Arbeitsrecht & Diversität
Diversität ist in den letzten Jahren in der Arbeitswelt immer wichtiger geworden. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern (vor allem in Führungspositionen) machte den Anfang. Mittlerweile geht es nicht mehr nur ums Geschlecht, sondern unter anderem auch um sexuelle Orientierung, Nationalität, Alter oder körperliche Einschränkungen. Wie sieht die Arbeitsrechtslage in der Schweiz punkto Diversität und Inklusion aus?
Die Diversität am Arbeitsplatz ist rechtlich nicht direkt geregelt. Dennoch gibt es verschiedene gesetzliche Bestimmungen, die direkt oder indirekt die Diversität am Arbeitsplatz schützen.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Nach Art. 328 Abs. 1 OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Persönlichkeitsgüter des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen und auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen. Er hat sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe Vorgesetzter, Mitarbeiter oder Dritter zu schützen. Zu den geschützten Rechtsgütern gehören u.a. auch die persönliche und berufliche Ehre sowie die Stellung und das Ansehen im Betrieb. Der Umfang der Fürsorgepflicht bestimmt sich im Einzelfall nach Treu und Glauben, wobei deren Grenze die berechtigten Gegeninteressen des Arbeitgebers bilden.
In der Schweiz ist ein arbeitsrechtlicher, geschlechtsübergreifender Gleichbehandlungsgrundsatz anerkannt. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz leitet sich aus der vorgenannten Pflicht des Arbeitgebers zum Schutz der Persönlichkeit der Arbeitnehmer ab. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung stellt eine Persönlichkeitsverletzung der Arbeitnehmer dar. Eine persönlichkeitsverletzende Ungleichbehandlung liegt allerdings nur im Falle einer willkürlichen (also sachlich ungerechtfertigten), individuellen Diskriminierung vor.
Gestützt auf die Fürsorgepflicht ist es einem Arbeitgeber somit nicht erlaubt, in willkürlicher Weise einzelne Personen schlechter zu behandeln, zu benachteiligen oder in ihren Chancen einzuschränken.
Eine weitere Verpflichtung des Arbeitgebers, welche sich aus der Fürsorgepflicht ableitet, ist die Pflicht, Mobbing am Arbeitsplatz zu verhindern.
Kein Schutz der sexuellen Orientierung
Gemäss Gleichstellungsgesetz (GlG) dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Das GlG verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben.
Das Verbot erstreckt sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis (insbesondere auf die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung) und bezieht sich auf direkte und indirekte Diskriminierungen. Eine – nicht sofort ersichtliche – indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung geschlechtsneutral abgefasst ist, in ihren Wirkungen aber das eine Geschlecht erheblich benachteiligt. Wichtig dabei: Frau und Mann werden gleichermassen geschützt.
Der Gesetzestext schützt somit direkt vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Geht man nur vom Gesetzeswortlaut aus, findet das GlG nicht Anwendung bei Diskriminierung aufgrund von Homo- und Bisexualität und Transidentität. Fast einhellig wird hingegen die Meinung vertreten, Transidentität sei durch das GlG geschützt. In Bezug auf Homo- und Bisexualität sind die juristischen Meinungen etwas differenzierter, wobei sich auch hier die Mehrheit der Autoren für die Anwendbarkeit des GlG ausspricht. Das Bundesgericht hat nun im Jahr 2019 festgehalten, dass eine direkte Diskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 1 GlG aufgrund der sexuellen Orientierung ausser Betracht fällt. Für eine direkte Diskriminierung fehlt es in solchen Fällen an der erforderlichen Geschlechtsspezifität.
Diversität in Stelleninseraten
Stellenausschreibungen, die sich an bestimmte Zielgruppen richten, sind nicht per se diskriminierend. Steht beispielsweise in einem Inserat, dass nur Nichtraucher oder Blondinen angestellt werden, ist das noch keine Diskriminierung. Wird ein Raucher bzw. eine Brünette bei einer konkreten Bewerbung dagegen tatsächlich abgelehnt, ist die Ablehnung eine Diskriminierung des Rauchers oder der Brünette. Das Gleiche gilt etwa, wenn ein Inserat explizit verlangt, dass ein Bewerber nicht (mehr) militärdienstpflichtig sein soll. Erst die konkrete Ablehnung gilt als Diskriminierung des Militärdienstpflichtigen und stellt in der Regel einen Verstoss gegen das GlG dar. Auch wenn Diskriminierungen bei der Anstellung weit verbreitet sind, ist der Rechtsschutz für Betroffene schwach ausgestaltet. Nur wenn eine Persönlichkeitsverletzung (siehe nachfolgend) oder ein Verstoss gegen das Gleichstellungsgesetz vorliegt, hat die nicht berücksichtigte Person eine Handhabe.
Geschlechtsspezifisch verfasste Stellenausschreibungen beinhalten zwar ein grosses Diskriminierungspotenzial, bedeuten aber noch nicht per se eine Diskriminierung. Wird in einem Inserat explizit eine weibliche Bewerberin gesucht, ist die Nichtanstellung eines Mannes erst dann diskriminierend, wenn er allein wegen seines Geschlechts und ohne sachlichen Grund übergangen wird. Oft sind solche Stellenausschreibungen aber ein Indiz für eine diskriminierende Nichtanstellung.
Stellenausschreibungen, die sich an bestimmte Zielgruppen richten, sind nicht per se diskriminierend.
Persönlichkeitsverletzende Nichtanstellung
Wird die Persönlichkeit des Bewerbenden bei einer Nichtanstellung verletzt, dürfte als Rechtsfolge eine Genugtuung oder Schadenersatz zugunsten des Betroffenen infrage kommen. Das Arbeitsgericht Zürich hatte sich so beispielsweise mit dem «Kopftuch-Tragen» auseinanderzusetzen, als eine Reinigungsfirma eine Stelle beim RAV meldete und mitteilte, man wolle keine «Leute aus dem Balkan». In der Folge bewarb sich eine Schweizerin mazedonischer Abstammung. Ihre Bewerbung wurde abgelehnt und ihr wurde mitgeteilt, dass man keine «Kopftücher» einstelle. Das Arbeitsgericht Zürich erkannte hier eine schwere widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung und verurteilte die Reinigungsfirma zur Zahlung einer Genugtuung von 5000 Franken. Solche Fälle sind aber selten. Wird ein Bewerber etwas aufgrund des Alters, der Haarfarbe oder wegen des Rauchens abgelehnt, stellt dies keine Persönlichkeitsverletzung dar.
Kündigungsschutz aufgrund persönlicher Eigenschaften
Eine Kündigung wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, ist grundsätzlich missbräuchlich. Eigenschaften, die einer Partei kraft ihrer Persönlichkeit zustehen, sind Eigenschaften, die eine Person individualisieren. Dazu gehören gemäss Rechtsprechung etwa Familienstand, Herkunft, Rasse, Hautfarbe, Nationalität, Alter, Behinderung, Homosexualität, Vorstrafen, Krankheiten, HIV-Status, Religion, Weltanschauung und körperliche Merkmale. Keine Diskriminierungskündigung liegt jedoch vor, wenn die Anknüpfung an ein an sich verpöntes, persönliches Merkmal gerechtfertigt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die persönliche Eigenschaft mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht oder eine wesentliche Beeinträchtigung der Zusammenarbeit im Betrieb bewirkt.
Ist eine Kündigung missbräuchlich, ist diese zwar gültig, der Gekündigte kann aber eine Entschädigung (von bis zu sechs Monatslöhnen) verlangen.