«Von Anfang an eine enge Beziehung zu den Kindern aufbauen»
Einführung einer gleichberechtigten Elternzeit fördert nicht nur das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern steigert auch die Produktivität und Integration im Unternehmen, findet Katrin Lipp, HR-Verantwortliche von AstraZeneca Schweiz. Im Interview berichtet sie, wie man als Firma durch diese Massnahme ein Zeichen für Geschlechtergleichstellung und Inklusion setzen kann.
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Können Sie zum Beginn Ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen als berufstätige Mutter und HR-Verantwortliche im Zusammenhang mit Elternzeit schildern?
Katrin Lipp: Als ich mich entschied, wieder zu arbeiten, wurde ich oft mit sozialen Normen konfrontiert. Beispielsweise hörte ich oft, ich sollte besser zu Hause bleiben oder zumindest Teilzeit arbeiten, um eine gute Mutter zu sein. Dennoch stieg ich wieder zu 100 Prozent ein, weil mir der Beruf grosse Freude bereitet. Mein Mann und ich konnten das gut organisieren und unsere Tochter lernte früh, dass der Beruf Teil unseres Lebens ist und bereichernd sein kann. So hat auch sie ein natürliches Verhältnis dazu entwickelt.
Inwiefern trägt die gleichberechtigte Elternzeit Ihrer Meinung nach dazu bei, soziale Normen und Erwartungen im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung zu verändern?
Die gleichberechtigte Elternzeit gibt beiden Elternteilen die Möglichkeit, eine Auszeit von der Arbeit zu nehmen, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Studien zeigen zum Beispiel, dass Väter, die Elternurlaub nehmen, sich später stärker in der Familienarbeit engagieren und mehr um die Kinder kümmern als Väter, die durchgearbeitet haben. So werden traditionelle Geschlechterrollen und Stereotypen im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung aufgebrochen, was zu einer integrativeren und fortschrittlicheren Gesellschaft führt.
Weshalb hat AstraZeneca im Juli 2023 die gleichberechtigte Elternzeit eingeführt?
Diese Massnahme ist für unser Unternehmen aus mehreren Gründen wichtig. Wir wollen damit konsequent die Gleichstellung von Männern und Frauen beziehungsweise der für die Erziehung des Kindes verantwortlichen Personen fördern. Dies tun wir, indem wir beiden Elternteilen die Möglichkeit geben, eine Auszeit zu nehmen, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Auch unterstützen wir damit das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit unserer Mitarbeitenden, was zu einem integrativen und produktiveren Arbeitsplatz beiträgt. Schliesslich ist eine inklusive Unternehmenskultur ein wichtiges Kriterium für die Wahl des Arbeitsplatzes. Wir sind überzeugt davon, dass Vielfalt die Grundlage unseres Erfolgs ist. Als innovatives und fortschrittliches Unternehmen legt AstraZeneca grossen Wert auf Inklusion und Diversität, die wir mit verschiedenen Massnahmen aktiv fördern. Die gleichberechtigte Elternzeit ist ein deutliches Signal gegenüber den Mitarbeitenden und potenziellen Talenten, dass wir Gleichstellung tatsächlich leben.
Welche Rolle spielen Väter oder der zweite Elternteil in der neuen Elternzeitregelung und welche Rückmeldungen haben Sie diesbezüglich erhalten?
Väter, respektive der zweite Elternteil, spielen eine zentrale Rolle. Um eine echte Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, sollte jeder Vater oder zweite Elternteil den Elternurlaub in vollem Umfang in Anspruch nehmen können. Die Reaktionen unserer Mitarbeitenden auf die neue Regelung sind überwältigend positiv. Die Feedbacks zeigen, dass die Beteiligten sich dank der Elternzeit ganz auf ihre Rolle als Elternteil konzentrieren, die Familie unterstützen und von Anfang an eine enge Beziehung zu den Kindern aufbauen konnten, ohne sich nebenbei noch um die Arbeit kümmern zu müssen.
Wie wurde die gleichberechtigte Elternzeit von den Mitarbeitenden und den Führungskräften aufgenommen? Können Sie konkrete Beispiele nennen?
Die Einführung der gleichberechtigten Elternzeit wurde von allen Beteiligten sehr gut angenommen. Ein Mitarbeiter berichtete, dass er sich dank dieser Möglichkeit zu 100 Prozent auf seine Rolle als Vater konzentrieren konnte, da seine Stellvertretung im Unternehmen gut organisiert war. Seine Kolleginnen und Kollegen übernahmen während seiner Abwesenheit mehr Verantwortung und trafen selbständig Entscheidungen im Tagesgeschäft. Dies ermöglichte ihnen neue Erfahrungen und Einblicke, die ihnen auch in Zukunft zugutekommen werden. Er selbst kehrte mit frischem Blick ins Büro zurück. Insgesamt war der Elternurlaub für alle Beteiligten eine rundum positive Erfahrung.
Laut Medienmitteilung soll die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen mit sich bringen. Können Sie das näher erläutern?
Die positiven Auswirkungen der Elternzeit sind gut dokumentiert und ihre Vorteile unbestritten. Der Elternurlaub hat sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene viele positive Effekte und wird bereits in vielen Ländern erfolgreich praktiziert. Ein gleichberechtigter Elternurlaub ermöglicht beiden Elternteilen, ihre beruflichen und familiären Pflichten besser zu vereinbaren. Dies verringert die finanzielle Belastung der Familien und steigert nachweislich die volkswirtschaftliche Arbeitsproduktivität. Für Gesellschaft und Wirtschaft ist es von grossem Interesse, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, gut qualifizierte Fachkräfte, insbesondere junge Frauen, im Beruf zu halten. Insgesamt fördert die Einführung eines gleichberechtigten Elternurlaubs die Gleichstellung der Geschlechter, unterstützt Familien und kommt damit der Gesellschaft als Ganzes zugute.
Das komplette Interview mit Katrin Lipp erschien im Miss Moneypenny-Schwestermagazin HR Today.