Kommunikation

Alles, was zählt, ist Kontakt

Die Korrespondenz ist Trends und Strömungen ausgesetzt. Viele Branchen suchen fiebrig nach neuen Formulierungen, die ihre Produkte und Dienstleistungen im besten Licht darstellen. Dabei brauchen die Zeilen zwischen Anrede und Gruss vor allem eines: einen guten Kontakt zwischen den Gesprächspartnern.

Sagen Sie, worauf kommt es Ihnen in E-Mails und Briefen an? Die Frage an die gemischte Runde von Führungskräften und Sachbearbeitern führt zu einer raschen Antwort. Auf Freundlichkeit, auf einen modernen Stil, auf korrekte Grammatik und Rechtschreibung. Alles gut. Mit dieser Antwort liessen sich problemlos zwei Seminartage gestalten, denn die Unsicherheiten sind immens und die Angst, irgendetwas falsch zu machen, ist geradezu monströs. Und bevor Korrespondenten aus dem Bauchgefühl heraus etwas wagen, bleiben sie sicherheitshalber beim dem, was sie kennen. Dieses Verhalten oder Herangehen an das schriftliche Gespräch in Briefen und E-Mails hat auch gute Seiten. Die Menschen in Unternehmen sind grundsätzlich vorsichtig – das fiebrige Streben nach neuen Sätzen und Strukturen wird gestoppt, wenn es zu nah, zu persönlich, zu kreativ, zu ausgefallen werden könnte.

Menschen sprechen mit Menschen

Die Berufsbezeichnung «Sachbearbeiter» richtet den Blick zunächst einmal auf die Sache, das Thema, den Inhalt. Effizienz und Verständlichkeit diktieren den Takt. Aber wem genau und in welcher Form soll das Thema vermittelt werden? Wer korrespondiert, ist den Menschen verpflichtet und nicht in erster Linie dem Inhalt und noch weniger den Kommaregeln. In der Seminarrunde mit Führungskräften und Sachbearbeitern verteilen wir die Rollen neu. Die Führungskräfte befassen sich mit der Unternehmensvision, den Werten in ihrer Organisation. Was da steht, ist die Basis einer wirklich stimmigen Korrespondenzsprache. Die Sachbearbeiter sind eingeladen, ihre Berufsbezeichnung in Bewegung zu bringen, zum Beispiel mit «Dialogprofi» oder «Gesprächspartnerin». Beide Gruppen notieren Gedanken und Eigenschaften, die sie mit dieser neuen Perspektive gewinnen. Die Ernte aus diesem Rollenwechsel ist erstaunlich. Es geht nicht mehr darum, irgendwelchen brillanten Topformulierungen hinterherzustolpern. Es geht um Dialog, um Menschlichkeit. Alles, was zählt, ist Kontakt. Im Dialog sein heisst, offen sein für das, was wir hören, sehen und empfinden. In Kontakt sein heisst, vorbereitet sein. Was möchten wir mit diesem Brief genau erreichen? Welche Sprache sprechen wir, damit unser Gegenüber uns versteht? Wie können wir unser Leitbild, unsere Vision für den Dialog einsetzen?

Ohne Kontakt ist Korrespondenz Schwerstarbeit. Ständige Wiederholungen, Erinnerungen, gesichtslose Standardschreiben stumpfen Lesende und Schreibende ab. Kontaktlosigkeit ist die Entzündung der Korrespondenz, die schwächt, das Fieber und damit die Suche nach einer heilenden Medizin auslöst.

Obschon in Kontakt sein einiges verlangt, ist es gar nicht so schwierig, lebendig auf Menschen zuzugehen. Am besten gelingt es Korrespondenten, die alle Regeln beiseiteschieben und ihren persönlichen Fähigkeiten, ihrem Einschätzungsvermögen, ihrem Gefühl vertrauen.

Das kleine Gespräch zu Beginn

Anfangen ist schwierig und aufhören ebenso. Die Blockade im ersten und letzten Satz ist bekannt. Und genau an diesen Stellen ist der persönliche Kontakt gefragt. Wie soll eine Krankenkasse mit einer unangenehmen Nachricht den schriftlichen Gesprächseinstieg gestalten? Und wie geht sie im letzten Satz aus dem Kontakt, ohne kontaktlos zu wirken? Der Klassiker für diese Haltung geht so: «Wir danken für Ihr Verständnis und bitten um Kenntnisnahme.» Wer im Dialog ist, hört nicht so auf. Dieser Dialogprofi oder Gesprächspartner sagt es anders: «Wir legen Wert auf das persönliche Gespräch. Bitte kommen Sie auf uns zu, wenn Sie Fragen zu diesem Brief haben – wir sind da.» Dient die Korrespondenz einzig dem Bearbeiten und Abarbeiten von Pendenzen und Nachrichten, fliegt dieser Satz im hohen Bogen raus. Kontakt und Dialog brauchen die Bereitschaft, Zeit zu investieren. Auf den Webseiten der meisten dienstleistungsorientierten Unternehmen wie Versicherungen oder Banken steht gross und farbig geschrieben, wie wichtig der Mensch ist – ein grosses Versprechen.

Das kleine Gespräch zu Beginn öffnet Türen, Lesende treten in Kontakt und sind bereit, Informationen entgegenzunehmen. Beispiele für einfache Kontaktsätze sind:

  • 
Heute sprechen wir Sie zum Unfall vom … an. 
Ohne Kontakt: Bezug nehmend auf die Unfallmeldung vom … teilen wir Ihnen mit, dass …
  • 
Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit. Mit Ihren vollständigen Unterlagen konnten wir alles Wichtige für Sie prüfen / abklären / bereinigen … 
Ohne Kontakt: Die Unterlagen haben wir erhalten. Danke. Im Folgenden teilen wir Ihnen mit, dass …
  • 
Mit diesem Brief erläutern wir … und erklären, wie …
Ohne Kontakt: Wir teilen Ihnen mit, …
  • 
Heute wenden wir uns mit einer Erinnerung und Bitte an Sie. …
Ohne Kontakt: Es wurde festgestellt, dass der Betrag noch nicht überwiesen wurde.
  • 
Wünschen Sie ein Gespräch oder haben Sie ein Anliegen? Bitte sprechen Sie uns an. 
Ohne Kontakt: Bei allfälligen Fragen stehen wir zur Verfügung.
  • 
Sie dürfen sich darauf verlassen, dass wir … sorgfältig behandeln. Ihre Angaben / Daten sind sicher bei uns. 
Ohne Kontakt: Das Bundesgesetz … schreibt den Datenschutz vor.
  • 
Nach unserem gestrigen Telefongespräch konnte ich alles für Sie abklären. Herzlichen Dank für Ihren Anruf. 
Ohne Kontakt: Gemäss Ihrer Anfrage teilen wir Ihnen mit, dass …
  • 
Wir können verstehen, dass dieser Entscheid unangenehm ist / nicht Ihrem Wunsch entspricht. Unsere Aufgabe als … ist es, … Ohne Kontakt: Wir danken für Ihr Verständnis.

Erst die Haltung, dann die Sprache

Mit der Idee Mensch, Dialog, Kontakt entsteht eine wertvolle und gesunde Grundhaltung. Welchen Anspruch haben unsere Kundinnen und Kunden (alles Menschen) an uns? Passt unsere Sprache zu dieser Zielgruppe – ist sie erfolgreich? Hier verliert die Standardkorres-pondenz. Hier büssen der Trend und das Moderne ihren Zauber ein, weil nicht alles Moderne gut ist und passt. In den Unternehmenswerten ist die Haltung formuliert. Ein Beispiel dazu: Ein Sozialamt schreibt im Leitbild: «Wir bieten Lösungen an in menschlich schwierigen Situationen.» Im Standardbrief heisst es im letzten Satz: «Wir bedauern, Ihnen keinen bessern Bescheid geben zu können.» Wo ist die Lösung, wo das Menschliche? Beides ist vielleicht gedacht, aber nicht geschrieben. Bewusste Unternehmen lernen, ihre Haltung lesbar zu machen. Das Sozialamt schreibt neu: «Es gibt andere Möglichkeiten und Wege in dieser Situation. Bitte rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne, die nächsten Schritte zu planen.» Auf diese und ähnliche Wendungen ist das Sozialamt nach einer längeren Diskussion über Lösungen gestossen. Korrespondenz in Kontakt und Dialog ist nicht geschliffen, sie ist wahrhaftig.

Das Kontaktlose aufspüren

Dialogprofis und Gesprächspartner könnten die DNA ihrer Unternehmenskorrespondenz entschlüsseln und den Kontakt-Test durchführen. Ein paar Beispiele dazu:

  • Wird, werden, wurde: Zu viele Passivformen zeigen, dass der Inhalt vor dem Mensch steht. Klassiker: Es wurde festgestellt. Wer ist das «Es»? 
Mit Kontakt: Mit diesem Brief erinnern wir Sie an …
  • 
Gemäss / Bezug nehmend / bezüglich / anlässlich: Zu viele bildarme, unsinnliche Begriffe zeigen, dass die Sprache kalt ist, kaum jemand spricht so. 
Mit Kontakt: Letzte Woche haben wir zusammen über … gesprochen. Heute …
  • 
Anfrage / wir teilen Ihnen mit, dass … / es wird mit Ihnen vereinbart, …: Hier regiert der Monolog. 
Mit Kontakt: Vielen Dank für Ihre Anfrage und das Gespräch. Mit Ihnen zusammen vereinbart Frau …
  • 
Wir danken für Ihr Verständnis und bitten um Kenntnisnahme. Hier wird die Tür zugeknallt. 
Mit Kontakt: Wir bitten Sie um Verständnis. Ihre Fragen zu … nehmen wir gerne entgegen.

Menschen im mündlichen und schriftlichen Gespräch können viel Gutes bewirken, denn Menschlichkeit ist in jeder Branche professionell. Und mit Kontakt finden Briefe und E-Mails zu ihrer gewünschten Aufmerksamkeit, sind effizient und erfolgreich.

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Angelika Ramer trainiert seit über 15 Jahren Unternehmen in schriftlicher Kommunikation und verfasste zu diesem Thema fünf Sachbücher. Die Kommunikationsberaterin und frühere Journalistin ist Inhaberin der «Identität ist Sprache – Ramer & Partner AG».

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