Korrespondenz

Den Blick nach innen richten

Kundenorientierung und Servicequalität sind wichtige Stichworte im Unternehmensalltag. Sie beeinflussen die mündliche und schriftliche Kommunikation. Während der Blick nach aussen geschärft ist, bleibt die Sicht nach innen oft getrübt. Das sollte nicht sein. Eine organisierte, bewusste und solide interne Textkultur sorgt für eine erfolgreiche Kommunikation – mit Kollegen und Kunden.

Protokolle, Berichte oder Aktennotizen sind nicht gerade Ausdrücke, die das kreative Schreiberherz höher schlagen lassen. Ihnen haftet etwas Altes an, viel Bürokratie und vor allem Langeweile. Die interne schriftliche Kommunikation ist jedoch ein wichtiges Arbeitsinstrument für interne Ansprechpartner und damit letztlich auch für externe Personen. Und für alle Lesenden gilt das gleiche Prinzip; sie haben Anspruch auf wertvolle Texte.

Auch für die interne Kommunikation braucht ein Unternehmen seine Werte für eine definierte Sprachkultur, damit das schriftliche Gespräch mit Menschen gut funktioniert. Damit die Werte wirkungsvoll sind und einen Beitrag zur Sprachkultur leisten können, müssen die Textsorten unterschieden werden.

Briefe und E-Mails – auch intern, gehören zur direkten und persönlichen Dialogsprache. Ihre Merkmale:

  • «Sie», «wir», «ich» mischen, weil eine Person mit der Anrede angesprochen und mit einem Gruss verabschiedet wird. In Briefen und E-Mails gelten grundsätzlich die gleichen Regeln. Briefe und E-Mails beinhalten auch Meinungen, Stellungnahmen sowie (gesteuerte) Emotionen. Da Kollegen untereinander anders sprechen und schreiben als mit fremden Personen, empfiehlt es sich, die E-Mail-Kultur pragmatisch und effizient zu gestalten. Zwei Strategien bieten sich dafür an: Das Briefing: Es beschränkt sich auf die Nachrichtenübermittlung, konzentriert sich auf die Kernbotschaft und lässt Small-Talk weg, eben weil sich die Partner kennen. Mikro-Wording: Immer dann, wenn es wenig zu sagen gibt und zum Beispiel Dokumente weitergeleitet werden. Beispiel: «Hier das PDF zum Thema …» Nicht so: «Im Anhang sende ich Dir wie bereits besprochen …». Wer sich an die Grundregel «jedes Wort hat einen Auftrag, jede Aussage ist sinnvoll» hält, kommuniziert effektiv.
  • 
Das Protokoll mit seinen unterschiedlichen Formen ist eine zeitverzögerte Livesendung, es berichtet im Hier und Jetzt von etwas Vergangenem. Es ist im Präsens formuliert, feststellend und nicht wertend. Vorsicht also mit Adjektiven. Da die meisten internen Texte zu lang sind, sollten sich Protokollierende vor Gesprächsbeginn briefen lassen: Welchem Zweck dient das Protokoll? Was muss daraus hervorgehen? Beschlussprotokolle sind in der Praxis oft ausreichend. Auch hier gilt: Weniger ist mehr und wer seinen Auftrag kennt, schreibt präziser.
  • 
Der Bericht behandelt ein Thema ausführlich und darf Expertenmeinung enthalten. Gute Berichte verfügen über einen Titel mit der Kernbotschaft, über eine Einleitung, die erklärt, worum es geht und worauf der Text eine Antwort gibt, der Lauftext rollt das Thema logisch auf, das Fazit ist der «Showdown», die Zusammenfassung, die Pointe.

Wer schreibt, formuliert meistens für ein Gegenüber, für ein Publikum. Diese Sicht wird intern gern vergessen oder mit dem Satz «Die verstehen dann schon, was ich meine» quittiert. Auch wenn Struktur und Vorbereitung nicht alles sind, so leisten sie doch einen wichtigen Beitrag für einen gelungenen Text. Für Protokolle und Berichte ist das «Zauberdreieck» Logik, Präzision und Anreiz hilfreich.

Logik ermöglicht Verständlichkeit

  • Sie beginnt bei der Einleitung und soll zu einem Aha-Effekt führen oder eine Zustimmung ermöglichen. Wird der Text von Beginn weg nicht verstanden oder keine Kernbotschaft erkannt, ist er verloren bzw. Zeitverschwendung. Die Einleitung arbeitet mit den klassischen sieben W: wer, was, wann, wie, weshalb, wo, wie viel.

Präzision bringt die Dinge auf den Punkt

  • Treffende und zum Unternehmen passende Begriffe
  • 
Keine Detailflut (oft ein Problem von Fachleuten)
  • 
Klares Fazit, das mit dem Inhalt zu tun hat (am Ende des Textes kein neues Thema eröffnen)

Anreiz verleiht Frische sowie Unterhaltung

  • 
Synonyme nutzen, die passen (kein heiteres Wortetauschen)
  • 
Bildhaft schreiben und Verben nutzen (sprechen, sehen, Einblick geben, beschreiben, erläutern, beleuchten, skizzieren)

Das Zauberdreieck lässt sich auch mit den drei Intentionsebenen «Ausdruck», «Information» und «Appell» verbinden. Die drei Ebenen spielen in Protokollen und in E-Mails eine besondere Rolle, weil sie insbesondere Emotionen versteckt zwischen den Zeilen überbringen. Beispiel:

E-Mail/Brief: «Wir freuen uns sehr über diese Einigung.»
Protokoll: «Frau Meier ist erbost über diese Entwicklung und fordert: …»
Die Information ist neutral und unaufgeregt.
Beispiel E-Mail/Brief: «Die Einigung ermöglicht uns, das Projekt im Herbst zu starten.»
Protokoll: «Frau Meier möchte / verlangt / erwartet …»
Der Appell fordert und reizt: «Bitte nehmen Sie bis … Stellung.»

Die drei Intentionsebenen beleben einen Text, brauchen jedoch eine sorgfältige Pflege. Intern entwickelt sich der Appell rasch zur angesäuerten, schmallippigen Ansprache oder zur unterwürfigen Bittstellerhaltung mit den typischen Begriffen «höflich», «erlauben», «dürfen», «würden». Und die Expression entgleist gerne in Form eines Vulkanausbruches. Die Regel lautet: lesen vor senden.

Eigene vier Wände – eigene Regeln

Gekonnte interne und externe Texte sind vorbereitet: Was ist mein Thema? Wie lautet die Kernaussage? Zu welchem Problem oder zu welcher Frage gibt der Text Auskunft oder eine Antwort? Was soll beim lesenden Publikum ankommen? Wie möchte ich wirken? Und wenn diese Struktur mit goldenen Textregeln zusammenkommt, ist alles richtig gemacht. Wirklich alles?

Da in den eigenen vier Wänden auch eigene Regeln gelten, ist die Sprachkultur oft nicht werteorientiert. Sie ist geprägt von ungeschriebenen Gesetzen, Hierarchien, Gepflogenheiten, Ritualen und Wahrheiten. Angenommen, ein Unternehmen definiert die Werte «frisch», «persönlich», «selbstbewusst» und möchte diesen Stil in allen Textsorten etablieren, sind die Widerstände nicht weit. Niemand verabschiedet sich gerne von Gewohnheiten.

Die Beispiele zeigen, wie Werte Gewohnheiten in Frage stellen:

«Frisch» für Protokolle: Schaffen Sie das «Traktandum» ab. Alternativen sind «Themen», «Inhalte», «Besprechungspunkte». Und schreiben Sie nicht mehr «Das Protokoll wird verdankt.» Alternative: weglassen oder aktiv: «Wir danken Anna Muster für das Protokoll.»

«Selbstbewusst» für Berichte, Konzepte, Analysen: Weichen Sie nicht aus Höflichkeit ins Passiv aus. «Es wird angenommen, dass ...» Besser: «Wir nehmen an, dass …» / «Die Abteilung für … geht von … aus.»

«Persönlich» für E-Mails: Legen Sie im Unternehmen fest, wie es intern um die Anreden steht. Es gibt viele, die verzichten darauf und schreiben einzig: «Andrea: …» Empfehlung: Sprechen Sie Ihren Empfänger auch intern im ersten E-Mail persönlich an. Danach geht es ohne Anrede und Gruss und mit Mikro-Wording: «Liebe Andrea / hallo Andrea / hoi Andrea, bitte sende mir den Bericht bis morgen – danke.»

Haben «frisch», «selbstbewusst» und «persönlich» in allen Unternehmensbereichen eine Chance, so werden auch aus Kolleginnen und Kollegen Kunden oder ein interessiertes Publikum, das im besten Fall aus Fans besteht. F steht für Freundschaft, angenehmer Ansprache, A für Authentizität, N für Natürlichkeit und lebendige Begriffe, S für Sensibilität.

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Angelika Ramer trainiert seit über 15 Jahren Unternehmen in schriftlicher Kommunikation und verfasste zu diesem Thema fünf Sachbücher. Die Kommunikationsberaterin und frühere Journalistin ist Inhaberin der «Identität ist Sprache – Ramer & Partner AG».

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