«Assistenzen haben ein um 18 Prozent höheres Level an emotionaler Intelligenz»
Lucy Brazier ist Geschäftsführerin von Marcham Publishing und hat ihre Karriere dem besseren Einsatz der Talente von Assistenzen gewidmet. Im Oktober gibt sie ein Seminar in Baden; Miss Moneypenny hat vorab mit ihr darüber gesprochen, was die Assistenz von heute können muss und weshalb der Job der Executive Assistants eine Zukunft hat.
Wie kam es, dass Sie Ihre Arbeit auf die Gruppe der Assistenzen fokussierten?
Lucy Brazier: Ich komme aus dem Verlagswesen und erhielt 2003 einen Newsletter, der sich an Assistenzen richtete. Dadurch wurde ich neugierig und beschäftigte mich intensiver mit dem Thema. Vier Monate später war ich auf einer Konferenz für Assistenzen in Mailand und stellte fest, dass dies eine Gruppe ist, die sehr viel Herzblut in ihre Arbeit einfliessen lässt, jedoch oft die eigene Frustrationstoleranz erreicht, da die Firmen, für die sie arbeiten, nicht genau wissen, wie man ihre Talente am besten einsetzen kann. Oft fühlen sie sich, als wäre ihre Arbeit selbstverständlich. Als Verlegerin machte mich das neugierig und ich wollte wissen, ob es nur in Italien so ist oder auch anderswo. Kurz darauf war ich auf einem ähnlichen Event im Vereinigten Königreich und dort sassen die 14 Top-Assistenzen an einem Tisch und redeten über die alltäglichen Problemthemen in ihrer Arbeit und diese deckten sich fast aufs Haar mit den Themen, die in Mailand angesprochen worden waren. So war auch in mir die Leidenschaft geweckt und die letzten 12 Jahre verbrachte ich damit, Unternehmen auf der ganzen Welt davon zu überzeugen, dass ihre Assistenzen die Wirtschaft verändern können, wenn sie richtig eingesetzt werden.
Wie stellen Sie das an?
Zusammen mit der World Administrators Alliance haben wir sechs Jahre lang geforscht, um herauszufinden, welchen Rahmenbedingungen Assistenzen benötigen, um in ihren Unternehmen erfolgreich zu sein. In der Studie kam heraus, dass im Schnitt 58 Prozent der Assistenzen das Gefühl haben, unzureichend ausgelastet zu sein und 78 Prozent sagten, dass ihr Unternehmen wahrscheinlich keine Ahnung davon habe, was genau sie tun und wie man sie richtig einsetzen könne. 2021 haben wir dann die Global Skills Matrix veröffentlicht. Diese ist aktuell unser Weg in die Unternehmen, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie ihre Assistenzen arbeiten. Denn was man nicht messen kann, kann man nicht verbessern. Vor allem nach der Pandemie ist das für Unternehmen sehr hilfreich, da die meisten sich nun damit konfrontiert sehen, darüber nachzudenken, welche Positionen sinnvoll sind und welche nicht. Mit der Matrix können Unternehmen die Talente ihrer Assistenzen voll ausschöpfen und Führungskräfte verstehen besser, was ihre Assistenzen den ganzen Tag leisten. So wird transparent, wer sich eignet, befördert zu werden.
Welche Schlüsselkompetenzen und Fähigkeiten sind entscheidend, um eine erfolgreiche Assistenz zu sein?
Kommunikation steht für mich ganz weit oben. Zudem ist es gut, wenn man kommunizieren kann und auch ein gewisses Mass an Selbstbewusstsein mitbringt. Als Assistenz ist man oft der Vermittler zwischen der eigenen Führungskraft und anderen Abteilungen und wenn man nicht in der Lage ist, gut zu kommunizieren, kann viel schief gehen. Zudem sehe ich, dass auch Projektmanagement immer wichtiger wird. Dabei muss man ein Auge für Details haben und gut mit Menschen umgehen können. Nicht alle können beide Aspekte gleich gut erfüllen -– für Assistenzen ist es essentiell. In einer Studie, die Avery durchgeführt hat, stellte sich heraus, dass Assistenzen ein um 18 Prozent höheres Level an emotionaler Intelligenz besitzen als die restliche Belegschaft . Weitere Fähigkeiten sind kritisches Denken oder auch das Lösen von komplexen Problemen. Assistenzen sind sehr gut darin, Prozesse und Abläufe zu verstehen und schneiden bei Tests darin besonders gut ab.
Wie sehen Sie die Zukunft der Executive Assistants?
Assistenzen werden auf keinen Fall irgendwann verschwinden oder von Systemen abgelöst, sondern sie werden in Zukunft noch viel mehr in die Abläufe der Unternehmen eingebunden. Das erfordert auch Mitdenken von Seiten der Assistenzen: Verstehe ich, was das Ziel meines Unternehmens und meiner Führungsperson ist? Wie passen meine Fähigkeiten dort hinein? Idealerweise kann die Assistenz ihren Chef oder ihre Chefin soweit entlasten, dass er oder sie die Zeit dazu nutzen kann, das zu tun, was nur er oder sie tun kann.
Wie können Assistenzen das bewerkstelligen?
Wenn Assistenzen als Business Professional angesehen werden wollen, müssen sie noch mehr für die Aussenwirkung arbeiten. Mein Tipp: Sie sollten wissen, was die Firmenstrategie für das nächste Jahr wie auch für die nächsten fünf Jahre ist und welche Rolle ihre Führungsperson dabei spielt. Es ist auch wichtig, den eigenen Chef oder die eigene Chefin effizient zu managen. Das heisst: Die Assistenz sollte der Führungsperson Zeit verschaffen. Viele vergessen oft, dass sie nicht vom Chef angestellt sind, sondern vom Unternehmen. Das heisst, sie sind nicht dafür da, dem Chef das Leben einfacher zu machen, sondern sie müssen das grosse Ganze sehen. Wie viel ist eine Stunde der Führungsperson wert? Mit jede Stunde, die man für die Führungsperson schaffen kann, wird Geld eingespart, das für die Hierarchieebenen weiter unten frei wird. Assistenzen sind also Gatekeeper von Arbeitszeit und nicht von Personen. Ich denke, mitunter müssen Assistenzen ihre Führungspersonen auch bezüglich Zeitmanagement trainieren.
Wird das auch Teil des Kurses sein, den Sie im Trafo Baden geben?
Der Kurs und das Buch, was ich veröffentlicht habe, gehen Hand in Hand. Hier geht es darum, wie man strategisches Denken lernen und wie man die Informationen dafür im eigenen Unternehmen finden kann. Ziel ist, dass man sich in der Firma als ausführende Business-Partnerin präsentieren kann. Viele Sachen werden in Zukunft automatisiert werden, jedoch nicht das vernetzte Denken, dass Assistenzen in ihren Unternehmen an den Tag legen müssen. Ich möchte sie dorthin führen, dass sie nicht nur auf Aufgaben reagieren, sondern selbst verstehen, was getan werden muss und ich will zeigen, wie sie das erkennen können.
Über Lucy Brazier
Nebst ihrer Rolle als Geschäftsführerin von Marcham Publishing ist sie Herausgeberin des Executive Support Magazines. Als Autorin des Buches «The Modern-Day Assistant: Build Your Influence and Boost Your Potential» (Der moderne Assistent: Bauen Sie Ihren Einfluss auf und steigern Sie Ihr Potenzial) setzt sie sich dafür ein, dass die Rolle des Assistenten als Karriere und nicht nur als Job anerkannt wird, und widmet sich der Förderung der Entwicklung sowohl von leitenden als auch von angehenden Verwaltungsfachleuten. Im Jahr 2021 wurde Lucy von Königin Elisabeth II. mit dem OBE (Officer of the British Empire) für ihre Verdienste um Bürofachkräfte ausgezeichnet.