Heute schon erfasst?
In der Schweiz gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, wenn ein Arbeitsverhältnis dem Arbeitsgesetz untersteht. Obwohl das Gesetz eine klare Regelung enthält, stellen sich verschiedene Rechtsfragen.
Immer öfter finden sich in der Arbeitswelt flexible Arbeitszeitmodelle wie etwa Gleitzeit, monatliche Sollarbeitszeit, Jahresarbeitszeit usw. Doch für alle diese Arbeitsmodelle geltend gemäss Arbeitsgesetz die gleichen Regeln und es darf nicht auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet werden.
Nur durch Erfassung der Arbeitszeit kann sichergestellt werden, dass die Einhaltung der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen betreffend Schutz der Arbeitnehmer – zu denken ist etwa an die Höchstarbeitszeiten, die Ruhezeiten etc. – eingehalten werden. Insbesondere für Arbeitnehmer kann die genaue Erfassung der Arbeitszeit von Vorteil sein, wollen sie etwa Überstunden kompensieren oder entschädigt haben.
Verantwortlich für die Erfassung der Arbeitszeit ist der Arbeitgeber. Er kann zwar im Rahmen der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags oder der Ausübung seines Weisungsrechts die Erfassung an die Arbeitnehmer delegieren, er muss aber ein dafür geeignetes Instrument zur Verfügung stellen und Kontrollen vornehmen. Die Form ist im Gesetz nicht geregelt. So kann dies etwa von Hand oder elektronisch geschehen (zum Beispiel via Excel-Liste).
Inhalt der Arbeitszeiterfassung
Grundsätzlich haben Arbeitgeber die Arbeitszeiten vollständig und lückenlos zu dokumentieren. Dabei ist das folgende zu erfassen: • die geleistete (tägliche und wöchentliche) Arbeitszeit inkl. Ausgleichs- und Überzeitarbeit sowie ihre Lage
- die gewährten wöchentlichen Ruhe- oder Ersatzruhetage, soweit diese nicht regelmässig auf einen Sonntag fallen
- die Lage und Dauer der Pausen von einer halben Stunde und mehr
- die nach Gesetz geschuldeten Lohn- und/oder Zeitzuschläge
- die gewährten wöchentlichen Ruhe- oder Ersatzruhetage, soweit diese nicht regelmässig auf einen Sonntag fallen.
Möglich ist, dass fixe Arbeitszeiten vereinbart sind und lediglich die Abweichungen festgehalten werden (Normarbeitsplan).
Ausnahme von höheren leitenden Angestellten
Das Arbeitsgesetz sieht verschieden Ausnahmen der Anwendbarkeit vor. So ist das Arbeitsgesetz insbesondere auf höhere leitende Angestellte nicht anwendbar. Gemäss Art. 9 ArgV1 gilt, dass eine höhere leitende Tätigkeit ausübt «wer auf Grund seiner Stellung und Verantwortung sowie in Abhängigkeit von der Grösse des Betriebes über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügt oder Entscheide von grosser Tragweite massgeblich beeinflussen und dadurch auf die Struktur, den Geschäftsgang und die Entwicklung eines Betriebes oder Betriebsteils einen nachhaltigen Einfluss nehmen kann».
«Besonders für die Arbeitnehmer ist die genaue Erfassung von Vorteil.»
Die Abgrenzung zum normalen leitenden Angestellten ist im Einzelfall selbst für den juristischen Profi schwierig, was sich in den einschlägigen Entscheiden des Bundesgerichts regelmässig widerspiegelt. Im Zweifel ist eher nicht von einer «höheren leitenden Tätigkeit» auszugehen. Die Beurteilung, ob ein höherer leitender Angestellter vorliegt, muss im Einzelfall anhand sämtlicher massgebender Umstände des Arbeitsverhältnisses vorgenommen werden. Die Funktionsbezeichnung, die hierarchische Stellung im Unternehmen oder eine bestimmte Ausbildung sind für sich allein unerheblich.
Verzicht auf Erfassung
Gemäss Art. 73a arGV1 kann unter gewissen Voraussetzungen vollkommen auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet werden.
Der Verzicht setzt voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer über ein Bruttojahreseinkommen von mindestens CHF 120 000.– verfügen. Zudem ist ein Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung nur für Arbeitnehmer möglich, die bei ihrer Arbeit über eine grosse Gestaltungsautonomie verfügen, d. h. die entsprechenden Arbeitnehmer bestimmen, in welcher Art und Weise die Arbeiten ausgeführt und organisiert werden. Zusätzlich müssen diese Arbeitnehmer die Freiheit geniessen, ihre Arbeits- und somit auch ihre Ruhezeiten mehrheitlich selber festsetzen zu können. Diese erforderliche Zeitautonomie muss für mindestens die Hälfte der Arbeitszeit bestehen. Bei der Festlegung dieser Zeitautonomie ist jeweils das Arbeitsumfeld als Ganzes in Betracht zu ziehen, unter Berücksichtigung der folgenden Faktoren:
Positive Faktoren:
- Telearbeit ohne festgelegten Zeitplan
- gleitende Arbeitszeiten
- keine zwingenden Präsenzzeiten
Negative Faktoren:
- obligatorische Sitzungen
- Blockzeiten
- Pflicht der ständigen Erreichbarkeit
- Pflichtenheft, das ständige Präsenz verlangt (z. B. Baustellenleiter oder Werkstattleiter)
- Grosser Koordinationsbedarf und somit zwingende Verfügbarkeit gegenüber Vorgesetzten und/oder Kunden
Gleitende Arbeitszeiten allein genügen beispielsweise noch nicht für die nötige Autonomie. Umgekehrt wird diese durch die Pflicht, bei Bedarf erreichbar zu sein, nicht ausgeschlossen, sofern die Pflicht nicht gekoppelt ist mit weiteren Vorgaben zu den Arbeitszeiten. In formeller Hinsicht muss die Möglichkeit des Verzichts auf die Arbeitszeiterfassung in einem Gesamtarbeitsvertrag vorgesehen sein. Jeder betroffene Arbeitnehmer muss dem Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung sodann persönlich zustimmen. Dies geschieht in Form einer individuellen, schriftlichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber.
Vereinfachte Erfassung
Gemäss Art. 73b ArGV1 können Arbeitnehmer mit einer gewissen Autonomie in der Festsetzung ihrer Arbeitszeit nur noch die täglich geleistete Arbeitszeit erfassen. Die Lage respektive der Zeitpunkt der Arbeits- und Ruhezeiten ist nicht mehr dokumentationspflichtig. Bei Leistung von Nacht- oder Sonntagsarbeit sind jedoch der Anfang und das Ende dieser Arbeitseinsätze festzuhalten. Betroffene Arbeitnehmer müssen die Freiheit geniessen, ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selber festsetzen zu können, was gemäss Seco ab rund 25 % der Arbeitszeit gegeben ist. Der Umstand allein, dass der Betrieb grundsätzlich flexible Arbeitszeiten ermöglicht, genüge nicht. Blockzeiten von maximal 75 % könnten das Kriterium nur dann erfüllen, wenn darüber hinaus keine weiteren zeitlichen Vorgaben erfolgen (wie z. B. obligatorische Sitzungen ausserhalb der Blockzeiten oder Dienstreisen).
Die Einführung der vereinfachten Arbeitszeiterfassung erfolgt in der Regel durch eine kollektive Vereinbarung zwischen der gewählten betriebsinternen Arbeitnehmervertretung (Personalkommission) und dem Arbeitgeber. In Betrieben mit weniger als 50 Arbeitnehmern kann die vereinfachte Arbeitszeiterfassung auch individuell mit den einzelnen Arbeitnehmern vereinbart werden.
Sanktionen
Die Verletzung von Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung an sich ist nicht strafbar, ausser sie erfolgt im Rahmen einer vorsätzlichen Missachtung der gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeitvorschriften (Busse bis CHF 3000.–). Stellen die zuständigen Behörden Verletzungen der Arbeitszeit fest, erlassen sie zunächst eine formlose Abmahnung mit Fristansetzung zur Behebung der Mängel. Bei Nichtbefolgung erfolgt eine Verwaltungsverfügung verbunden mit einer Strafandrohung (Busse bis CHF 10 000.– bei Nichtbefolgung). Weitere Sanktionen in Gesamtarbeitsverträgen sind möglich.