«Die DA Community gehört nicht mehr zu den nationalen Aufgaben»
Auf Ende 2021 löst der Kaufmännische Verband Schweiz die DA Community auf. Miss Moneypenny hat bei Michael Kraft nach den Gründen und dem weiteren Vorgehen nachgefragt. Als Leiter Bildung hat Kraft sich auch zum neuen Berufsbild Direktionsassistenz geäussert.
Herr Kraft, ich falle gleich mit der Tür ins Haus: Wieso löst der Kaufmännische Verband Schweiz die DA Community auf?
Das hat strukturelle Gründe. Im Zuge einer internen Umstrukturierung im Verband, die per 1.1.2022 umgesetzt wird, wurden alle bisherigen Massnahmen überprüft, insbesondere auch die Aufgabenverteilung zwischen den Regionen/Sektionen und uns als Dachverband. Die direkte Betreuung der Mitglieder wird neu ganz in der Verantwortung der Sektionen liegen. Dies betrifft auch Angebote wie die DA Community, gleichzeitig ist sie natürlich auch von Interesse für den Dachverband, da wir der Träger der Berufsprüfung sind. Als Folge der Strukturreform müssen wir allerdings gewisse Aufgaben beim Dachverband einstellen. Das betrifft leider auch die Betreuung der DA Community. Hinzu kommt, dass die aktuelle Pandemie-Situation nicht gerade geholfen hat. Wir mussten schauen, was sich mit den vorhandenen Ressourcen sowohl in finanzieller als auch in personeller Hinsicht noch bewerkstelligen lässt.
Sie sprechen die finanziellen und personellen Ressourcen an. Nun, der Kaufmännische Verband Schweiz ist der grösste Schweizer Berufsverband im kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Berufsumfeld mit rund 44 000 Mitgliedern und der Vertretung von etwa 600 000 Arbeitnehmenden in der Schweiz. Wieso kann sich der Verband keine Community mehr leisten?
Wir mussten uns klar die Frage stellen, was mit den neuen Verbandsstrukturen und Ressourcen die Hauptaufgaben des Dachverbands sind. Unsere Hauptaufgabe heute ist, auf nationaler Ebene präsent zu sein, und wird es in Zukunft noch stärker sein. Darunter fällt die nationale Bildungspolitik, das Überprüfen und Aktualisieren von Bildungsinhalten in den von uns vertretenen Berufsfeldern oder auch die Sozialpartnerschaften. Die DA Community in der heutigen Form gehört leider nicht mehr zu den nationalen Aufgaben. Ich persönlich bedauere das sehr. Vor allem weil wir die Träger des Berufsbilds Direktionsassistenz sind und uns ein enger Kontakt zu den Berufsausübenden wichtig ist.
Zehn Jahre gab es die DA Community und ein Netzwerk von knapp 200 Direktionsassistentinnen und Direktionsassistenten mit eidg. Fachausweis konnte aufgebaut werden. Wie geht es nach der Auflösung für die Mitglieder weiter?
Wir hoffen natürlich, dass die Mitglieder dem Kaufmännischen Verband durch eine reguläre Mitgliedschaft erhalten bleiben und somit von unseren beratenden Dienstleis-tungen profitieren können. Sie werden also nicht ins Nichts entlassen. In Verbindung mit der Berufsprüfungsreform haben wir selbstverständlich auch eine Informationspflicht, die weiterhin erfüllt wird. Wir wollen erklären, was sich mit der Reform ändert und wie sich das Berufsbild Direktionsassistenz weiterentwickelt. Wir überlegen uns Optionen, wie eine Community im besten Sinne angeboten werden kann. Aber da gibt es noch nichts Spruchreifes.
Werden die Mitglieder in die Regionen/Sektionen überführt?
Grundsätzlich sind die DA-Community-Mitglieder bereits Mitglieder einer Sektion des Kaufmännischen Verbands und können dies auch in Zukunft sein. Was es zum heutigen Zeitpunkt jedoch nicht gibt, sind regionale Angebote für die spezifische Zielgruppe, wie beispielsweise eine DA Community Zentralschweiz.
«Mit dem neuen Profil und Titel wird es für beide Geschlechter spannend, die Weiterbildung anzupacken.»
Gerne möchte ich noch auf die Berufsprüfungsreform zu sprechen kommen. Sie haben die Leitung Bildung beim Kaufmännischen Verband Schweiz. Seit zwei Jahren ist der Entscheid über die Prüfungsreform für den Weiterbildungsberuf Direktionsassistenz mit eidg. Fachausweis beim SBFI hängig. Wieso dauert es so lange?
Diese Frage stellen Sie am bestem dem SBFI, wir hätten es auch gerne, wenn es schneller gehen würde. Im Allgemeinen hat das SBFI momentan eine hohe Last an Reformen zu bewältigen, was auch nicht weiter überrascht. Es ändert sich in sehr vielen Branchen sehr vieles. Viele Berufsverbände kommen den veränderten Bedürfnissen der Wirtschaft entgegen. Ein regulärer Reformprozess dauert ungefähr zwei Jahre. Bis zur ersten Prüfung dauert es dann je nach Umfang der Reform meist nochmals zwei Jahre. Bei dieser Reform haben zusätzlich die Pandemie sowie die Klärung des neuen Titels zu Verzögerungen geführt. Die neue Prüfungsordnung ist zwar noch nicht offiziell publiziert, die neuen Inhalte stehen aber seit einiger Zeit fest. Der restliche Weg bis zur Genehmigung ist nur noch eine Formalität. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Warten bald ein Ende hat. Zumindest ein positives Signal haben wir bereits und klar ist, dass wir im Herbst 2023 mit den ersten Prüfungen nach der neuen Prüfungsordnung starten werden. Die meisten Schulen haben schon angefangen, nach den neuen Grundlagen zu unterrichten.
Seit rund zwei Jahren steht die neue Prüfungsordnung. Nun hat die Pandemie gewisse Arbeitsprozesse und auch die Digitalisierung weiter beschleunigt. Wurden weitere Anpassungen im neuen Berufsbild vorgenommen?
Anpassungen waren keine notwendig, das neue Berufsbild ist gut gewappnet für die aktuellen Veränderungen. Das Ziel der Reform war es, möglichst nahe am Puls der aktuellen Arbeitswelt zu sein. Andererseits wollten wir immer auch eine gewisse Offenheit ermöglichen, damit ohne grosse Reform laufend Aktualisierungen in der Wegleitung vorgenommen werden können. Kleine Änderungen können wir dadurch von Jahr zu Jahr vornehmen, damit das Berufsbild Schritt halten kann mit dem, was auf dem Arbeitsmarkt gesucht wird. Doch, wie wir so schön sagen: Nach der Reform ist vor der Reform. Es ist klar, dass es wieder eine Überarbeitung braucht, aber ich gehe davon aus, dass das nicht schon morgen der Fall sein wird.
Stimmt es, dass in den Weiterbildungslehrgängen die Schülerinnen und Schüler immer jünger werden?
Es besteht grundsätzlich der Trend, dass sehr junge Leute mit einem Minimum an Berufserfahrung in eine erste grössere Weiterbildung einsteigen. Das überrascht mich nicht. Es ist eine Bestätigung dessen, was wir auch von unseren Lehrabgängerinnen und Lehrabgängern hören. Da spielt einerseits das Interesse eine entscheidende Rolle, andererseits werden Weiterbildungen immer wichtiger. Die KV-Grundbildung ist eine gute Basis. Wenn man aber im Berufsleben weiterkommen will, braucht es höhere Weiterbildungen. Ein eidgenössischer Fachausweis ist eine erste Spezialisierung im kaufmännischen Bereich.
(Anmerkung der Redaktion: Voraussetzung für die Prüfungszulassung sind die kaufmännische Grundbildung und mindestens vier Jahre Berufspraxis im kaufmännischen Bereich. Jährlich schliessen über 300 Personen mit der Berufsprüfung ab.)
Wie holen Sie die Männer mit einem KV-Abschluss für die DA-Weiterbildung ab?
Heute ist Direktionsassistenz ein Frauenberuf. Mit dem neuen Profil und einem neuen Titel wird es unserer Meinung nach für beide Geschlechter spannend, die Weiterbildung anzupacken. Als Assistenz von Führungskräften sieht man in viele Geschäftsbereiche und strategische Prozesse hinein und ist somit bestens gerüstet für eine vielversprechende berufliche Karriere. Es ist an uns aufzuzeigen, dass Männer genauso gut in eine solche Funktion wachsen können wie Frauen. Das klassische Bild der Vorzimmerdame ist immer noch in vielen Köpfen verankert und es wird noch etwas Zeit brauchen, dieses Bild neu zu zeichnen.
Apropos Bilder in den Köpfen: Sie als Kenner der Berufsbildungslandschaft, wie schätzen Sie die Zukunft der kaufmännischen Berufe in der neuen Arbeitswelt ein?
Wir haben mehrere Studien zu diesem Thema durchgeführt. Wir wissen schon länger, dass es neue Kompetenzen braucht, dass neue Rollen und neue Jobs entstehen werden. Völlig verschwinden werden hingegen die wenigsten Jobs. Es tun sich neue Möglichkeiten auf. Ich bin überzeugt, dass es im kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Bereich Jobs geben wird, von denen wir heute noch keine Ahnung haben – weder zum Inhalt noch zur Bezeichnung. Ein gutes Beispiel für ein neues Berufsbild ist die Berufsprüfung «Digital Collaboration Specialist», die wir zusammen mit ICT-Berufsbildung Schweiz starten. Dieser Beruf wird eine Schnittstelle zwischen IT und Betriebswirtschaft sein. In Zukunft wird es weitere neue Berufe mit vielfältigen Schnittstellenfunktionen geben.