Im Dienste der Prinzessin
Auf der Höhe ihrer Popularität war Patrick Jephson der Privatsekretär von Prinzessin Diana. Heute führt er in seiner Wahlheimat Washington DC eine Kommunikations- und Reputationsberatungsfirma. Im Interview wollten wir wissen, wie die Zusammenarbeit mit der Fürstin von Wales war.
Sie waren der erste und einzige Privatsekretär und Stabschef der Prinzessin von Wales. Wie kamen Sie zu diesem Job?
Ich war Berufsoffizier in der britischen Marine und nach längerer Zeit auf See wurde ich ausgewählt, um als Militärhilfe von Prinzessin Diana zu dienen. Im Palast nennt man das Stallmeister. Die Anstellung war vorerst auf zwei Jahre begrenzt und ich hätte danach zur Marine zurückkehren sollen. Doch als sich meine Amtszeit dem Ende neigte, wurde klar, dass die Ehe von Prinz Charles und Prinzessin Diana in tiefen Schwierigkeiten lag und sich die Eheleute bald trennen würden. So bat mich die Prinzessin, die Marine zu verlassen und ihr erster und einziger Stabschef zu werden, um ihr eigenständiges Büro einzurichten und ihre komplette Organisation zu leiten. In den Worten des Oscar-gekrönten Filmemachers David Puttnam war ich «der Produzent der Diana-Show».
Ich hatte nie gedacht, dass ich den Job bekommen würde. Das Auswahlverfahren bestand aus einem Lunch mit Prinzessin Diana im Kensington-Palast und es gab sechs Kandidaten. Am Ende sagte sie: «Patrick, lass uns die Welt erobern.»
Wie haben Sie das Büro der Prinzessin organisiert?
Das Büro von Prinzessin Diana zu leiten, zu organisieren und zu führen war mir nicht nur eine grosse Ehre, sondern auch mit unheimlich viel Arbeit verbunden. Das hing nicht nur mit den vielen Aufgaben zusammen. In den späten 80er- und 90er-Jahren kamen die zahlreichen Krisen im königlichen Haushalt hinzu. Ich habe mir viel Mühe gegeben, gelassen zu wirken, und war stets bemüht, dass alles reibungslos läuft.
Zu meinen täglichen Arbeiten für Prinzessin Diana gehörte die Kontaktpflege mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten von der untersten bis zur obersten Ebene wie beispielsweise Staatsoberhäupter. Ich organisierte Dianas öffentliche Pflichten und reiste mit ihr in fünf Kontinente, begegnete Persönlichkeiten wie Premierministerin Margaret Thatcher, Bono, Präsident George H. W. Bush, Mutter Teresa, Luciano Pavarotti und dem Kaiser von Japan.
Ein Teil meines Jobs umfasste das Verfassen von Reden und offiziellen Korrespondenzbriefen sowie die Beziehungspflege zu den Medien. Diana hat nie einen Pressesprecher in Vollzeit eingestellt und verliess sich da ganz auf ihre harte Arbeit für zwar unbeliebte, aber würdige und wohltätige Zwecke. So engagierte sie sich etwa für Aids- und Leprakranke, drogenabhängige und obdachlose Menschen. Sie wollte auf diese Menschen aufmerksam machen, damit sie durch diese Publicity mehr Unterstützung erhalten.
Wie war Diana als Vorgesetzte?
Wie viele wichtige historische Persönlichkeiten war Diana nicht immer eine einfache Vorgesetzte. Sie war bis in die Fingerspitzen eine Aristokratin und eines eisernen Trotzes fähig, wenn sie sich als Opfer von Ungerechtigkeiten sah. Sie war auch eine vollendete königliche Expertin, die für sich selbst und für ihr Team hohe Massstäbe setzte. Diana war sich bewusst, dass die Sympathien in der Öffentlichkeit durch harte Arbeit verdient wurden und dass alle königlichen Mitglieder der historischen Erwartung von Pflicht und Aufopferung alle Ehre zu machen hatten. Sie war extrem aufmerksam, intuitiv, organisiert und schlagfertig; Ich habe schon früh in meiner königlichen Karriere gelernt, dass selbst ein kleiner Fehler ihr Missfallen nach sich ziehen konnte. Die Fürstin von Wales schätzte harte Arbeit. Ihre vielen handgeschriebenen Notizen der Anerkennung zählen heute noch zu meinen liebsten Andenken.
Am Ende des Auswahlverfahrens sagte Prinzessin Diana zu mir: «Patrick, lass uns die Welt erobern.»
Sie sind ein Fan der Luftfahrt und Sie reisten viel mit der Prinzessin. Wie war das?
Wenn die Arbeit stressig ist, hilft es, Aufgaben zu haben, die man geniessen kann. Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich mich immer auf das Reisen gefreut habe. Es bedarf nicht viel Fantasie sich vorzustellen, dass es Tage gab, an denen die Angespanntheit sehr gross war. Insbesondere als der Prinz und die Prinzessin sich scheiden liessen, gab es sehr viele Tage voller Stress, wo wir uns staatsrechtlich gesehen auf Neuland befanden. Aber ich war immer froh, dass Fliegen und Reisen für mich ein Trost waren. Wir sind viel geflogen und viele Reisen waren sehr interessant.
Ich glaube auch, Prinzessin Diana half es zu sehen, dass Reisen interessant sein kann und Fliegen Spass macht. Egal, wie schwer die Arbeit bei der Ankunft sein würde oder wie kompliziert eine Situation, die wir hinter uns gelassen hatten, war, die Reise selbst konnte nicht nur an sich nützlich sein, um Vorbereitungen zu treffen und Papierkram zu erledigen, sondern auch Freude bereiten. Gegen Ende unserer Zusammenarbeit erkannte sie das Potenzial des Geniessens. Nicht zuletzt wegen der Gelegenheit fürs stille Nachdenken, die das Fliegen ermöglicht.
Ich erinnere mich an die Rückkehr von New York mit der Concorde nach einem besonders erfolgreichen Besuch und da sass die Prinzessin von Wales und war mit Näharbeit beschäftigt. Tja, ich weiss nicht, wie viele Leute wohl schon «Überschallstickerei» gemacht haben. Aber das zeigte mir, dass sie sich in der Luft entspannen konnte und die Zeit nutzte, um ihre Batterien wieder aufzuladen.
Welche Reise war besonders?
Meine erste und meine letzte Reise mit der Prinzessin mochte ich besonders, weil beide Male das Ziel New York war. Sie sind Erinnerungen, die zugleich glücklich und schmerzlich sind. Und beide Male flogen wir mit der Concorde – ein grosser Bonus!
Sie haben während Ihrer Zeit mit der Prinzessin ausserordentliche Persönlichkeiten kennengelernt. Welche Begegnung bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?
In Rom wurden wir spontan in die private Kapelle von Mutter Teresa zum Gebet eingeladen. Ein Moment, der keine Worte benötigt. Eine gute Lehre an dieser Stelle: Bauen Sie immer genug Zeit für unerwartete Gelegenheiten in die Planung ein.
Die meisten Menschen, an die ich mich erinnere und die ich bewundere, waren nicht berühmt, sie waren einfach gute Menschen, die für sehr wenig Anerkennung wertvolle Arbeit leisteten.
Sie haben Ihr Amt ein Jahr vor dem tragischen Tod von Lady Di niedergelegt. Wieso entschieden Sie sich zu gehen?
Es war Zeit für mich zu gehen, weil das Vertrauen nicht mehr auf gleicher Ebene war. Wir alle wissen, besonders Sie als Assistenzen, dass dies das A und O ist. Ich habe den Schritt gemacht, weil ich das Gefühl hatte, dass Diana Sachen zugestimmt hat, die ich nicht aus voller Überzeugung unterstützen konnte. Wenn du nicht zu 100 Prozent hinter den Entscheidungen deines Chefs oder deiner Chefin stehst, kannst du deinen Job nicht effizient ausführen.
Wir alle erinnern uns an die Nacht im August 1997, als Diana bei einem Autounfall ums Leben kam. Wo waren Sie Patrick und was dachten Sie?
Ich war zu Hause auf dem Land. Es war noch Nacht, aber ich konnte nicht schlafen und so ging ich in die Küche, um Tee zu kochen. Ich hatte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Ein Zeitungsredakteur wollte einen Kommentar zur «furchtbaren Nachricht über Prinzessin Diana» von mir. Ich schaltete den Fernseher ein und stand unter Schock, während sich die Geschichte entfaltete.
Seltsamerweise war ein Teil von mir gar nicht überrascht. Denn als ich sah, wie sie in Südfrankreich von der Fayed-Jacht aus Fotografen gestichelt hat, hatte ich das Gefühl, dass ich Zeuge ihrer endgültigen Entfremdung von ihrer Rolle als Königin in Wartestellung war – ihrem Status in den Jahren, in denen ich ihr gedient hatte. Was auch immer ihre Zukunft gewesen wäre, sie hätte keine königliche Funktion in der ersten Reihe bekommen. Viel mehr wäre sie als prominentes Anhängsel eines statushungrigen Millionärs wahrgenommen worden.
Pflicht, Schönheit und Aufopferung sind mächtige interkulturelle Vorstellungen.
Diana wird für immer die Prinzessin der Herzen sein. Welches ist Ihre liebste Erinnerung an sie und warum glauben Sie, dass ihre Legende immer noch so gross ist?
Es fällt mir schwer, eine einzige liebste Erinnerung zu wählen. Während der acht Jahre engen Kontakts, in guten wie in schlechten Zeiten, in aussergewöhnlichen Situationen überall auf der Welt, gibt es ein Kaleidoskop der Erinnerungen, die um den ersten Platz im Wettbewerb stehen. Sie bleibt das Prisma, durch das die meisten auf der Welt alle nachfolgenden königlichen Ereignisse beobachten – besonders die, die ihre Kinder mit einbeziehen.
Ein Teil ihres Charmes machten ihre Erlebnisse bezüglich der grossen Themen des Lebens aus, also Liebe, Mutterschaft, Verrat, Scheidung, Erneuerung, die weltweit von Millionen verstanden und geteilt wurden. Dazu kommt, dass ihr Mut dem Elend gegenüber und ihr unermüdliches Engagement für humanitäre Zwecke sie zum Vorbild für all diejenigen und insbesondere für Frauen gemacht hat, die danach streben, Gutes im Unglück zu finden. Pflicht, Schönheit und Aufopferung sind mächtige interkulturelle Vorstellungen und Prinzessin Diana wird immer als elegante Verkörperung für alle drei gefeiert werden. Sie hatte ein natürliches Verständnis dafür, dass man Menschen ein Bild geben muss, wenn man einen humanitären Zweck fördern will. Meine Arbeit bestand oft darin, ein Bild zu erstellen, sodass man mit einem Blick erkennen konnte, was Diana machte und warum es wichtig war.
Ich kann nicht anders, ich muss Sie zur preisgekrönten Netflix-Serie «The Crown» befragen, bei der Sie beratend zur Seite standen. Eine Premiere für Sie?
Ich habe das grosse Glück, für Dokumentationen und Dramas schreiben, vortragen und beraten zu dürfen, die auf jedem wichtigen US-Sender sowie britischen und internationalen Plattformen erscheinen. Ab der vierten Staffel von «The Crown» tritt auch meine Person in Erscheinung und wird von Tom Turner gespielt. Er sieht übrigens viel besser aus als ich!
Reputation und Brand Management sind Ihre Fokus-Themen. Warum sind das auch wichtige Themen für Management-Assistenzen?
Dianas Entschlossenheit, sich nicht von ihren Kritikern einschüchtern zu lassen, hat meine Bewunderung verdient, wie auch ihr spontanes und frei ausgedrücktes Mitgefühl gegenüber Menschen, die von allen möglichen Krankheiten und Unglück betroffen waren. Bei der Beobachtung dieser Erlebnisse habe ich meine wertvollste Lehre gezogen: In allen sozialen Schichten haben Menschen die Wahl, sich die seltene Qualität zu verdienen, die man am besten als «Forgivability» beschreibt. Manche zahlen ein Vermögen an PR-Agenturen und Pressesprecher, in der Hoffnung, diese zu kaufen. Doch der Erfolg ist dann nie von Dauer. Stattdessen muss Erfolg durch dauerhafte, konsequente, harte Arbeit und emotionale Authentizität erarbeitet werden. Diese Qualität der «Forgivability» und wie man sie erlangen kann, bilden die Basis meiner Arbeit als Berater. Wenn dein Chef die Marke ist, dann musst du dich vielleicht mit der Tatsache auseinandersetzen, dass er beziehungsweise sie letztendlich doch menschlich ist. Heutzutage ist der Ruf mehr denn je von der Ausbreitung in den Medien gefährdet; Handy-Kameras, Periscope und Facebook zum Beispiel. Die Lehre bleibt die gleiche: Ob individueller Mensch oder globaler multinationaler Konzern – der Markenkern und die Werte müssen vorsichtiger und wachsamer denn je geschützt werden.
Zur Person
Patrick Jephson war acht Jahre lang Privatsekretär von Prinzessin Diana und für jeden Aspekt ihres öffentlichen Lebens und ihrer privaten Organisation verantwortlich. Er begleitete die Prinzessin auf Reisen, arbeitete mit Beamten bis zum Staatsoberhaupt und begegnete unvergesslichen Figuren der Politik, Philanthropie und Künste. Seine Amtszeit umfasste den Zeitraum von Prinzessin Dianas höchster Popularität bis zur Trennung von Prinz Charles. Jephson lebt heute in der Nähe von Washington DC, ist Berater, Journalist, Rundfunksprecher und New York Times meistverkaufter Autor. Seine Byline ist in jeder englischen Zeitung sowie in internationalen Printmedien wie TIME Magazine, Vanity Fair, People, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Paris Match erschienen. Als Experte im Bereich Corporate und Private Branding geniesst es Patrick Jephson, sowohl C-Level-Führungskr.fte zu coachen als auch UHNWIs (Ultra High Net Worth Individuals) bezüglich Reputationsmanagement zu beraten und auf PR-Kongressen zu sprechen.