«Frauen legen cleverer an»

Dem alten Vorurteil zum Trotz, sprechen nicht nur Männer, sondern inzwischen auch Frauen regelmässig über Geld. Miss Finance Angela Mygind bloggt neu für Miss Moneypenny und gibt Geld-Tipps. Zum Start ihres Blogs erzählt sie, wie sie selbst begann, ihre Finanzen in die Hand zu nehmen.

Angela Mygind, was interessiert Sie am Thema Finanzen?
Inzwischen interessiert mich alles. Wobei ich zu Beginn die alles-ist-sehr-trocken-Hürde überwinden musste. Noch vor wenigen Jahren schob ich das Finanzthema auf die lange Bank. Ich wusste beispielsweise, was die dritte Säule ist befasste mich aber nicht weiter damit. Als ich mich meinen Finanzen annahm, bemerkte ich, dass meine Lösungen nicht optimal waren.

Veränderte sich mit Ihrem Finanzwissen auch Ihr Weltbild?
Ja, denn Finanzen bestimmen unser ganzes Wirtschaftssystem, unser Leben und unsere Sorgen. Als ich anfing zu investieren, machte ich mir Gedanken zu den Investitionsprodukten, zu Unternehmen und ihre Zukunftsperspektiven.

Wie ist das zu verstehen?
Nehmen wir als Beispiel Geberit. Wenn ich im Ausland in einem Restaurant oder Hotel bin, fallen mir oft die verbauten Geberit-Sanitäranlagen auf. Wenn ein Unternehmen seine Produkte weltweit verkauft, müssen sie gute Geschäfte machen und demzufolge qualitativ hochwertige Produkte herstellen. Mit diesem Hintergrundwissen überlegte ich mir dann, ob ich investieren möchte. 

Sie sind Assistentin und nicht Finanzberaterin. Wie kam es dazu, dass Sie Miss Finance wurden?
Miss Finance habe ich gegründet, weil Finanzwissen wichtig ist und ich etwas zur Wissensvermittlung beitragen will. Das Thema hat viel Potenzial und gerade wir Frauen können finanzielle Lücken schliessen, wenn wir uns unseren Finanzen annehmen. Als ich in meinem Umfeld über Finanzthemen sprach, merkte ich, dass viele noch kein Bewusstsein dafür entwickelt haben. Bevor ich alle nervte, gründete ich meinen Finanzblog.

Was wollen Sie mit Ihrem Blog erreichen?
Ich will Wissen vermitteln, Tipps geben und gegen Unwissenheit ankämpfen. Finanzen zu verstehen und seine Geldmittel richtig einzusetzen, ist nicht so kompliziert wie viele meinen. Zudem möchte ich aufzeigen, dass eine grosse Finanzlücke zwischen Männern und Frauen besteht. So beträgt der Rentenunterschied 37 Prozent. Das sind über 20'000 Franken, die Frauen nach der Pension pro Jahr weniger erhalten. 

Zu diesen 37 Prozent Rentenunterschied kommt es häufig, weil Frauen mehr Teilzeit arbeiten als Männer. Besteht nicht die Gefahr, Frauen zusätzlich unter Druck zu setzen?
Ja. Deshalb müssen wir aufpassen, dass der Druck nicht zu gross wird und Frauen wie Männer die Möglichkeit haben, das für sie passende Arbeits- und Lebensmodell zu wählen. Mir bereitet Sorge, dass Frauen das Thema Finanzen zu einem grossen Teil den Männern überlassen. Studien zeigen, dass drei von vier Frauen ihre Geldangelegenheiten ihrem Partner übergeben. Überhaupt investieren lediglich 18 Prozent der Frauen und nur wenige legen ihre dritte Säule in Wertschriften an. Diesen Prozentsatz können und müssen wir erhöhen, damit Frauen bis zu ihrer Pension finanziell besser dastehen.

18 Prozent der Frauen legen ihr Geld an. Wie sieht es bei den Männern aus?
Bei den Männern sind es mehr als das doppelte – und dabei treffen sie nicht unbedingt bessere Entscheidungen als Frauen, was wissenschaftlich belegt ist. Frauen, die anlegen, machen das cleverer, weil sie es mit einer langfristigeren Perspektive tun und kalkulierbare Risiken eingehen. Sie verfallen zudem weniger dem nächsten Hype.

Apropos Hype, was halten Sie von Investments in Kryptowährung oder NFTs?
Investitionen in Kryptowährung sind etwas für Fortgeschrittene, da die Volatilität sehr hoch ist. Es kann sein, dass man 1000 Franken investiert und am nächsten Morgen nur noch die Hälfte da ist. Damit haben viele Mühe. Ich empfehle mit einem ETF anzufangen, also einem Fondsprodukt, bei dem man breit abgestützt ist. Ich persönlich glaube an Kryptowährungen.

Das Thema Frauen und Finanzen boomt seit einiger Zeit. Woran liegt das?
Frauen haben lange das Potenzial des Geldes nicht erkannt, es vor sich hergeschoben und auch Banken und Versicherungen haben de facto 50 Prozent ihrer Zielgruppe vernachlässigt. Die Verantwortung liegt aber bei uns Frauen. Denn, wenn sie mehr arbeiten, müssen sie sich demzufolge auch mehr mit ihren Finanzen auseinandersetzen. Zudem hat das Bundesgericht im letzten Frühling entschieden, dass Frauen nach einer Scheidung für sich selbst sorgen müssen. Der Mann ist keine Lebensversicherung mehr. Das hat zusätzlich zum Umdenken angeregt. Ausserdem trug die Pandemie dazu bei, dass die Leute Zeit hatten, sich mit dem Thema zu befassen. Wir hören von der Inflation, lesen, dass wir uns in einer Niedrigzinsphase befinden und Sparkontos keine Alternative mehr sind. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, dass Frauen sich Finanzwissen aneignen. 

Warum ist das Thema Finanzen genderspezifisch?
Die Geschichte der Frauen und des Geldes ist eine noch sehr junge Geschichte. Frauen sind erst seit 1988 befugt ein Bankkonto, ohne die Einwilligung ihres Ehemannes zu eröffnen. In den letzten eineinhalb Jahren ist vieles in Bewegung gekommen. Die Finanzfakten sind für beide Geschlechter identisch, aber Frauen haben andere Bedürfnisse und Prioritäten. Meiner Meinung nach fühlten sich Frauen bis anhin zu wenig angesprochen. Geld ist ein emotionales Thema und das hat man zu wenig berücksichtigt. 

Was ist Ihrer Meinung nach ein gesundes Money Mindset?
Geld ist zum Leben da. Wir sollten uns nicht kasteien und zu sehr einschränken. Dennoch heisst sich mit Geld zu befassen, dass man einen Kauf bewusster plant und hinterfragt. Zum Money Management gehört, Rechnung pünktlich zu bezahlen, Kreditkarten nicht zu überziehen und da zu sparen, wo es Sinn macht. Einkaufen, um etwas Emotionales zu kompensieren, ist hingegen keine gesunde Einstellung.

Mit Finanzen verhält es sich zuweilen wie mit dem Sport – aller Anfang ist schwer. Welchen Tipp für einen erfolgsversprechenden Finanzstart geben Sie?
Üben und dranbleiben. Am Anfang hat man das Gefühl, es nie zu schaffen, aber das legt sich. Budgets erstellen, Kassensturz machen, das ist alles sehr trocken, aber spätestens beim Investieren wird es spannend. Learning by doing, ob nun über Social Media, einen Blog, eine Bank, einer App – für jede findet sich das passende Produkt. Wichtig ist: Egal auf welchem Kanal die Informationen beschafft werden, sie sollten immer hinterfragt werden. 

Angela Mygind

Angela Mygind ist Direktionsassistentin mit eidg. Fachausweis. Sie ist auf Projektbasis in der Ingenieurbranche tätig. Seit 2020 betreibt die Luzernerin ihre eigene Plattform «Miss Finance» mit einem Blog und Podcast. Neu bloggt sie auch für Miss Moneypenny zum Thema Finanzen.
missfinance.ch


 

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