beim letzten Mitarbeitergespräch mit meinem Chef hatten wir vereinbart, dass ich nach dem Mutterschaftsurlaub zunächst drei Monate lang 50 Prozent, drei Monate 80 Prozent und ab 2016 wieder 100 Prozent für ihn arbeiten würde. Als ich Mitte Juni zurückkam, hatte ich nicht einmal mehr einen Schreibtisch, sondern sass an einem normalen Tisch irgendwo hinter der Tür. Erst nach vier Tagen hat mir mein Chef gesagt, dass meine Stellvertreterin jetzt meine Stelle übernimmt. Er habe sich gut mit ihr eingearbeitet und wolle keine Unruhe in den Alltag bringen. Ich war schockiert, schliesslich hatte ich vorher schon fünf Jahre mit ihm zusammengearbeitet, hatte mit ihm die Stelle gewechselt und ihm sehr vertraut. Nach dieser Nachricht habe ich drei Wochen lang kaum geschlafen und gegessen und mich gefragt, was ich falsch gemacht hatte. Ich verstehe es aber immer noch nicht, schliesslich habe ich mich immer für den Job aufgeopfert, habe gearbeitet, als ich krank war, als ich in den Ferien war, quasi rund um die Uhr. Ich übernehme momentan kleinere Projektarbeiten, bin meinem Chef zwar noch unterstellt, aber arbeite nicht mehr direkt mit ihm zusammen. Vom HR habe ich mir bereits mein Zeugnis ausstellen lassen. Sobald ich eine neue Stelle als Assistentin finde, werde ich das Unternehmen verlassen. Die Art und Weise, wie ich aufs Abstellgleis geschoben wurde, ist für mich einfach nicht nachvollziehbar.»

Cornelia Körner: 100 Prozent mit Baby

«Ich bekomme Ende Jahr mein erstes Kind und werde nach dem 16-wöchigen Mutterschaftsurlaub wieder 100 Prozent arbeiten. Es ist mir bewusst, dass der Wiedereinstieg wahrscheinlich hart wird; mit knapp vier Monaten sind Babys ja schon noch munzig. Aber ich vertraue da auf meinen Mann – er wird sein Pensum reduzieren. Für mich kam das nicht in Frage. Erstens habe ich früher, während eines Studiums, meinen Chef schon einmal gefragt, ob ich auf 80 oder 60 Prozent reduzieren könne. Er hat damals klar abgelehnt. Ich habe darum gar nicht erneut gefragt. Zweitens will ich auch nicht Teilzeit arbeiten. Ich habe Kolleginnen gesehen, die ihr Pensum runtergeschraubt haben, und die meisten waren unglücklich damit und haben den Betrieb früher oder später verlassen. Es ist schwierig, wenn man immer über alles Bescheid wusste, überall involviert und informiert war, und dann plötzlich nur noch einen Bruchteil von allem mitbekommt. Wenn man reduzieren möchte, ist es wohl einfacher, das Unternehmen zu wechseln und dort gleich mit dem neuen Pensum einzusteigen. Auch Jobsharing ist für mich keine Option. Ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist, zu zweit einen guten Job zu machen. Aber ich glaube, die zwei Partnerinnen müssen extrem gut zusammenpassen, damit es für beide stimmt. Bei den meisten Gespannen gibt es Reibungspunkte und Machtkämpfe. Das raubt Arbeitszeit und ist anstrengend. Ich bin froh, hat mir mein Chef dieses Modell nicht vorgeschlagen. Er unterstützt mich in meinem Vorhaben, auch mit Kind 100 Prozent zu arbeiten. Und da er selber Familienvater ist, hat er wohl auch ein gewisses Verständnis, wenn es wirklich einmal irgendwo brennen sollte. Im kleinen Rahmen bin ich auch flexibel, was meine Arbeitszeiten betrifft. Klar werde ich wahrscheinlich an den Anschlag kommen, aber das gehört wohl dazu. Allgemein denke ich nicht, dass es in der Assistenz schwieriger ist, Job und Familie zu vereinen, als in anderen Berufen. Es kommt extrem auf das Jobprofil der Assistentin an. Schwierig an unserem Beruf auf dieser Stufe ist wohl, dass es selten klare Acht-Stunden-Tage gibt. Manchmal muss man einfach zehn, elf Stunden bleiben, um etwas fertig zu machen. Ich werde versuchen, das in Zukunft zu minimieren, aber das ist einfacher gesagt als getan. Es wird sich zeigen, wie alles funktioniert. Man muss es auch ein bisschen so nehmen, wie es kommt.»

Eva Waldburger: Alleinerziehende Mutter bei der Post

«Als meine Tochter vor rund sechs Jahren auf die Welt kam, war ich gerade noch in meiner Ausbildung. Als ich diese abgeschlossen hatte, habe ich sofort angefangen, 100 Prozent zu arbeiten. Ein Jahr lang sogar in Prag. Dorthin habe ich sie natürlich mitgenommen, betreut hat sie mein damaliger Mann. Als sie in den Kindergarten kam, sind wir in die Schweiz zurückgekehrt und ich bekam einen Job als Direktionsassistentin angeboten: zunächst auf drei Monate befristet, dann aber unbefristet. Bis diesen Mai war ich dort als Assistentin der sechs Geschäftsleiter tätig. Hauptsächlich aber für den CEO und den Generalsekretär. Nach einer Zeit habe ich gemerkt, dass mir 100 Prozent einfach zu viel sind und habe auf 80 Prozent reduziert. Ich wollte Zeit für meine Tochter haben und auch, um Privates zu organisieren. Wenn man 100 Prozent arbeitet, muss man immer während der Arbeitszeit auf der Gemeinde anrufen oder zum Arzt gehen. Leider hat das mit der Pensumsreduktion nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt hatte. Vermutlich weil meine Chefs ja daran gewohnt waren, dass ich vorher immer verfügbar war. Es gab zwar eine Stellvertretung, aber vieles konnte ich nicht delegieren und es endete regelmässig damit, dass ich die GL-Protokolle an meinem freien Tag zu Hause schrieb. Das war auf Dauer keine befriedigende Lösung. Seit April 2014 bin ich alleinerziehend. Meine Tochter geht in eine Tagesschule, hin und wieder greife ich für die Betreuung auf einen Babysitter zurück. Aber grundsätzlich muss ich mich und meine Tochter allein organisieren. Vom CEO kam dann das Zeichen, dass es wohl besser wäre, mir eine neue Stelle zu suchen. Es hängt wirklich sehr vom Chef ab, ob es möglich ist, Teilzeit zu arbeiten. In meinem neuen Job bei der Post war von Anfang an klar, dass ich montags nicht im Büro bin. Die Meetings werden dann einfach auf den Dienstag gelegt. Wenn ich nicht da bin, übernimmt meine Teamkollegin und ich vertrete sie bei Abwesenheiten. Alle sind informiert, dass sie erst am Dienstag mit ihren Anliegen zu mir kommen können. Die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten, habe ich hier nicht und das finde ich auch gut so. Der Montag gehört einfach mir und meiner Tochter.»

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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