Porträt

Doppeleinsatz für ETH-Spitze

Jeder, der einen Termin mit ETH-Rektorin Sarah M. Springman hat, muss durch ihr Büro: Marianne Mandrin und Gabriela Laios teilen sich die Assistenz an der Hochschulspitze. 

Ruhig und beinahe menschenleer ist es in den Gängen der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Vorlesungsfreie Zeit heisst es für die Studentinnen und Studenten. «Semes-terferien wie einst gibt’s nicht mehr», sagt Marianne Mandrin. Durch die Welt tingeln und Ferienjobs nachgehen, also easy Studentenleben, das war einmal. Zumindest an der ETH Zürich. «Die Studierenden sind permanent am Lernen oder haben Prüfungen», weiss die Assis-tentin der ETH-Rektorin. Bedeutet denn vorlesungsfreie Zeit wenigstens weniger Arbeit für sie? «Seit ich hier bin, habe ich noch nie so etwas wie eine -Arbeitsflaute erlebt, und das, obwohl gerne behauptet wird, bei den eidgenössischen Institutionen herrsche ein gemächliches Arbeitstempo vor.» Doch Gemächlichkeit passt nicht zur ETH Zürich. Nicht umsonst belegt die Hochschule den sechsten Rang im bekannten QS World University Ranking. Und nicht von ungefähr sind bislang 21 Nobelpreise an Wissenschaftler vergeben worden, die an der ETH Zürich geforscht haben.

Lösung der Chefin: Doppelassistenz

Marianne Mandrin arbeitet seit 2015 als Assistentin von Hochschulrektorin Sarah M. Springman. Angetreten hat sie ihren Assistenzjob zeitgleich mit dem Amtsantritt ihrer Chefin. Mandrin erinnert sich an ihr Bewerbungsgespräch, bei dem sie sich gleich sympathisch waren. «Wir unterhielten uns über Oscar Wilde, der Thema meiner Maturarbeit war. Dabei stellte sich heraus, dass Frau Springman ein Fan des Schriftstellers ist.»

Das Büro von Marianne Mandrin liegt direkt neben demjenigen ihrer Chefin. Wer einen Termin bei der Rektorin hat, muss erst durch das Büro der Assistentin. Wie ist es, an der Spitze einer Hochschule zu arbeiten? «Ich arbeite heute gleich intensiv wie bei meiner vorherigen Chefin. Mein Credo ist, von jeder Anstellung das Beste mitzunehmen», sagt Mandrin, die vor dem Stellenwechsel die persönliche Assistentin von EMS-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher war. Die Tage im Vorzimmer der Rektorin können lang und arbeitsintensiv sein. Nicht selten kommt es vor, dass sie bis acht Uhr abends in ihrem Büro im Hauptgebäude arbeitet.

Vor zwei Jahren entschied sie sich, ihr Arbeitspensum zu reduzieren, um sich mehr um ihre pflegebedürftige Mutter kümmern zu können. Ihre Chefin schlug eine Doppelassistenz vor und hatte sogleich die passende Besetzung im Kopf: Gabriela Laios, ihre ehemalige Instituts-assistentin. «Gabriela und ich kannten uns noch nicht. Doch unsere Chefin hat ein gutes Händchen für Teamzusammenstellungen und bei uns zwei passte es von Anfang an.»

Ausser Dienst

Das hat mich geprägt:
Mandrin: Die effiziente Arbeitsweise von renommierten Persönlichkeiten in der Privatwirtschaft und die -Vielseitigkeit des akademischen -Umfelds.
Laios: Temporärarbeit – da musste ich immer sofort anpacken und -flexibel sein.

Dafür habe ich einmal viel Mut gebraucht:
Mandrin: Meine gut bezahlte Festanstellung bei der Swiss Re aufzugeben, um die Matura nachzuholen.
Laios: Nach langer Zeit wieder alleine und auf eigene Faust in die Ferien zu fahren.

Das möchte ich gerne lernen:
Mandrin: Feel-Good-Management
Laios: Theater spielen

Diese Person möchte ich gerne kennenlernen:
Mandrin: Andrin Schweizer, Architekt
Laios: Jane Goodall, Forscherin

Im Team

Gabriela Laios war bereits für Springman tätig, als ihre Kinder noch klein waren. Am Institut für Geotechnik der ETH war sie mit einem 60–80 Prozentpensum für die Administration zuständig. Als ihre Chefin zur Rektorin gewählt wurde und ins Hauptgebäude umzog, blieb sie vorerst am Institut und wechselte dann zum Stab Professuren ins Zentrum, wo sie für die Koordination und die administrative Begleitung des Rekrutierungsprozesses von Professorinnen und Professoren zuständig war. Als sie für die Doppelassistenz angefragt wurde, war das die Chance, einen vertieften Einblick in die Geschäfte der Schulleitung zu gewinnen. «Neue Aufgaben, mehr Verantwortung sowie wieder direkten Kontakt zu internen und externen Stellen, das alles reizte mich», sagt Laios.

(Foto: Raja Läubli)

Seit 18 Jahren arbeitet sie für die Hochschule. Die diplomierte Übersetzerin hätte nie gedacht, so lange bei ein und demselben Arbeitgeber zu bleiben. «Ich hatte aber an der ETH stets die Möglichkeit, neue Aufgaben zu übernehmen und mein Teilzeitpensum zu erhöhen, als die Kinder grösser wurden.» Sich nun die Arbeit mit einer Kollegin zu teilen, sei das i-Tüpfelchen. Denn jede picke sich automatisch die Aufgaben heraus, die ihr mehr liegen. Marianne, die das Management auf oberster Führungsebene und die effiziente Arbeitsweise von ihren früheren Chefs in der Privatwirtschaft gelernt hat, mag am liebsten schriftliche Korrespondenz, Gabrielas Stärken sind das Durchstrukturieren von Abläufen und die Event-Organisation. Und während sie das erzählen, fällt auf, wie verschieden doch die zwei Assistentinnen sind. Marianne Mandrin wirkt offen und kommunikativ, Gabriela Laios als eine, die auch in der Hektik die Ruhe bewahrt. Diese zwei Talente zusammenzubringen und zu nutzen, war vermutlich auch der Plan der Chefin.

Open Office

Die Türe vom Gang führt direkt ins offene Büro der beiden Assistentinnen. Was bedeutet, dass das Open Office oft und rege genutzt wird – für eine rasche Nachfrage, um ein Geschäft persönlich zu besprechen oder ein Dokument direkt vorbeizubringen. «Es ist toll, dass wir dort sitzen, wo die Musik spielt», sagt Mandrin. Und Laios doppelt mit einem Augenzwickern nach: «Ja, und manchmal liegt sogar ein Schwatz drin.»

Ein kurzer Blick, ein Zwinkern oder ein bestätigendes Kopfnicken – die zwei Assistentinnen verstehen sich ohne Worte. Und sie vertrauen sich gegenseitig. Müssen sie auch, denn sie teilen sich nicht nur das Büro, sondern auch das Mailpostfach. «Über uns geht nicht nur die Mailkorrespondenz der Rektorin, die wir bearbeiten; Marianne liest meine Mails genauso, wie ich ihre lese. Anders könnten wir nicht effizient arbeiten», erklärt Laios. Mandrin ergänzt: «Wir informieren uns gegenseitig mittels einer Tages- und Monatsmappe und vor Abwesenheiten besprechen uns.» Die Assistentinnen sind ein ständiges Bindeglied zwischen dem Schulleitungsmitglied Springman, den anderen Schulleitungsmitgliedern, den Departementen, Instituten, Studierenden sowie vielen Hochschulabteilungen, Verbänden, Kommissionen und externen Stellen. Im dynamischen Umfeld der Hochschule gilt es stets, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Geschäften und Gremien zu erkennen, die Übersicht zu bewahren und flexibel zu handeln. Exaktes Arbeiten ist gefragt, sowohl für die Terminplanung als auch für die Durchsicht der Korres-pondenz und der Texte, die über den Tisch der Assistenz laufen, bevor sie von der Rektorin genehmigt werden. 

Mit ihrer Chefin kommunizieren sie auf allen Kanälen: Mail, Chat, SMS, Whatsapp oder Telefon. Überhaupt, das Handy ist ihr ständiger Begleiter. Denn wenn im Notfall Unterlagen nachgereicht werden müssen, dürfen sie keine Zeit verlieren. Ihre Chefin ist bei Meetings genauso schnell und ausdauernd unterwegs wie einst als aktive Triathletin. Doch anders als bei einem Triathlon ist sie nicht auf sich allein gestellt. Sie kann sich auf die Unterstützung ihrer zwei Assistentinnen verlassen.

Gabriela Laios und Marianne Mandrin

Gabriela Laios (60) hat die Handelsschule besucht und später den Bachelor of Arts ZFH in Translation erworben. Seit 2001 arbeitet sie an der ETH Zürich, zuerst als Assistentin am Institut für Geotechnik, dann beim Stab Professuren; seit 2017 ist sie Assistentin der ETH-Rektorin. Sie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern und lebt im Kanton Zürich. Marianne Mandrin (46) hat nach der Handelsschule mit zusätzlichem KV-Abschluss auf dem Versicherungswesen die Weiterbildung zur Direktionsassistentin sowie zur Personalfachfrau abgeschlossen und an der KME die Matur mit dem Schwerpunktfach Latein nachgeholt. Vor ihrer Anstellung bei der ETH Zürich war sie die persönliche Assistentin von Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher. Marianne Mandrin lebt mit ihrem Mann und Hund Jacky am oberen Zürichsee. 

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