Karriere

Assistenz auf Knopfdruck

Eine Studie aus Oxford will herausgefunden haben, dass die Assistentin zu den Berufsgruppen gehört, 
die am Aussterben sind. Wir werden sehen.

Im Oktober stiessen wir im Tages-Anzeiger auf einen Artikel über die Berufe der Zukunft. Forscher aus Oxford kamen demnach in einer Studie zum Schluss, dass es einige Berufsgruppen bis 2030 nicht mehr brauchen wird. Neben Kassiererinnen und Buchhalterinnen, kamen in dieser Liste auch die Sekretärinnen vor. Und wenn das Wort Sekretärin irgendwo steht, wird Miss Moneypenny aktiv. Wir haben mit zwei Experten über die Zukunft des Assistenzjobs gesprochen.

Einer von ihnen ist Joël Luc Cachelin. Er beschäftigt sich hauptberuflich damit, was die Zukunft für die Arbeitswelt so bringt. Das Wichtigste zuerst: Mit einem Aussterben des Assistenzjobs rechnet Cachelin nicht. Aber das haben Sie sicher schon geahnt. Schliesslich wissen Sie am besten, was Sie jeden Tag so stemmen.

Doch verändern wird sich der Job weiterhin. «Alles was repetitiv ist, werden mittelfristig Maschinen übernehmen», vermutet Cachelin.

Tempo nimmt stetig zu

Was heisst das? Das, was es schon immer hiess: Die Technik hilft uns mehr und mehr, gewisse Aufgaben zu vereinfachen. Das ist aber nur dann ein Segen, wenn man auch weiss, wie die Technik zu bedienen ist. Bestand die Vereinfachung in der Vergangenheit vielleicht darin, dass man komplizierte Berechnungen einfach von Excel erledigen lassen kann, heisst es in Zukunft vielleicht, dass die Transkriptionssoftware endlich so gut wird, dass mühsames Abtippen von Protokollen wegfällt oder dass sich Übersetzungen einfach per Knopfdruck ausführen lassen.

Mit jeder neuen Technologie steigen auch die Anforderungen an uns. «Und der digitale Wandel geht immer schneller vonstatten», so Cachelin. «Wir haben immer mehr Maschinen und diese werden immer billiger und intelligenter. Trotzdem neigen wir dazu, zu unterschätzen, wie schnell sie sich tatsächlich weiterentwickeln, denn wir gehen davon aus, dass sich die Technik im gleichen Tempo weiterentwickelt, wie bisher.» Doch das ist ein Trugschluss. Die Abstände zwischen grossen technischen Neuerungen werden immer kürzer.

Marit Zenk, deutsche Trainerin und Coach für Assistentinnen, glaubt ganz und gar nicht, dass der Job komplett ausstirbt. «Sicher erlaubt der technische Fortschritt den Managern, selbständiger zu sein und viele Dinge selbst erledigen zu können. Aber ohne die Assistentin würde eine wichtige empathische Schnittstelle fehlen. Es wäre töricht, diese Funktion abzuschaffen», so die Expertin. Doch auch Zenk geht fest davon aus, dass sich Assistentinnen immer mehr mit technischen Hilfsmitteln auseinandersetzen werden müssen, und plädiert an alle Assistentinnen, sich mit der Technik zu befassen. «Zwar wurde uns immer eingetrichtert, dass Frauen mit Technik nichts anfangen können. Aber sich mit Informationstechnologien auszukennen, kann ein echter USP sein. Denn man sollte sich seiner Sache nie zu sicher sein. Nicht nur am Stuhl des Chefs wird gesägt, auch der eigene Stuhl ist nicht sicher», warnt Zenk.

Bei der Frage, ob uns irgendwann Roboter im Vorzimmer empfangen, fällt Zenk spontan das Yotel-Hotel in Manhattan ein. Dort werden Besucher an der Reception von einem Roboter begrüsst und geben ihr Gepäck in dessen Obhut. «Aber wie soll das in einem Unternehmen gehen? Drücken Sie 1 für einen Besuch auf Top-Level, 0815 für einen Service-Mitarbeiter und 00, um den Weg zum nächsten WC zu erfahren», lacht Zenk.

Klar, das ist im Moment schwer vorstellbar, vor ein paar Jahrzehnten war es aber auch schwer vorstellbar, dass uns nicht mehr der Bahnangestellte die Fahrkarte verkauft, sondern der Billettautomat. Könnte also sein, dass wir uns auch daran gewöhnen. Im Sich-daran-Gewöhnen sind Menschen ja grossartig.

Emotionen sind nicht delegierbar

Fragen Sie sich jetzt, wo es hinführen soll, wenn immer mehr Arbeiten von technischen Geräten übernommen werden? Laut Cachelin gibt es in der Forschung dazu zwei Meinungen: «Während die einen Forscher davon ausgehen, dass der Mensch immer weniger zu tun haben wird, glauben die anderen, dass wir kreativ genug sind, uns neue Arbeit zu erfinden.» Seiner eigenen Ansicht nach bleibt am Ende die Arbeit übrig, die entweder sehr hohe oder sehr niedrige Ansprüche stellt, aber nicht an eine Maschine delegierbar ist. Das ist durchaus auch bei handwerklichen Aufgaben der Fall, wie beim Bau einer Geige oder bei speziellen Putzarbeiten, zum Beispiel in einem OP. «Ausserdem bleibt die ganze Emotionsarbeit übrig.»

Und Emotionsarbeit gibt es in der Assistenz jede Menge. Marit Zenk: «Die Assistentin ist immer das Bindeglied zwischen dem Chef und seinen Mitarbeitern. Gerade in Zeiten, wo wieder mehr von menschlicher Führung die Rede ist, wird sie immer unverzichtbarer. Wenn ein Chef viel auf Reisen ist oder von einer Sitzung zur nächsten eilt, ist sie es, die ihn mit den nötigen Informationen versorgt, was sonst im Unternehmen läuft – vor allem zwischenmenschliche Geschichten: Wer hat vielleicht gerade einen Todesfall oder wen hat die Frau verlassen? Sie kann mit der Assistentin eines anderen Chefs ein Thema direkt klären, um ihren Chef zu entlasten. Dazu muss sie aber vorausschauend denken und Zusammenhänge erkennen können – das soll mir ein Roboter erst einmal vormachen», meint Zenk.

Für Joël Luc Cachelin ist das hingegen gar nicht so abwegig: «Die Algorithmen oder das Internet begleiten Menschen heute schon auf Schritt und Tritt. Sie kennen jeden Klick, sie kennen die Termine, das Netzwerk, die Interessen, vielleicht auch die Interessen der Kinder. Das erlaubt ihnen, aufgrund von Informationen aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schliessen, einfach weil sie rechnen können, und irgendwann in naher Zukunft viel mehr Informationen mit einbeziehen können, als Menschen.»

Wer den Film «Her» gesehen hat, kann sich ungefähr vorstellen, wie das aussieht. Eine lernfähige digitale Assistentin steht dem Hauptdarsteller jederzeit zur Verfügung, erkennt dessen Wünsche, schon bevor er sie auch nur gedacht hat und ist am Ende seine wichtigste emotionale Ansprechperson.

Zukunftsmusik, klar. Aber wie weit entfernt ist diese Zukunft? «Es hängt von der gesellschaftlichen Akzeptanz ab, ob wir das wollen.»

Inszenierung ist alles

Klar ist: Manche Tätigkeiten fallen über kurz oder lang weg. Doch was kommt dazu? Die Oxford-Studie kam zu dem Schluss, dass der Beruf der «Personal-Branderin» ein gewisses Potenzial für die Zukunft hat.

Für Marit Zenk ist das überhaupt keine Zukunftsmusik. «Eine ausgezeichnete Assistentin macht das schon heute.» Also, was genau macht sie? «Sie stärkt dem Chef nicht nur den Rücken, sondern sorgt wie selbstverständlich für ein gutes Renommee und den passenden Aussenauftritt. Wenn er nicht die richtigen Worte findet, spricht sie im Anschluss noch einmal mit dem Mitarbeiter und rückt das Bild zurecht. Sie ermutigt die Kollegen, die Situation ebenso durch die Chefbrille zu sehen –sich in seine Lage zu versetzen.»

Joël Luc Cachelin kann sich das auf digitaler Ebene ebenfalls gut vorstellen. «Die Identität und Reputation, die wir durch das Internet kommunizieren, werden immer wichtiger. Wir werden zum Beispiel für künftige Jobs auf diese Art und Weise gefunden. Es kann also gut sein, dass bestimmte Leute es sich künftig leisten können, die Reputationspflege outzusourcen und jemanden zu bezahlen, der die digitalen Profile überwacht, optimiert, kritisch hinterfragt und vorausschauend plant.»

Keine Scheu vor Verantwortung

Neben der Inszenierung – von Personen, aber auch von Informationen – hält Cachelin weitere Kompetenzen für entscheidend: Die Fähigkeit, bestehende Informationen auf neue Art und Weise miteinander zu verknüpfen, die Fähigkeit zu fragen und zu hinterfragen, die Fähigkeit zu recherchieren. Und nicht zuletzt hält er es für unerlässlich, dass jeder sich klar darüber wird, was er ist und was er kann. Denn ohne Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten nütze alles andere wenig.

Besonders beim Vertrauen in sich selbst sieht auch Marit Zenk noch Nachholbedarf: «Viele Assistentinnen scheuen sich, Verantwortung zu übernehmen und sichern sich lieber bei jeder Entscheidung nochmals beim Chef ab. Das ist oft überflüssig, denn in Wirklichkeit weiss sie meist schon vorher, was er antwortet.»

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Stefanie Zeng ist Online Redaktorin bei Miss Moneypenny. 

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