Eine starke Frau in der Top-Liga
Marion Riemenschneider ist die Office Managerin des CEO bei Novartis. Sie hält ihrem gefragten Chef kompromisslos den Rücken frei. Für ihre Arbeit wurde sie vor Kurzem mit einem Award ausgezeichnet.
Er: «Wir haben zehn Minuten Zeit, damit du mir erklärst, was du im Office machst.» Sie: «Du kannst mir gerne eine persönliche Frage stellen oder ich schenke dir die zehn Minuten für eine Pause.» Nach dieser Antwort sah Vas Narasimhan, damals noch Leiter des globalen Entwicklungsbereichs bei Novartis, seine Assistentin Marion Riemenschneider mit anderen Augen. Kurze Zeit später beförderte er sie zu seiner Office Managerin. Inzwischen hält Marion Riemenschneider seit acht Jahren einem der bekanntesten Führungspersönlichkeiten der Welt den Rücken frei.
Marion Riemenschneider ist eine Frau für klare Ansagen. Muss sie auch, vor allem seit bei Novartis eine offene Arbeitskultur herrscht, wo von der Sachbearbeitung bis zum Top-Management fast alle in Open Spaces arbeiten. Marion Riemenschneiders Stehpult befindet sich in der obersten Office-Etage des neusten Gebäudes auf dem Novartis Campus in Basel. Hinter ihr hat Vas Narasimhan, CEO von Novartis, seinen Arbeitsbereich, der für alle Mitarbeitenden zugänglich ist. «Für uns ist das Teil unserer Unternehmenskultur», meint die CEO & ECN Office Managerin Marion Riemenschneider. Trotz offener Arbeitskultur muss sie aber auch dafür sorgen, dass ihr Chef nicht ständig gestört wird und er sich auf das Wesentliche konzentrieren kann.
Sehr viele Menschen wollen mit der obersten Führungspersönlichkeit bei Novartis in Kontakt kommen. Manche versuchen, dies über Marion Riemenschneider zu erreichen. Doch die Office Managerin ist konsequent: Zugang erhalten nur die, die sich über ein für Novartis wichtiges Anliegen austauschen wollen, unabhängig davon, ob man auf persönlichem Weg oder über Social Media anfragt. «Eitelkeit ist hier fehl am Platz», erklärt sie. Als vergangenen Herbst bekannt wurde, dass Marion Riemenschneider die Gewinnerin des «Greater Boston Admin Award – Colleen Barrett Winner» ist, wurde sie von Kontaktanfragen auf Linkedin überhäuft. Über 200 Anfragen hat sie abgelehnt, denn stets steht die Frage im Raum, ob die Personen, die sie anschreiben, an ihr oder nicht viel eher an dem einflussreichen CEO interessiert sind.
Ihr Chef weiss, was er an ihr hat. Nach der Bekanntgabe des Award-Gewinns veröffentlichte Vas Narasimhan einen wertschätzenden Post über seine Office Managerin, der eine hohe Klickzahl und viele positive Reaktionen verzeichnete. Doch Marion Riemenschneider wird auch nach dem Erhalt des Awards nichts an ihrem Linkedin-Profil ändern. Es bleibt bei Foto, Funktion und drei Kontakten.
Meine Wahl
Kaffee oder Tee?
Morgens Kaffee danach nur noch Tee.
Sommer oder Winter?
Ich bin ein absoluter Sommerfan.
Büro oder Homeoffice?
Beides – ich bevorzuge eine Balance zwischen Arbeiten im Büro und im Homeoffice.
Kochen oder Restaurant?
Am liebsten lasse ich mich bekochen. Mein Mann kocht grossartig.
Rock oder Hose?
Hose – derzeit am allerliebsten Schlaghosen wie in den 70er-Jahren.
Strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben
Den Award hat sie ebenso wenig gesucht wie die Aufmerksamkeit auf Social Media. Arbeitskollegen schlugen ihr vor, die Bewerbung einzureichen. Dass eine Assistentin aus der Schweiz von einem amerikanischen Gremium ausgezeichnet werden würde, damit rechnete sie nicht. «Die Nominierung und erst recht die Auszeichnung hat mich überrascht», sagt Marion Riemenschneider. «Der Award wirkte wie ein Energie-Booster und war eine schöne Anerkennung für die harte Arbeit der vergangenen Jahre.» Die Trophäe aus Muranoglas ist denn auch gut sichtbar in ihrem Zuhause aufgestellt. Da, wo sie seit Pandemiebeginn oft und gerne arbeitet. «Ich bin eine Befürworterin von hybriden Arbeitsformen und arbeite sowohl gerne im Office als auch zu Hause.» Zu Hause umgeben sie ihr Mann, ihre Katze, ein Hund und ein grosser Garten. «Aus all dem ziehe ich viel Kraft bei meinem anspruchsvollen und temporeichen Job», sagt sie. Und sie fügt an: «In der Top-Liga eines Pharmaunternehmens geht es zuweilen sehr dynamisch zu, aber ich habe gelernt, damit umzugehen.»Seit acht Jahren arbeitet die 58-Jährige zusammen mit Vas Narasimhan. Sie steht ihrem Chef mit ganzem Herzen zur Seite – zieht aber auch klare Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben. «Vas kennt nicht einmal meine private Handynummer. Wenn es wichtig ist, weiss er, dass er mich mit einer SMS über mein Businesshandy erreichen kann.» Blindes Vertrauen, gegenseitiges Verständnis, kein Wort zu viel und nur wenige Telefonate – das ist die Formel ihrer erfolgreichen Zusammenarbeit. Riemenschneider arbeitet frei nach dem Motto: «Lieber einmal entschuldigen als zehnmal nachfragen.» Ein Sorry war aber noch nie nötig und Fehler liegen auf ihrer Flughöhe nicht drin.
Ihr Weg zur Mentorin
Als Marion Riemenschneider bei Novartis ihren Job antrat, unterstützten drei Assistentinnen Vas Narasimhan, der damals die globale Entwicklungsabteilung des Unternehmens leitete. «Damals habe ich vor allem Reisekostenabrechnungen bearbeitet.» Eine etwas monotone Arbeit für die vor Energie sprühende Mutter dreier erwachsener Töchter. Ihr Vorgesetzter erkannte ihr Potenzial und wenige Zeit später hatte er nur noch sie als seine Assistentin.
Heute organisiert Marion Riemenschneider nicht nur die Agenda des Chefs, sie betreut vier verschiedene E-Mail-Accounts, ist die Office Managerin des Executive Committees von Novartis (ECN) und koordiniert den Austausch zwischen den EAs, die für die Mitglieder des ECN arbeiten. Marion Riemenschneider ist die Zusammenarbeit mit den EAs der Geschäftsführung besonders wichtig: «Während Corona mussten wir uns in der Zusammenarbeit und als Team finden. Ich habe das Coaching übernommen und seit letztem Sommer sind wir zu einem guten Team zusammengewachsen.» Als Meisterstück erstellt das ECN-Assistententeam jeweils im Sommer die Agenda der Geschäftsleitung von Novartis für das gesamte kommende Jahr. In der Agenda des Pharmaunternehmens – notabene sind über 114’000 Mitarbeitende weltweit bei Novartis angestellt – sind alle Meetings und wichtigen Termine des Kaders festgehalten und einsehbar. So weiss jeder, wann, wer, wie verfügbar ist.
«Ich habe früh lernen müssen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen.»
Boardbooks erstellen, Ratschläge erteilen und komplexe Organisationsplanung, das mag Marion Riemenschneider, die bereits mit 17 Jahren von zu Hause auszog und die – bevor sie in Basel sesshaft wurde – in den unterschiedlichsten Regionen der Welt gelebt hat. Als dreifache Mutter, die ihre Kinder zweitweise alleine in Argentinien und Italien grossgezogen hat, weiss Marion Riemenschneider, welche Herausforderungen das Leben stellen kann. «Ich habe früh lernen müssen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für meine Töchter und für mich zu übernehmen.» Hätte sie die Wahl, sie würde sich wieder für das gleiche Leben entscheiden – auch wenn es oft herausfordernd war. Denn ohne ihren grossen Erfahrungsschatz wäre sie vermutlich auch nicht dort angelangt, wo sie heute ist. Ihre Erfahrung und ihr Wissen teilt sie gerne mit jüngeren Assistentinnen und Assistenten. Regelmässig finden bei Novartis Mentorings und Schulungen statt, an denen sie sich beteiligt. Für Marion Riemenschneider, die firmenintern für den Assistenzberuf lobbyiert, ist das Mentoring eine Herzensangelegenheit. Sie selbst hatte keine Mentorin. Im Gegenteil: «Gerade weil ich auch Situationen kenne, in denen eine Angstkultur lähmend wirkte, unterstütze ich aktiv eine Kultur, die für andere Werte steht.»
Doch abgesehen vom Assistenznetzwerk ist der Job der CEO & ECN Office Managerin eine oft einsame Position und keine Funktion für «Everybody’s Darling». «Ich muss nicht allen gefallen. Im Office fokussiere ich nicht auf privates Socializing. Ich habe gute Freunde ausserhalb der Organisation. Auch dies erlaubt mir, in meinem Job ohne Befangenheit zu handeln. Gerade wenn ich Nein sagen muss oder es eine klare Ansage braucht.» Bewusst setzt sie bei klaren Ansagen Stilettos und ihre Weiblichkeit ein. Privat mag die Kosmopolitin lieber Turnschuhe und Birkenstocks. Ein Leben, das sowohl Stilettos und den Chic des Novartis Campus als auch bequemes Schuhwerk und private Gartenidylle umfasst – das widerspiegelt Marion Riemenschneiders New Normal.
Marion Riemenschneider
Marion Riemenschneider ist in Deutschland geboren und in Belgien und Japan aufgewachsen. Mit 17 Jahren zog sie von zu Hause aus und machte die Ausbildung zur Handelskauffrau. Sie lebte und arbeitete in Argentinien, Deutschland und Italien. Sie heiratete mehrmals, hat drei erwachsene Töchter aus erster Ehe und lebt mit ihrem Mann in Basel. In ihrer Freizeit spielt die 58-Jährige Klavier, malt Bilder, trifft Freunde, reist viel und liest gerne Bücher.