«Bei Konflikten zeigen wir unsere emotionale Seite»
Konflikte sind zermürbend und energieraubend. Dennoch lassen sie sich nicht immer vermeiden. Arbeits- und Organisationspsychologin Norina Peier unterstützt Führungskräfte und Teams im Umgang mit Konflikten. Im Interview erklärt sie, wie schwierige Gespräche gemeistert werden.
Was für eine Person ein Konflikt ist, kann für eine andere lediglich eine Meinungsverschiedenheit sein. Liegen Konflikte im Auge des Betrachters?
Absolut. Das eigene Empfinden, die eigene Emotionalität und die eigene Bewertung spielen eine grosse Rolle bei der Einordnung als Konflikt oder Meinungsverschiedenheit.
Wann kann überhaupt von einem Konflikt gesprochen werden?
Trifft ein Nein auf ein anderes Nein, so ist es ein Konflikt. Mir gefällt Gunther Schmidts Definition von Konflikt: «Ein Konflikt ist nichts anderes als das Erleben von Unterschieden und ich fühle mich durch deine Andersartigkeit bedroht.» Sobald sich jemand von einer Handlung oder einem Statement angegriffen fühlt, gibt es einen Konflikt.
Was sind die häufigsten Konfliktursachen in Unternehmen?
Grundsätzlich finden drei Arten von Konflikten in Unternehmen statt: Zielkonflikte, bei denen Uneinigkeit über das Ziel besteht. Beide Parteien stufen das eigene Ziel wichtiger ein als dasjenige der anderen Partei. Dann gibt es die Beurteilungskonflikte, bei denen Vorgehen unterschiedlich gesehen werden. Hier favorisieren zwei Parteien unterschiedliche Methoden zur Zielerreichung. Dann sind da noch die Verteilungskonflikte, wo es um knappe Ressourcen geht. In der Organisation fehlt es an Mitteln, um die Bedürfnisse beider Parteien zu befriedigen und es findet ein Wettbewerb um knappe Güter wie Budgets, Arbeitskräfte oder Beförderungen statt. Oft haben Konflikte mit Kompetenzen und Verantwortungen zu tun. Beispielsweise findet ein Mitarbeiter, ihm sollte mehr Verantwortung zugesprochen werden, aber der Chef übergibt sie ihm nicht. Das ist ein hierarchieübergreifender Konflikt. Dann gibt es den Konflikt auf der gleichen Hierarchiestufe, also innerhalb eines Teams. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ein Teammitglied nie sein Büro aufräumt, wie es der Kollege gerne antreffen möchte. Besonders schwierig gestaltet sich die Situation, wenn man sich die Position teilt und sich nur selten sieht.
Sind also Teilzeitarbeit und Jobsharing besonders konfliktanfällig?
Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, weil es nicht viele Gesprächsmöglichkeiten gibt. Niemand will schlechte Stimmung verbreiten, wenn man sich doch nur selten sieht. Wenn man sich aber täglich sieht, findet sich eher einmal ein Moment für eine Aussprache.
Die Lösung eines Konflikts ist sicher auch eine Frage der Priorität.
Wichtig ist bei Konflikten zu entscheiden, ob man sie angehen will oder nicht. Wir alle kennen Konflikte, bei denen es sich nicht lohnt, Energie zu investieren. Einen Konflikt auszutragen lohnt sich meist nur, wenn er Auswirkungen auf die Zukunft hat.
Konflikte sind negativ konnotiert. Können sie auch positive Auswirkungen haben?
Sehr sogar, denn wenn man es schafft, einen Konflikt miteinander anzugehen, lernt man sich besser kennen und kommt sich ein grosses Stück näher. Ein Konflikt ist etwas Persönliches und man zeigt sich von seiner verletzlichen, emotionalen Seite.
Wodurch unterscheiden sich innere und äussere Konflikte?
Beim inneren Konflikt wohnen zwei Seelen in einer Brust und man ringt mit sich selbst. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ich unentschieden bin, verschiedene Bedürfnisse habe und es mir schwer fällt, Kompromisse einzugehen, weil es für mich nicht stimmig ist. Beim äusseren Konflikt habe ich mit einer anderen Person einen Konflikt.
Sind innere Konflikte eine Frage des Selbstbewusstseins?
Eine selbstbewusste Person steht dazu, dass sie innere Konflikte hat. Jemand mit weniger Selbstbewusstsein streitet einen Konflikt eher ab und hat die Tendenz, sich in diesem zu verfangen.
«Assistentinnen beweisen in Konflikten
eine enorme Sozialkompetenz.»
Wie können Konflikte vermieden werden?
Konflikte gehören zum Leben dazu. Ich denke, das ist den meisten Leuten klar. Dennoch: Ist ein Konflikt erstmal da, will man diesen so schnell wie möglich weghaben. Konflikte können vermieden werden, indem schnell reagiert wird. Viele Menschen warten viel zu lange, bis sie eine Unstimmigkeit formulieren. Die Gefühle nehmen dann überhand und man vergreift sich im Ton. Wenn wir besser auf uns selbst hören, unsere Bedürfnisse wahrnehmen und sagen, wo der Schuh drückt, dann wird das Zusammenleben viel einfacher, denn mein Gegenüber bekommt ein Gefühl dafür, wie ich ticke.
Bei einem Konflikt mit dem Vorgesetzten zieht eine Assistentin in der Regel den Kürzeren. Wie kann sie vorgehen?
In Konflikten mit dem Chef beweisen Assistentinnen eine enorme Sozialkompetenz. Als nicht hierarchisch befugte Person ist es ratsam, die Auswirkungen zu thematisieren, statt über richtig oder falsch zu sprechen. Dann fühlt sich die Führungskraft auch nicht angegriffen. Eine Assistentin sollte ihre Rolle hinterfragen: In welchen Bereichen sieht sie sich als Sparringpartnerin auf Augenhöhe und in welchen als unterstützende Arbeitskraft? Ist sie sich einmal über ihre Rolle im Klaren, kann sie mit ihrem eigenen Verhalten sehr viel steuern. Denn das innere Bild, das wir von uns unbewusst übertragen, wirkt sich stark aufs Gegenüber aus.
Wie wird ein Gespräch zur Konfliktlösung geführt?
Erstens: Mit Ich-Botschaften das konkrete Verhalten des Gegenübers beschreiben. Zweitens: Die dadurch ausgelösten Gefühle bei mir selbst thematisieren. Drittens: Gemeinsam Lösungen für die Zukunft entwickeln. Es ist wichtig, den Blick in die Zukunft zu richten und nicht in der Vergangenheit zu verharren.
Was können aussenstehende Personen tun, wenn zwei im Team einen Konflikt haben?
Die allermeisten Konflikte werden von den Beteiligten selbstverantwortlich gelöst. Ist dies nicht der Fall und der Konflikt schwillt weiter an, sind Führungskompetenzen gefragt. Wenn zwei in einem Büro streiten und nichts passiert, kommt das der Botschaft gleich, dass ein Konflikt einfach toleriert wird. Ein konstanter Konflikt vergiftet aber die Stimmung im Team, wirkt sich negativ auf das Arbeitsklima und die Produktivität aus und trägt zur Fluktuation von geschätzten Mitarbeitenden bei. Bei ungelösten Konflikten sollte die Führungskraft deshalb eingreifen, indem sie aufzeigt, dass dieser Konflikt hohe Folgekosten mit sich bringt und auch Konsequenzen für die Beteiligten hat, falls sich der Konflikt nicht löst.
Was richten konstant ungelöste Konflikte aus?
Es gehen die Leute, die im Grunde genommen gut für den Betrieb sind. Die Konfliktbeteiligten hingegen bleiben, sie haben sich in ihrem Konflikt verbissen und lassen nicht los. Sie gehen lieber gemeinsam in den Abgrund als aufzugeben. Nicht zu verachten sind die Folgekosten, die bei einem Streit zwischen zwei Mitarbeitenden entstehen können. Im Allgemeinen wollen sich Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen. Wenn sie ständig schwelenden Konflikten ausgesetzt sind, werden sie krank oder verlassen den Betrieb. Eine gesunde Konfliktkultur setzt Vertrauen voraus. Die Mitarbeiter sollen Probleme anbringen und ebenso Erfreuliches teilen dürfen.
Sie führen auch Mediationen durch. Wann werden Sie gerufen?
Meist erst dann, wenn ein Konflikt bereits sehr verhärtet ist. Ich kläre aber vorher ab, ob es tatsächlich eine Mediation braucht oder ein Coaching. Je nach dem arbeite ich mit einer oder beiden Konfliktparteien und bzw. oder der Führungskraft, damit sie das nötige Werkzeug hat, es selbst in die Hand zu nehmen. Bei unterschiedlichen Wahrnehmungen nützt ein Coaching oft mehr.
Zur Person
Norina Peier ist Psychologin MSc mit Vertiefung in Arbeits- und Organisationspsychologie und diplomierte Schauspielerin der Zürcher Hochschule der Künste. Sie arbeitet als Trainerin, Coach und Teamentwicklerin für Firmen in der Privatwirtschaft, der -Öffentlichen Verwaltung und im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie Dozentin für Auftrittskompetenz, Rhetorik und Kommunikation an verschiedenen Hochschulen.
Konfliktseminar mit Norina Peier
Im zweitägigen Seminar «Konfliktmanagement: Schwierige Gespräche -erfolgreich meistern» lernen Teilnehmerinnen, auf sich selbst zu hören und -zwischen inneren und äusseren Konflikten zu unterscheiden, und können anhand persönlicher Fallbeispiele neue Lösungsstrategien entwickeln.
Das Seminar der Miss Moneypenny Academy findet am 14. und 15. November 2019 im Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon statt. Weitere Infos und Anmeldung unter
academy.missmoneypenny.ch